Es flimmert wieder auf der Leinwand
16.06.2020 Bezirk Sissach, Kultur, SissachNach der Corona-Pause hat das Kino Palace wieder geöffnet
Die gute Nachricht zuerst. Das Kino Palace hat nach der epidemischen Zwangspause seine Türen wieder geöffnet. Die weniger gute Nachricht: Unter sehr strikten hygienischen Massnahmen. Kehrt das Publikum überhaupt wieder ins Kino ...
Nach der Corona-Pause hat das Kino Palace wieder geöffnet
Die gute Nachricht zuerst. Das Kino Palace hat nach der epidemischen Zwangspause seine Türen wieder geöffnet. Die weniger gute Nachricht: Unter sehr strikten hygienischen Massnahmen. Kehrt das Publikum überhaupt wieder ins Kino zurück?
Sander van Riemsdijk
Das Kino Palace beim Sissacher Bahnhof mit seinen 111 Plätzen hat am Donnerstag seine Türen wieder öffnen und nach fast drei Monaten epidemischer Zwangspause sein reguläres Programm aufnehmen können. Wobei von einem regulären Programm kaum die Rede sein kann. Die Coronakrise, in welcher der Kinobetrieb wie ein globaler Filmriss quasi über Nacht eingestellt wurde, hat den Filmbetrieb in der Schweiz, eine wirtschaftlich schon länger angeschlagene Branche, sehr hart getroffen. Die Existenz von vielen Kinobetreibern ist bedroht.
Nur noch 25 Sitze
Die pandemiebedingte Pause hat auch beim Betreiber des Kinos Palace, Oscar Schönenberger, Spuren hinterlassen: «Ich hatte drei Monate lang keine Einkünfte und musste als Unternehmer diese Zeit schlicht aushalten», sagt er und lässt es sich dabei nicht nehmen, seinem Ärger über die seit zehn Jahren fehlende finanzielle Unterstützung seitens der Gemeinde Sissach freien Lauf zu lassen. Schöneberger betreibt neben dem «Palace» zwei weitere Kinos in Lenk und Pontresina. Existenzängste haben ihn in dieser Zeit zwar nicht geplagt, trotzdem ist er sehr erleichtert, dass der Betrieb wieder aufgenommen werden kann. Wenn auch coronabedingt in einem sehr eingeschränkten Rahmen.
Der Dachverband der Schweizer Kino- und Filmleihunternehmen hat als Orientierung für die Kinobetreiber Sicherheitsregeln erarbeitet. In der Umsetzung bedeutet dies für das «Palace», dass auf eine Pause verzichtet wird und neben den Hygiene- und Verhaltensregeln die Sitzauslastung auf nur noch 25 Plätze reduziert wird. Damit die 2-Meter-Distanz unter den Besuchern eingehalten werden kann, wird jeweils eine Sitzreihe ausgelassen und die Filmliebhaber werden fast ausnahmslos auf die Sessel am Rand des Kinoraums verbannt.
Mit diesen Massnahmen möchten die Betreiber vermeiden, dass Besucher beim Kinobesuch ihren Namen und ihre Telefonnummer hinterlassen müssen, sagte Kinomitarbeiterin Zoe Schönenberger, die sich am Wiedereröffnungstag für die erste Filmpräsentation um 18 Uhr verantwortlich zeigte. Die Kontaktdaten würden gebraucht, um bei einer allfälligen Ansteckung die Infektionskette zurückverfolgen zu können.
Stellt man sich so ein unbeschwertes Kinovergnügen vor? Wird das Publikum überhaupt wieder in die Kinos zurückkehren? Es wird sicher noch eine Weile dauern, bis auf diese Fragen eine endgültige Antwort gegeben werden kann. Zur Corona-Problematik kommt hinzu, dass der Sommer wetterbedingt generell eine Kinoflaute bedeutet. Liebhaber von Spielfilmen waren in der Corona-Zeit bei geschlossenem Kino gezwungen, auf Streamingdienste wie Netflix oder Youtube auszuweichen. Neuabonnenten entdeckten damit die Bequemlichkeit und den Vorteil, sich auf dem heimischen Sofa mit dem Tablet oder Smartphone einen selbst ausgewählten Spielfilm anzuschauen.
«Netflix ist kein Problem»
Da stellt sich die Frage zwangsläufig, ob die Pandemie den vor einigen Jahren eingesetzten Prozess der Entfremdung vom Kinobesuch beschleunigen könnte. Oscar Schönenberger scheint auf die Frage geradezu gehofft zu haben. «Kein Problem, diese Angebote gab es schon vor Corona», antwortet er ohne zu zögern, und ist zuversichtlich, dass die Kinobesucher wieder in die Kinos strömen werden. Das grösste Problem sieht er eher im momentanen Fehlen von neuen Produktionen, da in den vergangenen Monaten keine Filme produziert wurden. Als Folge davon werden zur Wiedereröffnung Filme angeboten, die in der Vergangenheit schon einmal auf dem Kinoprogramm standen.
Im «Palace» hat Schönenberger die kinofreie Zeit nicht tatenlos verstreichen lassen, sondern die Gelegenheit beim Schopf beziehungsweise bei den Putzmitteln gepackt, um das Kino gründlich zu reinigen und die Stühle präparieren zu lassen. Am ersten Tag seiner Wiedereröffnung hielt sich der Andrang mit dem ersten Spielfilm «Platzspitzbaby» in sehr überschaubarem Rahmen – allerdings war das Wetter sommerlich warm.
Der Wandel in der Filmkultur in Zeiten der Digitalisierung ist kaum zu unterschätzen. Allen zuversichtlichen Äusserungen von Schönenberger zum Trotz, die auch als Durchhalteparolen verstanden werden können, wird sich das Kino als wichtiger Träger dieser Filmkultur über kurz oder lang neu erfinden müssen.