«Herz und Seele für die Gemeinde»
07.01.2020 Bezirk Sissach, Kultur, SissachAnita Crain möchte mit «Sissach Live» in der Oberen Fabrik Begegnungen ermöglichen
Seit dem 1. Januar ist der neu gegründete Verein «Sissach Live» dafür besorgt, dass in der Oberen Fabrik weiterhin kulturelle Anlässe stattfinden. Die Sissacherin Anita Crain ist Präsidentin des ...
Anita Crain möchte mit «Sissach Live» in der Oberen Fabrik Begegnungen ermöglichen
Seit dem 1. Januar ist der neu gegründete Verein «Sissach Live» dafür besorgt, dass in der Oberen Fabrik weiterhin kulturelle Anlässe stattfinden. Die Sissacherin Anita Crain ist Präsidentin des Vereins, der das bisherige Angebot weiterführen und sogar erweitern möchte.
Jürg Gohl
«Moritz Leuenberger, Endo Anaconda, Stephanie Berger und Ira May waren schon hier, um nur wenige Namen zu nennen.» So steht es im druckfrischen Flyer von «Sissach Live». Der Verein dieses Namens wurde im vergangenen Sommer gegründet, nachdem sich Martin Zihlmann, der Besitzer und Betreiber der Oberen Fabrik, aus zeitlichen Gründen nicht mehr in der Lage gesehen hatte, das kulturelle Angebot in seinem Haus im bisherigen Mass fortzusetzen. «Sissach Live» hat am 1. Januar diese Aufgabe übernommen. Die Sissacherin Anita Crain hat mit ihrem Ehemann Werner Biedert die Gründung des Vereins vorangetrieben und ist zugleich die erste Präsidentin. Noch vor der offiziellen Übernahme hat der Verein als Gesellenstück den zurückliegenden Weihnachtsmarkt in der Oberen Fabrik erstmals organisiert.
Anita Crain, sind Sie und «Sissach Live» startklar?
Anita Crain: Wir leisteten einen riesigen Effort, um bereits vor unserem offiziellen Antritt den Weihnachtsmarkt auf die Beine zu stellen und uns dort den Gästen auch zu präsentieren. Wir konnten an unserem Stand eine Broschüre über uns und unsere Ziele sowie das Programm für das erste Halbjahr 2020 verteilen. Nur mit unserer Website klappte es nicht auf diesen Termin. Unterdessen ist auch dieses Problem gelöst.
Der Weihnachtsmarkt vom 13. und 14. Dezember in der Oberen Fabrik war nicht nur der erste Anlass, den Ihr Verein organisierte, sondern Sie waren dort selber mit einem Stand vertreten. Wie fielen die Reaktionen aus?
Viele Leute wussten bereits Bescheid, andere waren sehr erstaunt, weil ihnen nicht bekannt war, dass sich Martin Zihlmann als Veranstalter, nicht aber als Gastgeber zurückziehen wird. Aber die Reaktionen waren durchwegs positiv, alle finden es wichtig, dass das kulturelle Angebot aufrechterhalten wird.
Sie sind auf der Suche nach Mitgliedern und Helfern. Konnten Sie am Weihnachtsmarkt auch in dieser Hinsicht profitieren?
Wir konnten doch einige neue Mitglieder gewinnen. Inzwischen sind es gut 50. Viele davon sind Aktivmitglieder, die uns an den Anlässen tatkräftig unterstützen werden. Da sind wir bereits gut bestückt und hoffen nun, dass noch ein paar Gönner hinzustossen. Denn die Druckerzeugnisse und Gagen können wir nicht mit Helfen abbezahlen. Finanzielle Unterstützung bei Firmen und Organisationen zu beschaffen bildet daher den Schwerpunkt unseres nächsten Halbjahres. Um das anzupacken, mussten wir zuerst das Programm organisieren und die Website erstellen. Ohne etwas Konkretes vorzuweisen, ist das ein schwieriges Unterfangen.
Bereitet Ihnen das keine Sorgen?
Es gab schon die eine oder andere schlaflose Nacht. Die Reihe «Sissach Live» wurde bisher aus dem Baselbieter Swisslos-Fonds unterstützt, und wir haben diese Einrichtung keck auf unserem Flyer erwähnt. Zwar sagen Kenner, dass wir mit dieser Unterstützung rechnen dürfen, Tatsache ist aber, dass das Gesuch noch hängig ist. Wenn diese Hürde genommen ist, fällt mir ein grosser Stein vom Herzen. Derzeit sind wir finanziell aber noch bei Weitem nicht im grünen Bereich. Ich hoffe aber sehr, dass uns die Gemeinde künftig, nach der Erstellung des Kulturleitbilds, auch unterstützt, zumal jetzt ein gemeinnütziger Verein hinter den Veranstaltungen steht.
Mit dem Weihnachtsmarkt wurde der Verein erstmals operativ tätig. Ist die Premiere geglückt?
Nachdem wir im vergangenen Halbjahr mit allen möglichen Vorbereitungsarbeiten beschäftigt waren, konnten wir den Weihnachtsmarkt nur dank der engen Zusammenarbeit mit Martin Zihlmann und seinem Team auf die Beine stellen. Wir werden noch eine Weile auf seine Erfahrungen und Beziehungen angewiesen sein. Die Übergabe vollzieht sich fliessend. Das klappt ausgezeichnet, und er unterstützt uns, wenn immer es nötig ist. Uns sind schon ein paar Punkte aufgefallen, die wir im Hinblick auf den nächsten Weihnachtsmarkt diskutieren wollen.
