Der Cellist mit dem Dirigentenstock
28.08.2020 Baselbiet, Gelterkinden, Kultur, Bezirk SissachDer Musiker und Komponist Osvaldo Ovejero motiviert das Orchester Gelterkinden zu Höchstleistungen
Das Orchester Gelterkinden wird seit zwei Jahren vom österreichisch-argentinischen Dirigenten Osvaldo Ovejero (60) geleitet. Wer ist dieser Mann, der selber auch Musiker ist und komponiert? ...
Der Musiker und Komponist Osvaldo Ovejero motiviert das Orchester Gelterkinden zu Höchstleistungen
Das Orchester Gelterkinden wird seit zwei Jahren vom österreichisch-argentinischen Dirigenten Osvaldo Ovejero (60) geleitet. Wer ist dieser Mann, der selber auch Musiker ist und komponiert? Eine Annäherung.
Robert Bösiger
Wäre das Berner Altstadthäuschen am Zibelegässli 18 noch schmaler, fände die Eingangstüre wohl keinen Platz. Nach dem Eintreten führt ein langer Gang zu einer steilen Treppe und weiter zu kleinen Räumen im Obergeschoss. In diesen Räumen wird geprobt. Im hintersten Zimmer steht ein Klavier. Hier, sagt Hausherr Osvaldo Ovejero, sei er oft beim Komponieren anzutreffen. Hier und bei sich zu Hause in Oberwangen bei Bern.
Osvaldo Ovejero. Dem Mann mit den dunklen Haaren und ebensolchen Augen würde man es nie geben, dass er im kommenden Dezember 60 Jahre alt wird. Das Licht der Welt erblickt er in der argentinischen Stadt San Miguel de Tucumán. Dort – «in der Leuchtkäferstadt» – lernt er Violoncello, Klarinette und Klavier; bereits im Alter von 15 darf er im örtlichen Orchester mitspielen.
Studienjahre in Österreich
Mit 20 Jahren folgen weitere Studien als Cellist, Komponist und Dirigent an Musikhochschulen in Graz und Wien. In diesen Studentenzeiten verdient er sich den Lebensunterhalt mit Jobs in Tango- und Salsabands. Zudem ist er Mitglied in einem Orchester, das sich ganz dem Walzer verschrieben hat. Er liebe den Walzer sehr, sagt Osvaldo Ovejero.
In Wien lernt er nicht nur Strauss & Co. kennen und lieben, sondern auch Esther Feingold, die junge Sopranistin und Saxofonistin aus Bern.
In der Berner Altstadt unterhalten sie zusammen die private Musikschule. Beide leben von ihrer Musik. Sie als Musikerin und Sängerin, er als Dirigent, Musiker und Komponist. Osvaldo Ovejero steht derzeit zwei Orchestern und zwei Chören als Dirigent vor: Da ist der Orchesterverein Düdingen und das Orchester Gelterkinden (OG). Zudem leitet er den Kirchenchor Oberwangen (wo die Familie wohnt) sowie den Gemischten Chor Jegenstorf.
Lieblingsorchester OG
Beim Orchester Gelterkinden (OG) schwingt der Maestro den Dirigentenstab seit gut zwei Jahren. Dieses Orchester liegt ihm ganz besonders am Herzen. Mit diesem wolle er eine hohe Qualität erreichen. Zum Führen eines Orchesters wie dem OG brauche es Fingerspitzengefühl und psychologisches Geschick, sagt er. Nur so sei es möglich, die Leute zu motivieren und zu Höchstleistungen anzuspornen. Allerdings, so räumt er ein: «Ganz wichtig ist auch der Spass. Ohne Spass machen wir gar nichts.»
Und er mag Überraschungen. So kommt es vor, dass Osvaldo Ovejero für ein Stück den Dirigentenstab zur Seite legt und stattdessen zu seinem Cello greift. Dies hat er eben erst beim diesjährigen Konzert bewiesen, das kurz nach dem Lockdown unter anderem auch in der katholischen Kirche zu Gelterkinden stattfand (siehe «Volksstimme» vom 23. Juni).
Das Violoncello ist übrigens Ovejeros Herzensinstrument. Müsste er wählen, würde er es auf die berühmte Insel mitnehmen. Obwohl: Stark vermissen würde er wohl auch das Klavier. Ganz einfach deshalb, weil er es braucht um zu komponieren.
Neben Kammermusik für Bläser und Streicher habe er bisher auch Orchestermusik komponiert und Symphonien. Und, man höre und staune: Aus seiner Feder stammt auch eine «Science-Fiction-Oper». Wie bitte? Ovejero: «Da geht es um eine Botschaft aus dem All: Ausserirdische vom Jupiter bringen das Glück und solche vom Venus die Liebe zu den glück- und lieblosen Menschen, die auf der Erde leben.» Das Libretto schrieb seine Frau Esther Feingold. Besagte Oper sei noch nicht aufgeführt, soll es aber noch werden, sagt Ovejero.
Ein Werk zur Region Basel
Derzeit arbeitet Osvaldo Ovejero an einer Auftragskomposition des Orchesters Gelterkinden. Das Werk soll im Winter 2021 aufgeführt werden und sich inhaltlich um die Region Basel drehen. Da fliessen zum Beispiel neben dem Gelterkinderlied auch das Baselbieterlied und weitere Aspekte aus beiden Basel ein. Komponieren tut er immer dann, wenn er Zeit und Ruhe findet, «vorwiegend abends und in den Ferien». Oft auch bis tief in die Nacht hinein.
Bei dieser Auftragskomposition wird auch wieder die ihm zugeschriebene «9-Ton-Technik» zur Anwendung kommen. Osvaldo Ovejero erklärt: «Ich teile die Tonleiter auf in total 9 Töne. Damit entstehen andere – gemeinhin etwas jazzigere – Harmonien.» Man darf gespannt sein …
Nichts hat der Dirigent, Komponist und Musiker übrig für von Computern generierte Kompositionen. Computergenerierte Kompositionen würden entseelt und mechanisch klingen: «Wenn wir echte Musik wollen, so geht das nur über den Menschen.» Ovejero spricht von geistiger Energie, die verloren gehe, wenn der Computer Musik «komponiere»: «Das ist eine Verwässerung der Arbeit von Komponisten.»
Tango, Fussball, Velofahren
Welche anderen Leidenschaften und Hobbys hat Osvaldo Ovejero neben dem Dirigieren, Musizieren und Komponieren? Er liebe Sport, sagt er und wird konkreter. «Schwimmen und Tennis, Fussball und noch einmal Fussball. Und Badminton, Basketball – und Velofahren.» Tatsächlich radelt er oft die paar Kilometer von Oberwangen ans Zibelegässli.
Für das laufende Jahr seien zum Glück wieder einige wenige Konzerte anstehend. Unter anderem eines am Samstag, 28. November, in Gelterkinden (mit dem Orchester aus dem Oberbaselbiet) sowie am Santichlaustag dieses Jahres mit dem Orchesterverein Düdingen. Schon bald, am 6. September, tritt er zusammen mit dem «Musik Symphonie Global Kammerorchester Bern» in der Heiliggeistkirche Bern auf. Mit von der Partie ist neben Esther Feingold (Sopran) auch ihr gemeinsamer Sohn Riccardo (Piano).
Wetten, dass der Maestro auch bei diesem Konzert zeitweilig wieder den Taktstock mit dem Cello tauscht?