«Whisky-Trinker sind Geniesser»
12.07.2019 Anwil, Gastronomie, Porträt, Bezirk SissachAnton A. Jäggi verlässt sich auf seine Nase und seine Zunge
Nachdem er den Beruf als Diätkoch aus gesundheitlichen Gründen an den Nagel hängen musste, widmet sich Anton A. Jäggi ganz dem Weitergeben seines enormen Wissens rund um den Whisky.
Peter ...
Anton A. Jäggi verlässt sich auf seine Nase und seine Zunge
Nachdem er den Beruf als Diätkoch aus gesundheitlichen Gründen an den Nagel hängen musste, widmet sich Anton A. Jäggi ganz dem Weitergeben seines enormen Wissens rund um den Whisky.
Peter Stauffer
Da sitzt ein Mann dem Schreiber gegenüber und erzählt, erzählt, erzählt. Er berichtet aus seinem «verrückten» Leben – wie er es nennt – und dies immer mit einem breiten, verschmitzten Lächeln im runden Gesicht. Extra aus Wetzikon, seinem momentanen Wohnort, ist er nach Anwil angereist, um dem Wunsch der «Volksstimme» nachzukommen, etwas über den Menschen Anton A. Jäggi zu erfahren. Dem Zuhörer wird es nicht langweilig und man begreift, wieso Jäggi seinen bisherigen Lebensweg als «verrückt» bezeichnet – «verrückt» im Sinne von aussergewöhnlich.
«Ich bin ein echter Schwarzbub», sagt er. Geboren und aufgewachsen ist er in Fehren und hat später in Breitenbach die Bezirksschule besucht. Vom Erlernen seines Wunschberufs, Feinmechaniker, wurde ihm aufgrund seiner Sehschwäche abgeraten. Mit dem Antritt einer Kochlehre im Hotel Krafft in Basel trat er quasi in die Fussstapfen seiner Vorfahren, denn schon sein Vater war Koch und seine Mutter und Grossmutter waren Köchinnen. Beim Erlernen und späteren Ausüben des Berufs kam ihm sein ausgeprägter Geruchs- und Geschmackssinn zugute.
Die Wanderjahre nach Abschluss der Lehre führten ihn an verschiedene Arbeitsstätten. Während seiner Arbeitszeit im damaligen Kantonsspital Basel bildete er sich weiter aus zum Diätkoch. Als Küchenchef in verschiedenen Diätrestaurants lernte er, dass Diätküche nicht heisst, genussfrei zu essen. Es war für ihn selbstverständlich, auch denjenigen Menschen, die auf spezielle Diät angewiesen waren, im kulinarischen Bereich Genuss zu verschaffen.
Eine besondere Freude war für ihn, dass er nach sechs Jahren Tätigkeit im Altersheim Gelterkinden eine Diätküche in der Heilstätte Barmelweid auf die Beine stellen konnte. Insgesamt acht Jahre arbeitete er in der Küche der Klinik am Südhang der Geissfluh. Es folgten weitere zehn Jahre in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden. Anton Jäggi ist es gewohnt, «Tacheles» zu reden, das heisst, seine Meinung klar zu sagen und Wünsche offen anzubringen. Das führte dazu, dass er in einem Arbeitszeugnis als «unbequemer Mitarbeiter» bezeichnet wurde, wie er mit einem Schmunzeln erzählt. Das sei ja eigentlich eine Auszeichnung.
Unter den unregelmässigen Arbeitszeiten und dem Stress litt seine Gesundheit. Das forderte seinen Tribut. Drei Herzinfarkte – den ersten erlitt er 2001 – und eine mehrstündige Herzoperation 2010 führten dazu, dass er heute seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Zum Glück hatte er sich nebenberuflich als Ernährungscoach ausgebildet. Auf der Suche nach Räumlichkeiten wurde er in Anwil fündig. Im September 2007 eröffnete er sein «Xsund Atelier» , in welchem er – neben individueller Ernährungsberatung – Seminare über und rund ums Essen anbot.
Er begann sozusagen ein zweites Leben. Als aber der Bund 2008 beschloss, dass zur Ausübung dieses Berufs ein Maturabschluss nachgewiesen werden muss, besass er wohl Räumlichkeiten, durfte aber nicht mehr praktizieren. Aufgrund seiner Leidenschaft für Schottland und für den Single Malt entschloss er sich, Whisky-Seminare anzubieten. Er hatte damit rasch Erfolg. Er bot sie an den verschiedensten Orten im Baselbiet an. Um sein Wissen zu vergrössern, absolvierte er 2009 die Whisky-Schule bei der Glenlivet-Distillerie. Unterdessen ist er ein gesuchter Whisky-Kenner, sozusagen ein «Whisky-Papst» geworden, wie ihn einmal ein Journalist bezeichnete.
«Frauen haben eine feinere Nase»
Diese Tätigkeiten ermöglichten ihm einen neuen Weg zu einem guten Leben, ohne dabei das Essen zu vernachlässigen, denn «Whisky und Essen schliessen sich nicht aus», ist er überzeugt. In seinen Seminaren wird denn nicht einfach «gesoffen», sondern fünf verschiedene Whiskys werden in Zehngrammportionen gekostet und genossen. «Whisky-Trinker sind Geniesser und erweisen dem Getränk im Hinblick auf seine lange Reifezeit Respekt.» Beim Degustieren werden Farbe und Konsistenz geprüft, dann kommen Nase, Gaumen und Abgang zum Zug. Interessant in diesem Zusammenhang ist seine Erfahrung, dass Frauen die feinere Nase und den feineren Gaumen hätten. Nicht von ungefähr seien die Chefs in den schottischen Destillerien häufig Chefinnen.
Vieles liesse sich noch aus dem gut zweistündigen Gespräch mit dem Whisky-Fachmann berichten: Von seinen verschiedenen Wohnorten, seinen Reisen nach Schottland und Afrika, von seiner Begeisterung für Landrover oder für die Jagd.
Anton Jäggi schreibt heute keine Seminare mehr aus, sondern bietet solche nur noch im privaten Rahmen auf Wunsch an. Behördliche Auflagen, schlechte Zahlungsmoral und ein Grossangebot an Seminaren führten ihn zu diesem Entschluss.