Vom scheuen Knaben zum Show-Profi
25.06.2020 Region, SportScootering | Benjamin Friant ist ein Pionier im Freestyle-Sport
In einem Pariser Vorort geboren und in der Westschweiz aufgewachsen hat Benjamin Friant über ein paar Umwege ins Oberbaselbiet gefunden. Der Scooterprofi ist durch den Sport ein anderer Mensch geworden und ...
Scootering | Benjamin Friant ist ein Pionier im Freestyle-Sport
In einem Pariser Vorort geboren und in der Westschweiz aufgewachsen hat Benjamin Friant über ein paar Umwege ins Oberbaselbiet gefunden. Der Scooterprofi ist durch den Sport ein anderer Mensch geworden und will seine Erfahrungen weitergeben.
Florin Messerli
Bereits in jungen Jahren war Benjamin Friant viel auf dem Skateboard unterwegs und mit der Szene des Freestyle-Sports bald vertraut. Doch er wollte etwas machen, was vor ihm noch niemand getan hat. Als im Jahr 2000 die ersten Scooter, kleine metallene Trottinetts mit kleinen Rädern, auf den Markt kamen, kaufte er sich im Alter von 13 Jahren seinen ersten. Er überlegte sich verschiedene Tricks und versuchte diese dann umzusetzen.
«Für mich war beim Sport schon immer die Kreativität ausschlaggebend», sagt der 30-Jährige. Im Scootering kann er sich frei entfalten und immer wieder Neues erfinden. Früher trainierte er nur aus Spass, ohne den Gedanken, jemals zum Profi aufzusteigen. Bis eines Tages sein bester Freund mit einem Zeitungsartikel auf ihn zukam. Darin wurde der weltweit erste professionelle Scooterwettbewerb angekündigt. Zufälligerweise fand dieser gerade in Montreux, also praktisch vor Friants Haustür statt.
Der Europameister wird Profi
Beim Wettbewerb merkte er schnell, dass er bei Weitem nicht der Einzige war, der auf dem Scooter Tricks beherrschte. «Damals mit den Besten der Welt mitgefahren zu sein und gesehen zu haben, was mit einem Scooter alles möglich ist, hat mir die Motivation gegeben, fleissig weiter zu trainieren und so gut zu werden wie sie.» Gesagt, getan. Fast täglich übte Friant. Genau ein Jahr später meldete ihn sein Freund erneut beim selben Wettbewerb an. «Ich hatte Angst davor, war unsicher, schüchtern und dachte, ich könne mit den anderen Fahrern niemals mithalten.» Doch er überwand seine Angst und gewann die «Montreux Scooter Competition» am Ende sogar.
Spätestens 2006, als Friant mit 16 Jahren an den Europameisterschaften siegte, war der Gedanke definitiv geboren, dass er diesen noch unbekannten Sport professionell ausüben könnte. Mit den Erfolgen wurden Sponsoren auf ihn aufmerksam. So schloss sich der Scooterfahrer mit Micro Mobility Systems, einem Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Tretrollern und Kickboards spezialisiert hatte und an deren Hype um die Jahrtausendwende es einen massgeblichen Anteil hatte, zusammen.
Für das Unternehmen war er später als Mitarbeiter in Zürich tätig. Jedoch fiel es ihm in der grossen Stadt schwer, neue Kontakte zu knüpfen. Nach der Kündigung und einem zweijährigen Aufenthalt in Aarau zog Friant mit seiner Freundin schliesslich nach Sissach. «Sobald wir hier angekommen waren, fühlten wir uns gleich wohl.» Trotz vermeintlicher Sprachbarriere fiel ihm die Integration nicht schwer und er lebte sich schnell ein.
In den Anfangszeiten des Scooterings gab es für Jugendliche keinen Klub, um gemeinsam zu trainieren. Heute bietet Friant mit der «Freestyle Scooter Academy» als Einziger Kurse an, in denen er sein Know-how an die junge Generation weitergibt und sich damit aktiv für die Förderung des Sports einsetzt. Der zweifache Europameister ist zufrieden, die Möglichkeit gehabt zu haben, von seiner Leidenschaft leben zu können. Jedoch sei die Motivation, auf einem solch hohen Niveau zu fahren, heute nicht mehr so hoch. Er hält sich lieber im Hintergrund und unterstützt den Nachwuchs.
