Alles kein Drama! Oder vielleicht doch?
10.09.2019 Kultur, SissachWortwitz und Lust am Spiel in der ARA Ergolz 1
Was geschieht, wenn Probleme nicht von selbst verschwinden? Dann kann es manchmal lustig werden, wie das Theaterstück «Augias oder Herakles auf der Kläranlage» zeigte.
Martin Stohler
Das Dilemma ist bekannt: Wer ...
Wortwitz und Lust am Spiel in der ARA Ergolz 1
Was geschieht, wenn Probleme nicht von selbst verschwinden? Dann kann es manchmal lustig werden, wie das Theaterstück «Augias oder Herakles auf der Kläranlage» zeigte.
Martin Stohler
Das Dilemma ist bekannt: Wer Fleisch produziert, produziert zwangsläufig auch Mist. Das Problem hält sich solange in Grenzen, wie die Produktion nicht ins Grenzenlose steigt. Tut sie das aber, dann entsteht «Handlungsbedarf». Dass dies der Fall ist, darüber sind sich der Leiter der ARA und der Fleischfabrikenbesitzer zu Beginn des Theaterstücks «Augias oder Herakles auf der Kläranlage» zwar einig. Nicht einig sind sich die beiden, worin der «Handlungsbedarf» besteht.
Der Fleischfabrikant möchte den ganzen Mist am liebsten ins Abwasser leiten, der ARA-Chef warnt vor einer Überlastung der Anlage und erhebt Einspruch. Der Fabrikant stellt sich taub und beginnt mit der Einleitung. Gleichzeitig präsentiert er eine Kommunikationsstrategie zur Bearbeitung der Öffentlichkeit. Er holt den Superhelden Herakles aus der Versenkung, der ja seinerzeit das Mist-Problem der Antike gelöst hat, indem er einen Fluss durch den Stall des Augias leitete. Der ARA-Chef ist entsetzt. Ein solches Problem muss man doch wissenschaftlich angehen, nicht mit rohen Naturgewalten.
Der Fleischfabrikant hat nichts dagegen, wenn Herakles wissenschaftlich etwas aufdatiert wird, und so findet sich unser Superheld am Scheideweg, an dem er sich für den schwierigen, mit Anstrengungen verbundenen Weg der Wissenschaft oder den lustvollen Weg Kommunikation und Unterhaltung zu entscheiden hat. Die Wahl fällt Herakles nicht schwer.
Kommunizieren, weitermachen
Als Kommunikator haut Herakles dann etwas arg auf die Pauke. Er hält nichts davon, weiter wissenschaftlich nach Lösungen zu suchen. Das kostet nur. Besser, sich auf das Wissen der Alten zu besinnen. Waren die ägyptischen Pyramiden nicht vielleicht riesige Faultürme? Könnte ja sein, dass hier die Lösung liegt. Der ARA-Chef glaubt, nicht richtig zu hören. Ihm wird klar, dass von Herakles keine Lösung zu erwarten ist und der Fleischfabrikant das Mist-Problem nicht lösen, sondern lediglich auf eine andere Ebene verschieben will. Zynisch, wie er ist, stellt dies der Fabrikant unter vier Augen nicht in Abrede. Für die Massen lässt er derweil das Loblied der Santa Cloaca singen.
Das wiederum wird von Herakles nicht goutiert, dessen Ego dadurch zeitweise in eine Krise gerät. Nachdem er sich wieder aufgerappelt und zum Ergötzen seiner Anhänger in einem veganen Restaurant riesige Mengen von Fleisch verschlungen hat, soll er in einer Fernsehshow auftreten. Da setzt starker Regen ein. Eine riesige Wasserflut schiesst durch einen von Herakles zuvor angelegten Kanal und schwemmt den ganzen Mist davon. Problem gelöst? Problem verschoben.
Das Theaterstück von Tumasch Clalüna wurde von den Schauspielern Benjamin Mathis, Andreas Müller und Ralph Tristan Engelmann in Sissach mit grosser Lust am Theaterspielen auf die «Bühne» gebracht. Dabei verschob sich das Publikum in der ARA Ergolz 1 von einem Spielort zum nächsten. Dies kam auch dem manchmal etwas sprunghaften Verlauf des Stücks entgegen, in dem das Drama in einem bisweilen aberwitzigen Reigen von Szenen seinen Lauf nimmt.
Das Stück endet mit einem Knalleffekt als Tragödie, kommt aber über weite Strecken als satirische Komödie daher. So verlässt das Publikum erheitert und zugleich nachdenklich den Ort des Geschehens. Eine Lösung des Mist-Problems hat ihm der Abend nicht aufgezeigt, den Unterschied zwischen «ein Problem lösen» und «ein Problem auf eine andere Ebene verschieben» dagegen schon.