Wie ein Sprung ins kalte Wasser
16.06.2020 Bezirk Sissach, Maisprach, PolitikPaul Spänhauer übergibt das Präsidium an Caroline Weiss
Während 20 Jahren hat Paul Spänhauer der Gemeinde Maisprach als Präsident vorgestanden. Bevor er den Chefsessel seiner Nachfolgerin Caroline Weiss Nyfeler überlässt, erzählt er, wie er die Regentschaft erlebt und wie sich das ...
Paul Spänhauer übergibt das Präsidium an Caroline Weiss
Während 20 Jahren hat Paul Spänhauer der Gemeinde Maisprach als Präsident vorgestanden. Bevor er den Chefsessel seiner Nachfolgerin Caroline Weiss Nyfeler überlässt, erzählt er, wie er die Regentschaft erlebt und wie sich das Dorf verändert hat.
Otto Graf
Im Weinbaudorf Maisprach kommt es auf den 1. Juli zu einem Wechsel an der Spitze. Paul Spänhauer übergibt das Gemeindepräsidium nach 20 Jahren an Caroline Weiss Nyfeler. Der langjährige «Breesi» erzählt uns recht freigiebig aus dem Nähkästchen.
Da 1995 auf der Suche nach einem alten Bauernhaus in Maisprach ein entsprechendes Objekt feil war, sei er zufällig hier gelandet, berichtet er.Von Beginn weg nahm der in Muttenz Aufgewachsene und von Lausen Zugezogene in seiner neuen Heimat am Dorfleben aktiv teil. So habe er sich einst an einem Turnfest als Helfer gemeldet. «Am ersten Abend durfte ich im Festzelt nur die leeren Flaschen abräumen, mehr nicht», erinnert er sich. Am nächsten Tag habe er bereits volle Bierharassen an die Tische schleppen dürfen. «Da ich die Sache offenbar recht gemacht habe, wurde mir am dritten Tag im Service sogar ein Portemonnaie in die Hand gedrückt», umschreibt er das «Hochdienen» im Maispracher Vereinsleben.
Im Frühjahr 2000 wählte das Stimmvolk Paul Spänhauer per 1. Juli 2000 in den Gemeinderat und hievte ihn damit unbewusst gleich auf den Chefsessel: Zu Spänhauers Erstaunen hätten an der ersten Sitzung der Behörde in neuer Zusammensetzung alle andern vier Gewählten erklärt, das Präsidium nicht übernehmen zu wollen. So habe er faktisch keine andere Wahl gehabt und den Sprung ins kalte Wasser gewagt – und dies als politisch völlig unbeschriebenes Blatt, abgesehen vom Besuch einiger Gemeindeversammlungen.
Der ungewählte Präsident
«Dabei bin ich an der Urne nie gewählt worden, wohl als einziger Gemeindepräsident im ganzen Kanton», sagt er und verweist auf die Gemeindeordnung. Diese ermöglicht es, dass das Präsidium in Maisprach in stiller Wahl besetzt werden kann, auch beim erstmaligen Kandidieren einer Person.
Seine erste präsidiale Amtshandlung habe wahrscheinlich etwas mit der Bundesfeier am 1. August 2000 zu tun gehabt, vermutet Paul Spänhauer. Die voraussichtlich letzte Amtshandlung ist auf die Gemeinderatssitzung vom 29. Juni datiert, den Namenstag von Peter und Paul. Zufälligerweise beenden Peter Kaufmann, der 14 Jahre dem Gemeinderat angehörte, und Paul Spänhauer an ihrem Namenstag ihre kommunalpolitische Laufbahn.
Enge Verbindungen ins Fricktal
Auf die grossen Projekte in seiner Ära angesprochen, erwähnt der Präsident spontan den Neubau der Mehrzweckhalle Linde, das Umgestalten des Dorfplatzes in einen Ort der Begegnung, das Realisieren des Naturschutzgebiets Sonnenberg zusammen mit den aargauischen Nachbargemeinden Möhlin und Zeiningen sowie die Kreisschule mit Buus.
Diese Schule, betont er, komme den Gemeinden in hohem Masse entgegen. «Derzeit haben wir gemessen an der Bevölkerung relativ wenige Kinder, während in Buus das Gegenteil der Fall ist.» Diese Situation erlaubt es, die Räumlichkeiten optimal zu nutzen. «Die Schulkinder der ersten bis dritten Klasse aus Buus kommen jeden Tag nach Maisprach zum Unterricht. Auch besuchen einige Buusner Kinder den Kindergarten bei uns und geniessen den Schulweg mit dem Postauto sichtlich», sagt der Präsident.
Auf die Frage, was Maisprach besonders anziehend macht, verweist Spänhauer auf die ländliche, attraktive Wohnlage in einem weiten Tal sowie die guten Verkehrsverbindungen nach Rheinfelden, Basel und Gelterkinden. Die topografische Offenheit komme im Wesen der Bevölkerung sowie im Umgang mit Zugezogenen zum Ausdruck. Er erwähnt zudem die Tatsache, dass Maisprach nie mit Negativschlagzeilen auffallen musste. Reibereien oder gar perfide Anfeindungen auf politischer Ebene kennt man hier offenbar nicht. Natürlich prallten an einer Gemeindeversammlung verschiedene Meinungen aufeinander. Das, so Spänhauer, sei auch gut so und trage dazu bei, einen Konsens zu finden. Danach setzte man sich in der Beiz aber an denselben Tisch.