Will Ihr Verein das kulturelle Angebot im bisherigen Rahmen weiterführen oder stossen Sie in neue Gebiete vor?
Beides. Der Betrieb soll weitergeführt werden, und die Anzahl der Anlässe soll sich nicht gross verändern. Bewährtes wie die «Klanglichter» oder das «Nachtcafé» sowie Konzerte gibt es weiterhin. Aber wir wollen auch Neues wagen.
Zum Beispiel?
Die Obere Fabrik soll ein Ort bleiben, an dem man sich trifft, sich entspannen und Kultur geniessen kann. Neu kommt aber ein interaktiver Teil hinzu, an dem sich die Besucher beteiligen und dann mit neuen Ideen heimkehren. Am 31. Januar veranstalten wir einen grossen Spielabend für Gross und Klein, der bereits um 16 Uhr beginnt. Am 7. Februar folgt «Gemeinsam». Dabei geht es letztlich um ein Forum und um Wege, die Nachbarschaft zu beleben. Die Obere Fabrik soll ein Ort der Begegnung und der Beziehungen sein. Im Mai gibt es eine Tanzparty inklusive eines Crash-Kurses mit Tanzcoach Valery Reuser. Das Programm für das erste halbe Jahr mussten wir unter enormem Zeitdruck auf die Beine stellen. Für das zweite Halbjahr steht bereits vieles. Das verschafft uns Luft, um über Strategisches und Inhaltliches nachzudenken.
Kultur heisst für Sie also nicht nur Konzerte.
Nein. Wir definieren Kultur sehr breit. Kritiker werfen uns vor, einen Gemischtwarenladen zu betreiben. Wir aber sind überzeugt, dass ein Spartenhaus, zum Beispiel ein Jazzkeller in Sissach, kaum funktionieren kann. Mit einem Spartenhaus würden wir zu viele ausschliessen.
Wie steht es um Ihren persönlichen Geschmack, welche Kunstrichtung würden Sie bevorzugen?
Das ist zweitrangig. Das Programm muss sich nicht nach meinem Geschmack, sondern nach dem des Publikums richten. Mir gefällt die Breite, die wir bieten. Was ich sehr mag, ist Comedy ohne Klamauk, dafür mit viel Wortwitz. Zwei, drei gute Comedy-Vorstellungen pro Jahr fände ich grossartig. Andrea Saladin, die für das Programm verantwortlich ist, und ich fahren im Frühjahr an die Künstlerbörse nach Thun und lassen uns dort inspirieren. Zudem wünschen wir, dass uns das Publikum seine Anregungen mitteilt.
Sie nehmen viel Arbeit und Last auf sich. Was hat Sie dazu bewogen, sich als Präsidentin zur Verfügung zu stellen?
Alle im Vorstand haben sehr viel Arbeit übernommen – und das alles ehrenamtlich. Wir bezahlen sogar alle den ordentlichen Vereinsbeitrag. Kultur halte ich für sehr wichtig, Kultur sowohl zum Entspannen und Konsumieren als auch die Kultur, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen. Ich schätze es sehr, dass Sissach über diesen idealen Ort verfügt. Zwischendurch mache ich mir Sorgen, dass im Zeitalter der Digitalisierung die zwischenmenschlichen Beziehungen auf der Strecke bleiben. Deshalb wollen wir Begegnungen ermöglichen. Der Raum soll sich zu einer Art Herz und Seele der Gemeinde entwickeln. Als ich 2006 aus der Stadt nach Sissach zog, beeindruckte mich das Leben hier. So wie ich Sissach erlebe, ist es alles andere als eine Schlafgemeinde, und ich möchte alles dazu beitragen, dass dies so bleibt. Es geht hier letztlich um Lebensqualität. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, dass ich zwar Vereinspräsidentin bin, mein Ehemann aber ebenso intensiv mitarbeitet und wir gemeinsam entschieden haben, das Projekt anzupacken.
Die Gemeinde Gelterkinden hat das Marabu, den ähnlich gelagerten Kulturraum, übernommen. Fürchten Sie die Konkurrenz oder wollen Sie sich inhaltlich abgrenzen?
Es ist doch schön, dass wir im Oberbaselbiet über zwei Einrichtungen dieser Güte verfügen. Mit dem Guggenheim und der Kulturscheune in Liestal sind es sogar vier. Die Sparten unter sich aufzuteilen, halte ich, wie bereits gesagt, für wenig sinnvoll. Wichtig ist aber, dass wir uns gut absprechen, um zu verhindern, dass in kurzer Zeit jemand zweimal im Oberbaselbiet auftritt. Wir wollen uns schliesslich nicht auch noch gegenseitig das Leben schwer machen.
Zur Person
jg. Anita Crain wohnt seit 2006 in Sissach und ist mit Werner Biedert verheiratet. Sie arbeitete als Mitglied der Volksschule des Kantons Basel-Stadt. Als ihr Ehemann aus gesundheitlichen Gründen kürzertreten musste, übernahm sie von ihm die Geschäftsleitung des mittlerweile verkauften Unternehmens Permatrend in Gelterkinden. Um die Veranstaltungsreihe «Sissach Live» zu retten, riefen sie und Gleichgesinnte den gleichnamigen Verein ins Leben. Er wurde am 27. Juni 2019 gegründet, und die Mitglieder wählten Anita Crain zu ihrer ersten Präsidentin. www.sissachlive.ch