Wiedereinstieg mit Handbremse
07.05.2020 SportSebastian Wirz
Am Montag geht es endlich wieder los: Mit der neuesten Lockerung der Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus durch den Bundesrat sind ab kommender Woche nicht nur Restaurant- und Schulbesuche wieder möglich, sondern auch Sporttrainings in Gruppen. Die ...
Sebastian Wirz
Am Montag geht es endlich wieder los: Mit der neuesten Lockerung der Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus durch den Bundesrat sind ab kommender Woche nicht nur Restaurant- und Schulbesuche wieder möglich, sondern auch Sporttrainings in Gruppen. Die vier grundsätzlichen Vorgaben sind einfach: Hygieneregeln, Mindestabstand sowie maximale Gruppengrösse von fünf Personen einhalten, gefährdete Personen müssen zudem die spezifischen Vorgaben des Bundesamts für Gesundheit beachten. Geht es jedoch ins Detail, wird es kompliziert.
Seit vergangenen Mittwoch schlagen sich Sportverbände, Kantone, Gemeinden und Vereine mit Schutzkonzepten herum. Will ein Verein ab Montag Trainings in Kleingruppen durchführen, kann er das Schutzkonzept seines nationalen Verbands übernehmen oder auf die eigene Situation anpassen. Zu regeln sind etwa die Zugänglichkeit des Trainingsorts, die Organisation zur Staffelung und Steuerung des Personenflusses oder die Protokollierung der Anwesenheiten. Damit sollen einerseits Menschenansammlungen verhindert und andererseits das Nachvollziehen allfälliger Ansteckungsketten möglich werden. Zudem bestimmt jeder Verein einen offiziellen Corona-Verantwortlichen.
Aufwand und Ertrag
«Dieser Aufwand ist meines Erachtens gut zu bewältigen», sagt Thomas Beugger, der Leiter des Sportamts Baselland. Damit ist es aber nicht getan: «Viel grösser ist der Aufwand, wenn es darum geht, den bestehenden Trainingsgruppen auf die Situation angepasste Trainingsmöglichkeiten zusammenzustellen, damit in Gruppen von fünf Personen trainiert werden kann», so Beugger.
Dies bestätigt eine Umfrage bei lokalen Vereinen und Verbänden: «Aufwand und Ertrag stehen in keinem Verhältnis. Die Vorgaben sind für uns kaum umsetzbar – und am Ende hätten wir nur ein Training ohne Körperkontakt», sagt etwa Martin Geneto, der das Dossier Corona beim FC Gelterkinden betreut. Die Wolfstiege bleibt entsprechend vorerst geschlossen. «Wir warten die nächste Lockerung ab», heisst es auch beim FC Bubendorf. Für FCB-Präsident Martin Scheidegger ist klar: «Den Aufwand für die Planung können wir unseren Trainern nicht zumuten.» Auch der FC Diegten-Eptingen verzichtet auf einen Trainingsstart in der kommenden Woche.
Beim SV Sissach ist der Entscheid noch ausstehend: «Wir warten das Schutzkonzept der Gemeinde ab und werden dann definitiv entscheiden», erklärt Präsident Peter Greinemann. Nach anfänglicher Skepsis habe der Sissacher Gemeinderat entschieden, die Sportanlagen den Vereinen unter Auflagen zur Verfügung zu stellen, wie die zuständige Gemeinderätin Beatrice Mahrer auf Anfrage sagt. «Viele Vereine verzichten auf diese Möglichkeit», stellt Markus Speiser, Präsident der Sissacher Sportkommission, fest. Die Gemeinde arbeitet an Schutzkonzepten für das Sportzentrum Tannenbrunn sowie die Turnhallen der Primarschulen Bützenen und Dorf. Anschliessend sind die interessierten Vereine am Zug – wenn sie denn wollen.
Technik, Koordination, Kraft
«Wir versuchen, Trainings möglich zu machen», sagt Christian Ott von der Gemeindeverwaltung in Gelterkinden. Das Hallenbad bleibt geschlossen, die Dreifachhalle Hofmatt wird ab Montag aber für Vereinstrainings zur Verfügung stehen, ein Schutzkonzept besteht. Die Gemeinde stellt Desinfektionsmittel für Geräte und Materialien der Gemeinde zur Verfügung, Handdesinfektionsmittel sind von den Vereinen selbst zu organisieren. Gebrauch vom Angebot machen will zum Beispiel der örtliche Volleyballklub. Möglich ist gemäss Konzept des nationalen Verbands je eine Gruppe von vier Spielern pro Feldhälfte. Die Bälle werden unter den Gruppen nicht ausgetauscht, der Abstand von 2 Metern muss auch während der Übungen garantiert sein.
