Eine Spezialistin an der Langhantel
19.11.2021 Sissach, SportLuana Güntert
«Krafttraining ist definitiv meine Stärke», sagt Rahel Eglin, wenn sie auf ihre Leidenschaft Crossfit angesprochen wird. «Am liebsten trainiere ich Gewichtheben mit der Langhantel, mein Ausdauertraining bleibt manchmal auf der Strecke.» Sie habe sich ...
Luana Güntert
«Krafttraining ist definitiv meine Stärke», sagt Rahel Eglin, wenn sie auf ihre Leidenschaft Crossfit angesprochen wird. «Am liebsten trainiere ich Gewichtheben mit der Langhantel, mein Ausdauertraining bleibt manchmal auf der Strecke.» Sie habe sich jedoch vorgenommen, ihre Kondition in Zukunft regelmässiger zu trainieren.
Momentan interessiert Eglin aber nur etwas: die Weltmeisterschaft im Functional Fitness Ende November. Functional Fitness ist dasselbe wie Crossfit. Es gilt, verschiedene Kraft-, Ausdauer- und Gymnastikübungen so oft wie möglich in einer bestimmten Zeit zu wiederholen. Da Functional Fitness aber einem anderen Sportverband als Crossfit angehört, ist es weniger verbreitet.
Mit der Bronzemedaille an der Functional-Fitness-Schweizermeisterschaft hat sich Eglin als letzte Schweizerin für die WM in Schweden qualifiziert. Für ihr Hobby trainiert die 26-Jährige hart. Mit ihrem Bruder und Kollegen hat sie sich eine Garage in Tenniken gemietet, die sie selber zu einem kleinen Fitnessstudio umgebaut haben. «Die Crossfit-Studios in der Umgebung sind toll, haben aber für uns ungünstige Angebote, da sie selten über ein Open Gym verfügen», sagt Eglin. Da sie neben dem Sport als Lehrerin arbeitet, kann sie so flexibler trainieren.
Zum Crossfit kam Eglin durch ihren Bruder, der sie vor viereinhalb Jahren zu einem Training mitnahm. Am Crossfit gefalle ihr die Vielfältigkeit. «Man muss sehr ausgewogene Stärken haben. Nur viel Kraft zu haben oder eine gute Läuferin zu sein, bringt einem nichts. Auch Gymnastik ist wichtig.» Das Gewichtheben gefällt ihr am besten, deshalb trainiert sie nicht nur in der Garage, sondern auch im Gewichtheberclub beider Basel in der Stadt Basel und nimmt an reinen Gewichtheben-Wettkämpfen teil.
Sportlich und vielfältig war Eglin schon immer. Als Kind und Jugendliche spielte sie Fussball und Unihockey, war im Geräteturnen aktiv, tanzte Hip-Hop und ging ins Fitness. Doch überall verlor sie früher oder später die Lust. «Crossfit hat mich wirklich noch nie gelangweilt. Ich freue mich jedes Mal aufs Training», sagt Eglin und kommt ins Schwärmen. Das Jahr 2021 war das bisher erfolgreichste für Eglin. Im Gewichtheben holte sie sich den Schweizer-Meister-Titel in ihrer Gewichtsklasse. In der Gesamtrangliste der Schweiz, die verschiedene Wettkämpfe berücksichtigt, wurde sie Neunte. «Dieses Jahr war einfach top, ich bin mega zufrieden», sagt Eglin. Mit der WM nächste Woche kann sie ihre gelungene Wettkampfsaison krönen.
Sportlich ist sie sehr ambitioniert, trotzdem sieht sie gelassen nach Schweden: «Ich muss realistisch bleiben. Auch wenn ich mega stolz auf meinen 3. Rang in der Schweiz bin, denke ich, dass ich mich an der WM im letzten Drittel klassieren werde.» Eine Platzierung, die über das letzte Drittel hinausginge, wäre eine super Leistung. Jedes teilnehmende Land stelle je drei Männer und Frauen. Sie freue sich auf die gemeinsame Zeit mit der Schweizer Equipe und die Wettkämpfe.