Leidenschaft macht erfinderisch
Friant ist es wichtig, das Scootering weiter voranzutreiben und dabei immer den Spassfaktor hochzuhalten. «Es ist ein Sport, der volle Hingabe verlangt. Wenn du daran keinen Spass hast, ist es schwierig, besser zu werden», sagt der Franzose.
Diesen Spass wollte Friant in den Wintersport mitnehmen. Als kleiner Knabe war er oft auf Skiern unterwegs und nahm an Rennen teil. Von den Bergen war er schon immer fasziniert. Vom Fakt betrübt, nicht mit einem normalen Scooter auf dem Schnee fahren zu können, studierte er an Möglichkeiten herum, seine Leidenschaft mit dem Pistenspass zu verbinden. So machte er sich ans Tüfteln. Während sieben Jahren versuchte der Sissacher, den perfekten Prototypen eines Schnee-Trottinetts zu konstruieren.
Viele Unternehmen sahen im Konzept keine lukrativen Ertragsmöglichkeiten, doch Sponsor Micro Mobility Systems war erneut der wertvolle Partner: Gemeinsam brachten sie 2014 den ersten Schneescooter auf den Markt. Diese Pionierleistung rief dann auch andere Unternehmen auf den Plan, die dem Sportler plötzlich nacheiferten. Seit 2017 arbeitet Friant nun mit einem Pariser Unternehmen zusammen.
Der Sport als Kur
Als Knabe war Friant zurückhaltend und ängstlich. Seine Scheu war so gross, dass er sie heute gar als Krankheit bezeichnet. «Als ich 15 Jahre alt war, konnte ich nicht einmal alleine Brot kaufen gehen.» Dann entdeckte er den Scooter-Sport. Friant wurde schnell besser und das gab ihm Selbstvertrauen. «Durchs Scootering kam ich mit vielen Leuten in Kontakt, mit denen ich kommunizieren musste. Ich hatte gar keine Wahl.»
Innerhalb von nur drei Jahren entwickelte er sich vom scheuen und zurückhaltenden Knaben zu einem offenen und kommunikativen Jugendlichen. «Ich übernahm sogar die Aufgabe des Speakers bei Wettbewerben. Ich rief ins Mikrofon und unterhielt das Publikum.» Zwei Persönlichkeiten, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. «Ich habe dem Sport hinsichtlich meiner Persönlichkeitsentwicklung sehr viel zu verdanken», sagt der Freestyler.
Vom Scooter in die Jury
Heute ist Friant bei Grossveranstaltungen wie den Weltmeisterschaften Teil der Jury. Alle Wettbewerbe funktionieren ein wenig anders. Grundsätzlich muss ein Athlet aber immer innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne eine Kombination von Tricks vorzeigen. Sie erfordern vom Fahrer eine einwandfreie Koordination von Händen, Füssen, Beinen und Schultern. Bei der Beurteilung wird auf die Originalität, das in Kauf genommene Risiko, die Schwierigkeitsgrade der Tricks sowie die Ausdauer eines Athleten geachtet. Der Fluss eines Laufs sollte zudem möglichst nicht unterbrochen werden.
Bewertet wird von einem Richterkomitee. Im Wertungssystem können insgesamt maximal 100 Punkte vergeben werden. Es gleicht demjenigen beim Snow- oder Skateboarden. In kleinen nationalen Wettbewerben können Jugendliche und lokale Athleten gegeneinander antreten. International gibt es fünf Qualifikationsturniere für die Weltmeisterschaften: In Asien, Europa, Australien und den USA messen sich die Besten der Besten. Der Sieger des Turniers erhält jeweils das goldene Ticket für die WM. Athleten auf den weiteren Rängen können an den Amerika-, Australien- oder Europameisterschaften teilnehmen.