Letzte «Gmäini» fällt weg
Geografisch bedingt, arbeitet Maisprach eng mit den erwähnten Kommunen im Fricktal zusammen, beispielsweise beim GAF (Gemeindeverband Abfallbewirtschaftung Unteres Fricktal), beim Zivilschutz, dem Bildungswesen und bei der Feuerwehr. Dazu treffen sich die Behörden jährlich zu «freundnachbarschaftlichen» Begegnungen. Der Präsident erinnert in diesem Zusammenhang an eine schon länger zurückliegende Episode. Möhlin habe mit dem Gedanken gespielt, auf seinem Gebiet den festen Belag auf der Verbindungsstrasse nach Maisprach durch einen Mergelbelag zu ersetzen. «Wir konnten an einem solchen Treffen unsere Freunde in Möhlin von der Bedeutung dieser Direktverbindung für die Bevölkerung von Maisprach überzeugen», gibt Spänhauer zu verstehen. Damit nicht genug: Später habe Möhlin die Strasse gar für 300 000 Franken saniert.
Auch in Maisprach habe die Corona-Situation den Schulbetrieb massiv beeinflusst und die Vereinsaktivitäten praktisch zum Erliegen gebracht, stellt der im Männerchor Aktive fest. Die Geschäfte der auf Ende Juni anberaumten Gemeindeversammlung seien auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden. Aber, was er als positiv erachtet, die Bevölkerung habe sich im Dorf stets vergleichsweise frei bewegen können. Rückblickend auf zwei Jahrzehnte Kommunalpolitik stellt das abtretende Gemeindeoberhaupt fest, dass sich das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und der Obrigkeit allgemein entspannt hat. Man gehe, dem heutigen Zeitgeist entsprechend, lockerer miteinander um als früher.
Die Begegnungen und die Kontakte mit Leuten in anderen Gremien und Institutionen, etwa in den Vorständen des «Verbands Basellandschaftlicher Gemeinden» und des «Vereins Region Oberbaselbiet», werde er sicherlich vermissen, sagt Spänhauer. Dafür werde er ab sofort mehr Zeit haben für längere Reisen mit Gattin Ruth im Wohnmobil. Schliesslich kann er als fasnächtlicher Verseschmied von Schnitzelbänken voll auf den Putz hauen und dabei auch die Obrigkeit gehörig aufs Korn nehmen.
«Ich könnte mir eine gemeinsame Verwaltung mit Buus vorstellen»
Was war das persönliche Highlight Ihrer Amtszeit?
Das Realisieren der gemeinsamen Primarschule mit Buus, Kindergarten inbegriffen, in der unglaublich kurzen Zeit von einem Jahr. Hier darf ich auch dem Gemeinderat unserer Nachbargemeinde mit Nadine Jermann an der Spitze ein Kränzchen winden. Dank der seriösen Vorbereitung des Geschäfts konnten wir an den Informationsveranstaltungen jede Frage aus dem Publikum zufriedenstellend beantworten. Beide Gemeinden bekannten sich mit einem klaren Ja zur gemeinsamen Institution. Allen unvergessen bleibt sicher auch unser Jubiläum «800 Jahre Maisprach» mit den über das ganze Jahr 2007 verteilten Festivitäten. Das Highlight war sicher für alle der grossartige Galaabend im Zirkuszelt.
Welches Ziel haben Sie nicht erreicht?
In Maisprach haben keine grösseren Projekte Schiffbruch erlitten. Es gibt aber sicher noch Baustellen. Nicht gelöst ist das Projekt Wärmeverbund. Hier sind noch viele Fragen offen, etwa betreffend die Dimension des Perimeters oder den Standort einer möglicherweise nötigen neuen Heizzentrale.
Welche Vision schwebt Ihnen noch vor?
Visionär könnte ich mir eine gemeinsame Gemeindeverwaltung mit Buus vorstellen. Wir arbeiten ja im Schulwesen, in der Feuerwehr, kirchlich und in weiteren Bereichen schon lange und erfolgreich zusammen. Anders als bei uns verfügt Buus bereits über ausreichende Räumlichkeiten. In anderen Gemeinden, beispielsweise in Arisdorf und Hersberg, hat sich eine gemeinsame Verwaltung bewährt. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die technischen Dienste sowie die zunehmend komplexer werdende Brunnmeisterei dereinst gemeinsam mit der Nachbargemeinde betrieben werden.
Welchen Rat geben Sie Ihrer Nachfolgerin mit?
Keinen. Caroline Weiss ist schon lange «im Geschäft» und weiss, wie der Hase läuft. Ich werde mich hüten, ihr reinzureden.
Wie wird die nächste Generation Maisprach bis 2046 verändert haben?
In einem Vierteljahrhundert werden wieder mehr Kinder auf den Strassen der «neuen» Quartiere spielen. Heute wohnen dort vorwiegend ältere Ehepaare, deren Kinder ausgeflogen sind. Es ist absehbar, dass die heutigen Bewohner ihre Liegenschaften vermehrt an ihre Nachkommen weitergeben oder an junge Familien veräussern werden.
PAUL SPÄNHAUER
og. Ende Monat gibt Paul Spänhauer, verheiratet mit Ruth, zwei erwachsene Söhne, zwei Enkelkinder, sein Amt als Gemeindepräsident von Maisprach ab. Der gelernte Lüftungszeichner arbeitete bis zu seiner Pensionierung in leitender und beratender Funktion in einem Unternehmen der Klimatechnik-Branche. In der Freizeit spaziert er mit seiner Labrador-Hündin, wirkt aktiv im Männerchor mit und schmiedet als leidenschaftlicher Fasnächtler Verse für die Schnitzelbänke.