Noch liegen Steine im Skulpturenweg
13.08.2019 Baselbiet, Läufelfingen, KulturJürg Gohl
Drei Läufelfinger gehen gleich in doppeltem Sinn an die Grenze: Künstlerin Sabine Gysin, Architekt Hans-Jörg Rickenbacher und Möbelbauer Bernhard Strub wollen in der obersten Gemeinde des Homburgertals nächstes Jahr einen Skulpturenweg einrichten. ...
Jürg Gohl
Drei Läufelfinger gehen gleich in doppeltem Sinn an die Grenze: Künstlerin Sabine Gysin, Architekt Hans-Jörg Rickenbacher und Möbelbauer Bernhard Strub wollen in der obersten Gemeinde des Homburgertals nächstes Jahr einen Skulpturenweg einrichten. Rickenbacher, der mit seinen in Flammen gesetzten Holzinstallationen vor zwei Jahren im Gedenken an die Brandkatastrophe von 1857 beim Bau des Hauenstein-Tunnels sowie davor 2014 zur Kantonsfusion für Aufsehen gesorgt hatte, fasste die Idee dazu im vergangenen Jahr. «Grenzgänger» lautet der Titel der Freiluft-Ausstellung, die, um ihrem Namen gerecht zu werden, auch über die Kantonsgrenze hinaus auf Solothurner Hoheitsgebiet führen soll.
Ans Limit begeben sich die drei Veranstalter auch finanziell: Sie planen mit einem Budget in der Höhe von fast 200 000 Franken. Verschiedene Betriebe und Institutionen wurden bereits angeschrieben und um eine Unterstützung gebeten. Abgesehen von einer Bank hagelte es bisher nur Absagen, teilweise waren sie sogar mit abfälligen Äusserungen zum ehrgeizigen Projekt garniert. Doch die Organisatoren geben nicht auf. Sie sind überzeugt, im direkten Kontakt mit möglichen Geldgebern mehr Erfolg zu erzielen, zudem stehen viele Antworten gerade von Institutionen wegen der Sommerferien noch aus.
«Ich bin guter Hoffnung», sagt Sabine Gysin, «notfalls müssen wir unseren Skulpturenweg kleiner planen.» Als sie vor den Schulsommerferien das kantonale Schwingfest in Läufelfingen besuchte, war sie vom riesigen Inseratevolumen im Festführer überrascht. Das führte bei ihr zu zwei gegensätzlichen Erkenntnissen. Die positive: Betriebe sind offensichtlich zum Geben bereit. Die negative: Kunstprojekte geniessen bei Sponsoren und Gönnern deutlich weniger Sympathien als populäre Sportanlässe. «Es geht hier um Wertschätzung für unsere Arbeit», sagt die gelernte Steinbildhauerin, «wir Künstlerinnen und Künstler leisten etwas für die Öffentlichkeit. Kultur ist für die Gesellschaft von elementarer Bedeutung.»
Notfalls abgespeckte Version
Respekt ist auch das Schlüsselwort, um die Höhe des angestrebten Budgets zu rechtfertigen: 120 000 der total 196 000 Franken sind alleine für Künstler-Honorare vorgesehen. Denn jeder Aussteller soll mit einem vierstelligen Beitrag entschädigt werden. Sabine Gysin, die in Sissach wohnt, aber in Läufelfingen aufgewachsen ist und dort ihr Atelier führt, weiss selber am besten, welche Unkosten bei Ausstellungen auf sie und ihre Berufskollegen zukommen: Material für die Skulptur, Transport- und Montagekosten und Lohn für Mithelfende. Aktuell ist sie als Künstlerin mit der «Tafelrunde» Teil der Freiluft-Skulpturenausstellung «Visionen 19» in Liestal und Füllinsdorf auf dem Tunneldach der Schnellstrasse. Die genaue Summe ihrer Unkosten möchte sie nicht nennen, sagt aber, dass ihr die Teilnahme ohne die Zuwendung des Veranstalters aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen wäre.
Zeitlich soll die Ausstellung in Läufelfingen im kommenden Mai gleich an die bereits genannte «Visionen»-Ausstellung anknüpfen und ebenfalls ein Jahr, exakt vom 23. Mai 2020 bis zum 23. Mai 2021, dauern. Damit sie auch zwischen Vernissage und Finissage gut besucht wird, plant das Organisationstrio in Läufelfingen verschiedene kulturelle Anlässe, etwa mit Lesungen, Ausstellungen und Konzerten. Anfangs- und Endpunkt des Weges bildet der Bahnhof mit dem Vorteil, dass sich die Skulpturenwanderung den Kulturinteressierten dank des «Läufelfingerli» als idealer Tages- oder Halbtagesausflug anbietet.
Bei der Zielgruppe legt Sabine Gysin sogleich ihr Veto ein. Gerade die einfache Anfahrt soll dazu beitragen, dass auch Leute, die sich bisher kaum mit Kunst befasst haben, «einfach mal kommen und staunen» sollen. Da sie auch beim Industriemuseum «Silo 12» in Läufelfingen mitarbeitet, kann sie immer wieder feststellen, dass viele Personen Berührungsängste zu allem Kulturellen haben. «Völlig unnötig. Auch ich stehe oft vor Werken und frage mich, was das nun soll», sagt sie selbstironisch. «Unser Ziel ist es auch hier, Hemmungen und damit Grenzen zu überwinden.»
Auch auf Solothurner Boden
Da die Organisatoren mit ihrer Ausstellung, wie sie schreiben, diese «Grenzen sprengen» wollen, führt der Weg bewusst auch auf solothurnisches Hoheitsgebiet, genauer zum Motel auf dem Hauenstein-Pass. Weil dieses Gebäude bald einem Neubau weichen muss, ist sogar denkbar, den Abriss mit Aktionskunst einzuläuten. Man stehe mit dem Besitzer bereits in Kontakt.
Mit dem Titel «Grenzgänger» sollen sich die Künstler einerseits mit politischen Grenzen und Mauern, aber auch mit den Grenzen in den Köpfen der Menschen auseinandersetzen. Die Ausstellung soll «Akzente für mehr Freiheit und Offenheit» setzen, ist in einem Projektbeschrieb nachzulesen. Auf dieses Thema ist Sabine Gysin sowohl wegen weltpolitischer Entwicklungen als auch aufgrund der Lage ihrer Wohngemeinde an der Kantonsgrenze und am Ende des Homburgertals gestossen. Sie nehme Läufelfingen bisweilen als «stur» wahr. Zwischenzeitlich hat sie auf solothurnischem Boden in der Nachbargemeinde Wisen gewohnt. «Die Mentalitäten sind ganz verschieden», sagt sie, «man würde nie erahnen, dass es sich um Nachbardörfer handelt.»
Im Gegensatz zu den Sponsoren zeigen die Künstler ein beachtliches Interesse am Projekt. 70 Personen aus der ganzen Deutschschweiz wurden zum Mitmachen eingeladen, die Hälfte von ihnen nahm im Oberbaselbiet an einem Augenschein teil, drei zogen darauf ihr Interesse zurück. Die anderen Interessenten werden bis Ende dieses Monats der Jury ihren Projektbeschrieb einreichen.