Deschliken – das verschüttete Dorf
16.07.2019 Baselbiet, WintersingenMagden | Ein Freilichttheater über eine Siedlung an der Baselbieter Grenze
Nach urkundlichen Zeugnissen stand im Tal zwischen Wintersingen und Magden eine Gruppensiedlung namens Deschliken, die 1437 vermutlich von einem Erdrutsch verschüttet worden war. Der Verein Theater ...
Magden | Ein Freilichttheater über eine Siedlung an der Baselbieter Grenze
Nach urkundlichen Zeugnissen stand im Tal zwischen Wintersingen und Magden eine Gruppensiedlung namens Deschliken, die 1437 vermutlich von einem Erdrutsch verschüttet worden war. Der Verein Theater Magden bringt Roland Grafs historisches Freilichtspiel «Deschliken 1437 – Letzte Stunden eines Dorfes» nun im August auf die Bühne.
Clara Rohr-Willers
«Ich liebe Historie, denn Geschichte erzählt Geschichten. Meine Aufgabe ist es, eine vergangene Zeit aufleben zu lassen», beschreibt der Autor des Stücks, Roland Graf, seine Motivation.
Das erste Freilichtspiel des Vereins Theater Magden mit dem Titel «Deschliken 1437 – Letzte Stunden eines Dorfes» basiert auf jahrelangen Recherchen und viel Schreibarbeit. «Bis zur Premiere werde ich weit mehr als 500 Stunden investiert haben», sagt Roland Graf, der im Stück neben der Regiearbeit auch als Schauspieler auftritt.
«Als ich das erste Mal die Sage von Deschliken hörte, sah ich das Potenzial dieser Geschichte», sagt Roland Graf. In der Sage heisst es: «Vor vielen Hundert Jahren stand in der Nähe des Talhofes ein Dörflein, genannt Däschlikon. Zu Zeiten der Not holzten die Bewohner einmal den ganzen Halmet ab und liessen nur eine grosse Eiche übrig. Im darauffolgenden Sommer hagelte und stürmte es wie noch nie. Eines Tages schwemmte ein starker Regenguss eine mächtige Erdschosse von der Höhe herunter. Diese bedeckte das ganze Dörflein. Alle Häuser und ein Grossteil der Bewohner versanken in Schutt und Wasser. Heute findet man keine Spur mehr von der Ansiedlung.» Nachzulesen ist die Sage «Däschlikon und die Gsägnet Eich» in Traugott Frickers und Albin Müllers 1987 erschienenem Buch «Sagen aus dem Fricktal».
«Das Fricktal war unter vorderösterreichischer Herrschaft eine mehr oder weniger in sich geschlossene Region. Kaum jemand schrieb die Geschichte der hiesigen Bevölkerung auf. Geschehnisse wurden mündlich weitergegeben und nahmen nach grösserem zeitlichem Abstand die Form von Sagen an, die erst im 19. Jahrhundert aufgeschrieben wurden», erklärt Werner Rothweiler, der sich seit der Verfassung des Buchs «Magden» zum 1200-Jahre-Jubiläum des Dorfs intensiv mit den hiesigen Sagen auseinandergesetzt hat.
«Im Gegensatz zu Märchen gründen Sagen auf Ereignissen, die weit in der Vergangenheit liegen. Durch die mündliche Weitergabe über Generationen werden verschiedene Begebenheiten miteinander vermischt. Dies ist auch bei der Däschliker Sage der Fall. Zwei unabhängige Ereignisse, die nichts miteinander zu tun hatten, sind darin enthalten: der Untergang der Siedlung Däschlikon / Deschlike im Tal anno 1437 durch einen Erdrutsch und das grosse Unwetter vom 6. August 1748 über dem Hügel Halmet, das den Tod von 83 Menschen gefordert hatte. Dazwischen liegen 311 Jahre oder 11 Generationen und nochmals sechs bis sieben Generationen bis zur schriftlichen Aufzeichnung der Sage.»
