Fürs Wasser um die Kurve gebaut
26.06.2020 BaselbietPratteln | Archäologie Baselland präsentiert die Funde von 2019
2019 war für die Archäologie Baselland ein ereignisreiches Jahr. Besonders gross ist das Arbeitsvolumen derzeit im Bereich der archäologischen Bauforschung, bei der vor allem der Druck auf die historischen ...
Pratteln | Archäologie Baselland präsentiert die Funde von 2019
2019 war für die Archäologie Baselland ein ereignisreiches Jahr. Besonders gross ist das Arbeitsvolumen derzeit im Bereich der archäologischen Bauforschung, bei der vor allem der Druck auf die historischen Ortskerne wächst.
Tobias Gfeller
299 äusserst kostbare Silbermünzen in Pratteln, Gutshöfe in Munzach und Binningen, eine Grabstätte mit Waffenbeigaben im Reinacher Dorfzentrum und ein Stück einer Wasserleitung nach Augusta Raurica am Unteren Burghaldenweg in Liestal – der Schwerpunkt des archäologischen Jahres im Baselbiet lag eindeutig auf der Römerzeit. Hinzu kamen unter anderem gespaltene Rappenstücke aus der Zeit um 1850 auf einer Baustelle in Läufelfingen.
«Bei den Ausgrabungen lag der Fokus dieses Jahr nicht bei wenigen grossflächigen Grabungen, sondern bei zahlreichen mittleren und kleineren Interventionen, was den Aufwand natürlich nicht schmälert», verriet gestern anlässlich der Jahresmedienkonferenz der Archäologie Baselland Kantonsarchäologe Reto Marti im Museum im Bürgerhaus in Pratteln. Auch das Bauforschungsteam könne auf eine reiche Ernte zurückblicken: «Gebäude in Wittinsburg, Reigoldswil, Pratteln, Burg,Wenslingen und Ziefen bieten faszinierende Einblicke in die vielfältige Baselbieter Baukultur», schwärmt Marti.
Herausstechen würden dabei die neuen Erkenntnisse zum Liestaler Stadttor, dem eine Studentin im Rahmen einer Projektarbeit genauer auf den Grund ging. Dabei zeigte sich, dass die Balkendecke im ersten Obergeschoss die älteste derartige Balkendecke im ganzen Kanton sein muss.
Die Jahrringanalyse an Geschossbalken ergab, dass das Bauholz in den Jahren 1398/99 geschlagen wurde. Der Turm in seiner heutigen Form stammt also nicht aus der Zeit der Stadtgründung um das Jahr 1250, sondern wurde mit aller Wahrscheinlichkeit erst durch die Stadt Basel, welche die Stadt Liestal 1400 vom Bischof von Basel erworben hatte, erbaut. 1427 wird das «Törli» zum ersten Mal schriftlich erwähnt. Die Hölzer für die Balkendecke wurden also vor dem Erwerb der Stadt geschlagen. Sie seien möglicherweise für einen anderen Bau bestimmt gewesen. Der Schutz des «Stedtli» hatte für die neuen Eigentümer oberste Priorität.
Der Druck auf die historischen Substanzen und damit auch auf die Archäologie nahm in den Ortskernen seit 2014, als der Bund im Rahmen des Raumplanungsgesetzes die innere Verdichtung ausrief, markant zu. «Das bedeutet für uns viel Arbeit. Wir müssen effizienter und schneller arbeiten als zuvor», berichtet Kantonsarchäologe Reto Marti. Dabei werden neu spezielle Wärmebildkameras verwendet, mit denen ältere Bausubstanzen erkannt werden können.
Wasser für die Römerstadt
Erkenntnisse gewannen die Archäologinnen und Archäologen im vergangenen Jahr auch dank der entdeckten römischen Wasserleitung in Liestal. Um sich der Geländetopografie anzupassen, mussten die Römer Kurven in die Wasserleitungen bauen, damit die Höhenunterschiede überwunden werden konnten. Dies taten sie, indem sie kurze gerade Stücke zueinander angewinkelt platzierten, was schliesslich zu einer Kurve führte.
Ein Highlight für die Archä ologie Baselland war 2019 die Ausstellung im Rahmen des 1000-Jahre-Jubiläums des Basler Münsters im Kunstmuseum Basel. Dabei stellte die Archäologie Baselland dar, wie die Menschen in der Region vor 1000 Jahren gelebt haben müssen. Weil Funde von damals rar sind und für den Betrachter nur wenig exakte Erkenntnisse liefern, stellte die Archäologie Baselland mittels digitalisierter Bilder Landschaften dar, wie sie vor 1000 Jahren ausgesehen haben könnten. Eines dieser drei Lebensbilder stellte den künstlich aufgeschütteten Büchel bei Zunzgen dar. Darauf stand wohl ein hölzerner Wehrturm, wie Ausgrabungen aus dem Jahr 1950 zeigen.
Zusammenarbeit mit «Spähern»
Seit 2009 ist Kantonsarchäologe Reto Marti im Amt. Seit 10 Jahren präsentiert er anlässlich der Jahresmedienkonferenz die Arbeit der Archäologie Baselland. Das Ziel war von Beginn weg, die breite Bevölkerung stärker einzubinden. «Wir machen ja die ganze Arbeit nicht für uns, sondern für die Öffentlichkeit.» Damit einhergehend streckten die Profis die Hand aus für all jene, die sich hobbymässig mit Archäologie beschäftigen und in ihrer Freizeit auf eigene Faust unter anderem mit Metalldetektoren auf die Suche gehen.
Mehrere Hobby-Archäologen werden heute als ehrenamtliche «Späher» in die Arbeit miteinbezogen. «Sie sind vor allem dort unterwegs, wo wir nicht sein können: zum Beispiel in Wäldern oder auf Hügeln», beschreibt Reto Marti. Unter anderem fand ein solcher Späher die Silbermünzen in Pratteln.