Der Sturm Lothar wirkt heute noch nach
24.12.2019 Baselbiet, RothenfluhDer Revierförster blättert im Geschichtsbuch
Vor 20 Jahren ist der Orkan Lothar über die Schweiz gefegt und hat eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. In forstlichen Kreisen und auf dem Land ist das Ereignis nach wie vor präsent.
Otto Graf
Übermorgen, ...
Der Revierförster blättert im Geschichtsbuch
Vor 20 Jahren ist der Orkan Lothar über die Schweiz gefegt und hat eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. In forstlichen Kreisen und auf dem Land ist das Ereignis nach wie vor präsent.
Otto Graf
Übermorgen, am Stephanstag, werden 20 Jahre vergangen sein, seit der Sturm Lothar vor allem in Frankreich, in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich grosse Schäden anrichtete und zahlreiche Opfer forderte. Allein in der Schweiz knickten die Orkanböen etwa 10 Millionen Stämme mit einem Volumen von schätzungsweise 12 Millionen Kubikmetern Holz und legten dabei ganze Waldgebiete flach.
Im Baselbiet fielen, wie Revierförster Markus Lüdin aufzeigte, in den waldreichen Gemeinden Brislach und Rothenfluh zusammengerechnet etwa 30 000 Kubikmeter Windfallholz an. In Rothenfluh gingen allein im 436 Hektaren umfassenden Bestand der Bürgergemeinde rund 14 500 Kubikmeter zu Boden, was bei einem jährlichen Hiebsatz von 2500 Kubikmetern dem 5,8-Fachen einer ordentlichen Jahresnutzung entspricht. In Oltingen fällte «Lothar» sogar die siebenfache Jahresnutzung.
Besonders stark betroffen waren Waldflächen im weiteren Bereich der Kantonsstrasse von Rothenfluh nach Wittnau, nämlich die «Wellhalde» sowie die Bestände auf dem Plateau «Ebnet» und «Bifang». Während in der «Wellhalde» die Stämme in der Falllinie kippten, bot sich auf der Ebene ein ganz anderes Bild.
Die mächtigen Tannen und Fichten des damaligen Altholzbestands lagen kreuz und quer und in meterhohen Lagen auf dem Boden. Der Orkan, der in diesen Gebieten, wie Lüdin erklärt, als eine Art Wirbelsturm wütete, leistete ganze Arbeit. Auf einer zusammenhängenden Fläche von etwa 10 Hektaren beidseits der Kantonsgrenze zum Kanton Aargau vermochten nur wenige Stämme am Waldrand dem Winddruck zu widerstehen. Was dahinter stand, kippte wie Dominosteine.
Feuerwehr suchte nach Verletzten
Die Kantonsstrasse war ab Waldeingang im Ödental bis zum Plateaurand dank des Einsatzes der Feuerwehr relativ schnell wieder passierbar. Dort lagen nur wenige kleinere Stämme. Dahinter blockierten die Bäume die Strasse jedoch total. Da es ungewiss war, ob Strassenbenützer betroffen waren, musste die Feuerwehr den betreffenden Abschnitt auf einer Länge von rund einem Kilometer absuchen, was gegen vier Stunden dauerte. Zum Glück war niemand unterwegs, als die Stämme auf die Strasse krachten.
Markus Lüdin war damals schon Revierförster in Anwil, Hemmiken, Oltingen und Rothenfluh. Die Gemeinden Ormalingen und Wenslingen kamen erst im Oktober 2000 dazu. Er erinnert sich noch genau an den Stephanstag 1999. Die «Volksstimme» wollte von ihm wissen, was nach dem Sturm ablief.
Gefahren im Forst
og. Wie die Suva in einer Medienmitteilung schreibt, verunfallten bei den Aufräumarbeiten nach «Lothar» im Jahr 2000 17 Personen tödlich, 14 davon in Privatwaldungen. Im Folgejahr ereigneten sich 19 Unfälle mit Todesfolge. 2002 und 2003 gab es zusammen noch einmal 17 Todesopfer bei der Holzernte. Der Bund reagierte und setzte eine Arbeitsgruppe ein, in der auch die Suva vertreten war. Ziel war es, mit Präventionsmassnahmen und Weiterbildungskursen auf die Risiken beim Holzen zu sensibilisieren. Geworfene, entwurzelte, abgebrochene, geknickte und hängen gebliebene Bäume und Baumteile, warnt die Suva, seien gefährlich. Deshalb sei das Aufräumen solcher Flächen den Profis zu überlassen, die entsprechend ausgebildet sind und auch über die geeigneten technischen Mittel verfügen. In der Folge ging die Zahl der schweren Unfälle im Forst zurück. Dennoch verunglückten in den vergangenen zehn Jahren 40 Personen tödlich.
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