Eine packende Geschichte
Deschliken, von Traugott Fricker zu «Däschlikon» umgeformt, wurde erstmals 1198 in einer Urkunde der Grafen Rudolf und Albrecht von Habsburg bezeugt. «Nach urkundlichen Zeugnissen muss es sich um eine Gruppensiedlung mit einer umfangreichen Feldflur und einer eigenen Kapelle gehandelt haben. Über den Anfang und ihr Ende kann man nur mutmassen», schildert Roland Graf. «Die Gegend unterhalb des Halmets ist bis heute Rutschgebiet und die Siedlung ist sehr wahrscheinlich einem Erdrutsch zum Opfer gefallen. Im Jahr 1942 wurden bei Entwässerungsarbeiten Ziegelreste gefunden, die auf Bauten einer früheren Besiedlung hinweisen.»
Für das Schauspiel sei einiges Fakt und geschichtlich vorhanden, anderes Fiktion. Bei der Gestaltung der Geschichte habe man die freie Wahl des Autors. «Das Schöne am Theater ist es – im Gegensatz zum Historiker –, nicht der Wahrheit verpflichtet zu sein. Ich erzähle schlicht eine mögliche Geschichte.»
Angetan sei er insbesondere von Hans, dem Protagonisten der Geschichte. Autor Roland Graf: «Selber nicht frei von Schuld, kämpft er alleine gegen das Unrecht und stellt sich Fragen, die auch mich beschäftigen. Auf der anderen Seite steht Hermann, dem jedes Mittel recht ist zur Erreichung seines Ziels. Der Abt von Lützel, Conrad Holziker von Sissach, ist die einzig verbürgte Person, die tatsächlich gelebt hat. Im Wissen darum, dass damals der Holzpreis auf Höchststände kletterte und die Hexenverfolgungen ihren Anfang in Europa nahmen, habe ich eine packende Geschichte geschustert, die von Leidenschaft, Verrat, Gier, Wahnsinn und Intrigen erzählt.»
«Ein Stück Identität»
Aus logistischen Gründen kann das Stück nicht «am Tatort» im Tal zwischen Wintersingen und Magden aufgeführt werden, sondern auf dem Land vom Hutgrundhof der Familie Bürgi, hinter dem Magdener Schwimmbad gelegen. «Neben dem eigentlichen Schauspiel werden verschiedene Vereine und Gruppen ein Rahmenprogramm realisieren», schildert Elisabeth Emmenegger, die sich seit 20 Jahren als Schauspielerin, Regisseurin, Souffleuse und «Frau für alles» für das Theater Magden engagiert. Wie auf einem Mittelalter-Markt kann man sich ab 18 Uhr, während der Pause und nach der Aufführung verköstigen und musikalischen Beiträgen lauschen.
«Einerseits geht es um ein Stück Identität, andererseits ist Theater gut für alle Sinne und dies in jedem Alter. Wir wünschen uns durch das Freilichtspiel eine Belebung der hiesigen Kulturszene und hoffen, dass möglichst viele Fricktalerinnen und Fricktaler sowie Baselbieterinnen und Baselbieter unsere Aufführungen besuchen», heisst es aus dem OK.
Vorverkauf läuft
vs. Das Theater wird beim Hutgrundhof in Magden (hinter dem Schwimmbad) aufgeführt. Die Daten: 16., 17., 18., 21., 23., 24., 25., 28., 30. und 31. August. Die Aufführungen beginnen um 20 Uhr. Die gedeckte Zuschauertribüne bietet für rund 200 Personen Platz und es wird bei jeder Witterung – mit Ausnahme von Sturm oder starken Windböen – gespielt. Im Fall eines Unwetters würde der Donnerstag der jeweiligen Woche zum Ersatztermin. Eine Verlängerung über den 31. August findet nicht statt. Tickets gibt es online über www.theatermagden.ch und bei der Filiale der Aargauischen Kantonalbank (AKB) in Magden. Der telefonische Vorverkauf ist jeweils am Dienstag und Donnerstag von 17 bis 19 Uhr über die Telefonnummer 079 618 60 19 möglich. Die Tickets sind im Voraus zu bezahlen und werden nach Zahlungseingang verschickt respektive beim Bezug bei der AKB dort ausgehändigt.