«Ihre Strafe ist milde ausgefallen»
31.10.2019 Baselbiet, Justiz, Eptingen, Gemeinden, Gesellschaft, Bezirk WaldenburgDas Kantonsgericht bestätigt das Urteil gegen Eptinger Bauern
Ein Eptinger Bauernpaar schickte seine Tochter neun Monate lang nicht zur Schule und wurde im Frühjahr dafür verurteilt. Das Kantonsgericht bestätigt nun den Schuldspruch. Die Richter bezweifelten, dass es den ...
Das Kantonsgericht bestätigt das Urteil gegen Eptinger Bauern
Ein Eptinger Bauernpaar schickte seine Tochter neun Monate lang nicht zur Schule und wurde im Frühjahr dafür verurteilt. Das Kantonsgericht bestätigt nun den Schuldspruch. Die Richter bezweifelten, dass es den Verurteilten lediglich um den «unzumutbaren» Schulweg ging.
Sebastian Schanzer
Einen Schulbus und eine Haltestelle im Bölchengebiet: Das ist es, was sich der mittlerweile in den Ruhestand getretene Bauer von einem Aussenhof in Eptingen eigentlich wünscht. Dafür kämpft er sich zusammen mit seiner Frau und einigen Nachbarn seit Jahren unerbittlich durch alle Rechtsinstanzen. Spätestens wenn sein Enkelkind in rund drei Jahren in den Kindergarten kommt, soll kein Kind mehr zu Fuss oder mit dem Velo über die Bölchenstrasse zur Schule gehen müssen – jene Kantonsstrasse, auf der im März ein 13-jähriges Nachbarsmädchen mit dem Velo frontal gegen ein bergwärts fahrendes Auto knallte und sich dabei schwere Verletzungen zuzog.
Auf seiner Mission erhielt das Bauernpaar am Dienstag vor Kantonsgericht einen Dämpfer. Die Dreierkammer der Abteilung Strafrecht stützte ein Urteil des Strafgerichts vom Frühjahr vollumfänglich, wonach sich die beiden zwischen August 2017 und Mai 2018 der verletzten Fürsorgepflicht schuldig gemacht haben. Anstatt ihre damals 13-jährige Tochter, wie vom Amt für Volksschulen (AVS) verfügt, nach Sissach in die Sekundarschule zu schicken, bestanden die Eltern auf die Einschulung in Oberdorf wegen des unzumutbaren Schulwegs von ihrem Hof nach Sissach. Als dieser Wunsch aber von den Behörden verweigert und der Vater im Oberdörfer Schulhaus gar mit einem Hausverbot belegt wurde, behielt er die Tochter einfach zu Hause – neun Monate lang (die «Volksstimme» berichtete).
Angesichts dieses Verschuldens sei die bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 60 Franken sogar sehr milde ausgefallen, bemerkte der Gerichtspräsident Dieter Eglin am Dienstag in seiner mündlichen Urteilsbegründung. Hinzu kommen nun 4600 Franken Gebühr für die Berufungsverhandlung. «Sie haben Ihre Tochter für eine sehr lange Zeit bewusst von der Schule ferngehalten und damit ihre körperliche und seelische Entwicklung sowie ihre Ausbildung und Förderung gefährdet», resümierte der Richter.
Er wollte dem Ehepaar auch nicht glauben, dass es ihm beim Widerstand gegen die Einschulung in Sissach lediglich um die Sicherheit des Kindes beziehungsweise um den angeblich unzumutbaren Schulweg ging.
In der ausführlichen Anhörung machte das Ehepaar denn auch Zugeständnisse: Eine persönliche Fehde mit dem Leiter des Amts für Volksschulen, schlechte Erfahrungen eines älteren Kinds mit der Sek Sissach und der Wunsch der Tochter, ihren Freunden und Freundinnen aus der Primarschule Bennwil nach Oberdorf zu folgen, seien weitere Beweggründe der Eltern gewesen. Gründe, welche die beiden im Frühjahr vor dem Strafgericht teils nicht hinreichend offengelegt hätten, so der Gerichtspräsident.
«Nun ist sie Klassenbeste»
Mittlerweile geht das Mädchen in Oberdorf zur Sek, Mittagessen gibt es bei einer Pflegefamilie. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) hatte dies nach einer Gefährdungsmeldung durch die Schulbehörden möglich gemacht. «In Oberdorf ist sie Klassenbeste, dadurch hat sie viel Selbstvertrauen geschöpft», sagte der Vater.
Den täglichen Schulweg legt sie in der Regel mit einem E-Bike zurück. Er führt auf Schotterstrassen über den «Reie» und ist bei Dunkelheit nicht beleuchtet. «Dieser Weg bietet einem Fahrzeug keinen sicheren Halt, wenn es regnet oder schneit. Warum soll er sicherer sein als jener über die Bölchenstrasse?», fragte Eglin, der in Bennwil wohnt und auf besagter Strecke hin und wieder als Jogger anzutreffen ist. «Er ist auch nicht sicher, aber er ist zumutbarer», entgegnete der Bauer und verwies zum wiederholten Mal auf ein Bundesgerichtsurteil von 2016, das den Schulweg vom Hof über die Bölchenstrasse mit anschliessender Busfahrt als unzumutbar bezeichnete.
Kompromiss ausgeschlagen
Der Beschuldigte machte immer wieder deutlich, dass er sich sowohl von den Rechtsinstanzen als auch von den beteiligten Behörden nicht ernstgenommen fühlt: «Niemand hat sich die Mühe gemacht, die Situation vor Ort anzuschauen und niemand hat meine Tochter gefragt, was sie will», kritisierte der Angeklagte. «Nicht wir, sondern der Kanton hat meiner Tochter ein Jahr gestohlen.»
Allerdings: Wie sich zeigte, hat sich die vom Bauern gescholtene Schulbehörde durchaus um Kompromisse bemüht – noch bevor die Kesb einschritt. Ein Angebot, wonach die Tochter in Oberdorf zur Schule hätte gehen können, schlug das Ehepaar aus, weil es sich dann dazu verpflichtet sah, das Kind täglich bis zur nächstgelegenen Bushaltestelle zu bringen – bei einer Entschädigung von 70 Rappen pro Kilometer. «Dieses Geld nehmen wir nicht an. Wir müssen unser Kind nicht in die Schule bringen. Das ist Sache von Gemeinden und Kanton.» Auf die Frage, warum es denn möglich gewesen sei, das Kind jeden Tag nach Bennwil in die Primarschule zu fahren, antwortete der Landwirt: «Weil wir es damals freiwillig taten.»