«Das Problem ist noch nicht gelöst»
10.09.2020 Baselbiet, Bezirk LiestalDaniel Koch stellt sich im Landratssaal den Fragen von Jungpolitikern
Der ehemalige Covid-19-Delegierte des Bundes Daniel Koch war Ehrengast am diesjährigen «Jugendforum». Fast eine Stunde lang beantwortete er die Fragen der Jugendlichen zur Pandemie.
Anouk ...
Daniel Koch stellt sich im Landratssaal den Fragen von Jungpolitikern
Der ehemalige Covid-19-Delegierte des Bundes Daniel Koch war Ehrengast am diesjährigen «Jugendforum». Fast eine Stunde lang beantwortete er die Fragen der Jugendlichen zur Pandemie.
Anouk Jordi
Als Daniel Koch, der ehemalige Covid-19-Delegierte des Bundesamts für Gesundheit (BAG), anfängt zu reden, entscheidet er sich doch, sein Mikrofon zu benutzen. Der Mann mit der ruhigen und bedächtigen Stimme, der im Zug der Corona-Pandemie fast über Nacht zum «Promi» geworden ist, sitzt im Landratssaal, eingeladen vom Jugendrat Baselland. Im «Jugendforum» vom vergangenen Dienstag soll er über die «neue Normalität» sprechen – das Thema dieses Tages. Die versammelten Jugendlichen warten gespannt auf seine Worte. Er beugt sich nach vorne und beginnt zu erzählen.
Die Pandemie habe massive Änderungen für die Bundesräte mit sich gebracht, so Koch. «Sie mussten alle ihre Geschäfte beiseite legen, an den Sitzungen gab es jetzt nur noch ein Thema: Das neue Coronavirus.» Zudem mussten die Bundesräte statt einer neu fünf Sitzungen pro Woche durchführen, um der Pandemie mit dem nötigen Ernst zu begegnen. Massnahmen auffahren ginge sehr schnell, betonte er weiter. Der Weg aus einer Krise heraus sei aber bedeutend länger. «Die erste Welle haben wir überwunden, aber das Problem ist noch lange nicht gelöst», schliesst Koch seine Rede, bevor er die Runde für Fragen öffnet.
Wie Koch die aktuelle Situation einschätze, fragt ein Jugendlicher. Die Situation sei zwar nicht optimal – absteigende Fallzahlen wären besser – aber zurzeit gebe es keine exponentielle Steigung wie noch im März, antwortet Koch. Epidemien hätten ein Grundrauschen wie auch die Grippe. Solange aber ein gewisser Schwellenwert an Infizierten nicht überschritten sei, könne man noch nicht von einer Welle sprechen. Dass eine zweite Welle im kommenden Winter bevorsteht, sei aber immer noch eine Gefahr. «Es gibt sehr wenige Propheten, ich bin sicher keiner. Ich kann also nicht sagen, ob eine zweite Welle bevorsteht», sagt Koch dazu.
Der nächste Jugendliche meldet sich bereits und fragt den Pandemiebeauftragten im Ruhestand, was er zu den Vorwürfen sage, dass zu Beginn der Krise die Effektivität der Masken heruntergespielt worden sei. Koch lächelt und antwortet: «Das ist ja schon fast ein persönlicher Angriff.» Man habe der Bevölkerung klar machen wollen, dass Abstand und Hygiene am wichtigsten zur Bekämpfung des Virus seien. Auch jetzt dürfe man die Wirkung der Maske nicht überschätzen, sie wirke nur zusätzlich.
Reaktion auf Verschwörungen
Auf die Frage, ob die Schweiz nicht zu langsam reagiert habe und man vielleicht nicht eher die sehr effektive Reaktion Chinas hätte nachahmen sollen, antwortet Koch mit einem bestimmten Nein. Die Reaktion Chinas stehe im Widerspruch zu unseren Grundwerten und wäre in unserem System gar nicht umsetzbar gewesen. Der Bundesrat habe der Bevölkerung die Situation erklären und nichts von oben herab befehlen wollen. Koch meint, die erste Welle habe man gut überwunden und die Massnahmen seien streng genug gewesen. Die Regierung habe von Anfang an keine überschossenen Massnahmen durchsetzen wollen, ein Ausgangsverbot beispielsweise wäre zu weit gegangen.
Nun fragt ein Jugendlicher nach dem Zusammenhang zwischen den Infektionszahlen, den schweren Fällen und den Todesfällen. Koch weicht aus und sagt, zu Beginn habe man zu wenige Tests zur Verfügung gehabt und entsprechend nur die Risikogruppe getestet. Zum jetzigen Zeitpunkt haben sich die Fälle zu der jüngeren Bevölkerung verlagert, diese erkranke weniger stark und somit gebe es auch weniger Hospitalisierungen. Im Fall einer zweiten Welle wären dann aber auch wieder Ältere betroffen. «Das Virus darf nicht unterschätzt werden, es gab vor allem in Italien auch viele Jüngere, die wochenlang auf der Intensivstation beatmet werden mussten», ermahnt Koch.
«Und wie soll man auf Verschwörungstheoretiker reagieren?», will ein Jugendlicher wissen. «Soll man mit ihnen debattieren oder sie einfach ignorieren?» Es gebe immer einen kleinen Prozentsatz an Extremmeinungen, die alles, was der Bundesrat sagt, als Lüge darstellen, antwortet Koch. Es lohne sich nicht, diese zu überzeugen. Wichtiger sei, mit Zweiflern zu reden und herauszufinden, woher ihre Skepsis kommt.
Vier Petitionen an die Regierung
Nach der ausführlichen Fragerunde verlässt Koch das «Jugendforum» und die jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehen zu dessen eigentlichem Hauptteil über. Die Jungpolitiker teilen sich in vier Expertengruppen zu den Themen Klima, Bildung, Freiheit und Wirtschaft ein und erarbeiten sechs Petitionen, über die am Nachmittag im Plenum abgestimmt wurde. Vier davon werden angenommen und dem anwesenden Regierungsrat Anton Lauber übergeben.
In den Petitionen fordert der Jugendrat Gesichtsmasken an Mittel- und Hochschulen, die energetische Optimierung insbesondere in kantonalen Schulbauten, verstärkte Schutzmassnahmen an Bildungsinstitutionen sowie die Stärkung der Chancengleichheit, insbesondere für Schülerinnen und Schüler, die nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können.