Ebenso loslegen möchten die Waldenburg Eagles. Die Unihockeyaner haben bei der Gemeinde Oberdorf ihr Konzept eingereicht. «Technik, Schnelligkeit, Koordination, Intervall und Kraft – diese Inhalte können wir auch unter diesen Umständen trainieren», meint dazu etwa 1.-Liga-Trainer Daniel Fluri.
Corona als «moving target»
Wahrscheinlich auf Trainings verzichten werden die Turner: Kantonal- und Bezirksturnverband empfehlen, mit den Trainings zuzuwarten. «Es ist fast nicht möglich, die Richtlinien umzusetzen», zeigt sich BTV-Sissach-Präsident Andreas Grieder skeptisch. Die Vereine können selber entscheiden, aber «wir warten lieber ab und beginnen, wenn man wieder richtig turnen kann. Schliesslich sind auch unsere Wettkämpfe abgesagt», findet der Rünenberger.
Geturnt wird dennoch im Kanton: Im Nordwestschweizerischen Kunstturn- und Trampolinzentrum Liestal starten die Athleten, die Kadern des Schweizerischen Turnverbands angehören, am Montag ins Training. Eine Woche später soll der Kreis auf weitere Gruppen erweitert werden. «Es ist gut, wenn unsere Athleten wieder eine Struktur erhalten», sagt Daniel Groves auf Anfrage. «Wir werden nach der Pause an den Geräten natürlich mit einem dosiertem Programm einsteigen», so der Cheftrainer Kunstturnen Männer beim NKL.
Ob die Schützenvereine wieder in den Schiessbetrieb einsteigen wollen, ist noch offen. «Wir haben unsere Vereine informiert», erklärt Beda Grütter, der Präsident der Kantonalschützengesellschaft Baselland. «Die Lage ändert sich ja von Tag zu Tag – Corona ist wie ein ‹moving target›, ein bewegliches Ziel.»
Tennis mit Schläger und Handschuh
Schon seit jeher wenig Verständnis für die Einschränkungen haben viele Tennisspieler. Sie haben bei der Ausübung ihres Hobbys kaum Mühe, die vorgeschriebenen 2 Meter Abstand einzuhalten – eher sind es 10 und mehr Meter. Die Gruppengrösse von maximal fünf Personen wird automatisch eingehalten. Für den Tennissport bedeuten die Lockerungen vom kommenden Montag wohl auch die grösste Veränderung: Stehen Tennisspieler kommende Woche auf dem Platz, können sie ihrem Hobby fast ohne Einschränkungen frönen. «Wir hätten ja eigentlich immer spielen können», findet René Knus, der Präsident des Tennisclubs Sissach, «nun dürfen wir es auch.»
Das Schutzkonzept von Swiss Tennis empfiehlt, nur Einzel zu spielen, da der Mindestabstand beim Doppel nicht permanent gewährleistet werden könne. Verboten sind Partien zu viert aber nicht.Vorgeschrieben ist, dass die Spieler ihre eigenen Bälle mitbringen, empfohlen gar, dass pro Aufschlagspiel verschiedene Ballsets verwendet werden: Nur beim Aufschlag muss ein Spieler den Ball anfassen. Bei einem Set pro Aufschläger könnte so dafür gesorgt werden, dass ein Spieler nur seine eigenen Bälle anfasst. «Fremde Bälle können mit dem Fuss oder dem Schläger zum Mitspieler gespielt werden», so das Schutzkonzept.
Abseits des Platzes kommt es wie überall zu Veränderungen. Garderoben und Restaurants bleiben geschlossen, auch bei An- und Abreise darf es keine Menschenansammlungen geben und die Platzreservation mit Name sowie Kontaktangabe ist Pflicht, damit eine allfällige Infektionskette nachvollzogen werden könnte. «Wir haben seit Jahren ein elektronisches Buchungssystem», fügt René Knus vom TC Sissach hinzu. Neu ist, dass keine Gäste auf den klubeigenen Plätzen zugelassen sind. Auch in Gelterkinden spielen lediglich Klubmitglieder. Die Anspielzeiten pro Feld werden versetzt angeboten, damit es bei An- und Abreise zu keinen Ansammlungen kommt.
«Das Konzept bedeutet viel Arbeit, aber wir sind froh, dass wir überhaupt aufmachen können», sagt Nadjib Hamid, der Betreiber des Tennis-Centers in Sissach, und betont: «Wir wollen alles versuchen, damit Gäste bei uns Tennis spielen können.» Um sicherzugehen, empfiehlt das Schutzkonzept des Centers, an der Nichtschlaghand einen Handschuh anzuziehen, um einer «allfälligen Unachtsamkeit» entgegenzuwirken und das Übertragungsrisiko zu minimieren.