«Erholung nicht unterschätzen»
Trotz der realistischen Einschätzung ihrer Ziele trainiert Eglin momentan noch intensiver als sonst. Kommende Woche wird sie ihr Training leichter gestalten, dafür die einzelnen Übungen spezifischer trainieren.
«Nach der WM gönne ich mir drei Wochen Pause, um meinem Körper Erholung zu geben.» Für Regeneration sorgt Eglin aber immer. «Nach jedem Training dehne ich mich und löse Verklebungen meiner Faszien mit einer Blackroll.» Letzteres ist eine kleine Rolle aus Schaumstoff, die man über seinen Körper rollt. Die Erholung dürfe im Kraftsport nicht unterschätzt werden. Freizeit habe sie neben dem Sport nicht viel. «Unter der Woche mache ich neben Sport und Arbeit nicht viel anderes, versuche aber trotzdem, auch einfach mal nichts zu machen und zu chillen.» Am Wochenende habe sie mehr Zeit und treffe sich oft mit Freunden.
Trotz der Regenerationen während der Saison merkt Eglin, dass ihr Körper eine Pause braucht. «Man ist nicht mehr gleich bereit zu leiden. Anfang Saison ist diese Bereitschaft noch viel stärker vorhanden.» Man müsse durchbeissen in diesem Sport, auch wenn man nicht mehr könne. Das sei nicht nur körperlich anstrengend, sondern fordere auch einen starken Kopf. Nach der Pause will Eglin wieder voller Elan starten.
Isländische Vorbilder
Neben ihrem Beruf als Lehrerin hat Eglin Verträge mit Sportmarken. Auf ihrem Instagram-Kanal bewirbt sie Produkte und bekommt als Gegengeschäft kostenlos Kleider oder Sportriegel. «Die Verträge sind mega cool, mir gefallen auch die Artikel», betont Eglin. Trotzdem wünscht sie sich in Zukunft einen Athletenvertrag, bei dem zum Beispiel ihre Wettkampf-Kosten übernommen werden. «Die Wettkämpfe sind teuer, aber von Crossfit kann man normalerweise nicht leben.»
In Island ist das anders, dort gibt es viel mehr Crossfit-Athleten. «Viele Profis kommen aus Island, das liegt wohl an den guten Genen», sagt Eglin und lacht. So auch ihr Vorbild Katrin Davidsdottir, eine der besten Athletinnen weltweit. Eglin wünscht sich, dass Crossfit und Functional Fitness auch in der Schweiz zum Trend wird. «Es ist einfach so ein toller Sport, alle Athleten sind wie eine grosse Gemeinschaft.»
Functional-Fitness-WM
lug. Die Functional-Fitness-WM geht vom 26. bis 28. November im schwedischen Norrköping über die Bühne. Im Gegensatz zum reinen Gewichtheben gibt es beim Functional Fitness und Crossfit keine Gewichtsklassen. Unterschieden wird an der Weltmeisterschaft nur in Junioren, Erwachsene, Team oder Einzel und nach den beiden Geschlechtern.
An der diesjährigen WM gibt es sechs Tests, also sechs verschiedene Übungen, die man in einer bestimmten Zeit so oft wie möglich wiederholen muss. Wer am meisten Wiederholungen schafft, gewinnt die Runde. Am Schluss gewinnt, wer insgesamt am meisten Punkte geholt hat.
Die erste Übung ist «Ausdauer». Die Athleten müssen auf dem Laufband rennen und auf einem Gerät namens Skierg eine Bewegung machen, die klassischem Langlauf ähnelt.
Die zweite Übung ist «Kraft». Es muss einarmig eine Hantel nach oben umgesetzt und gestossen werden mit verschiedenen Gewichten.
«Körpergewicht» heisst der dritte Test. Dabei werden Burpees und Handstand-Liegestützen gemacht. Ausserdem «Toes to Rings», eine Übung, bei der man an den Ringen hängt und versucht, mit den Fussspitzen die Ringe zu berühren.
Bei der vierten Übung ist «Geschicklichkeit» gefragt. Handstand-Läufe, einbeinige Kniebeugen und am Seil klettern lauten die Disziplinen.
Die fünfte Übung heisst «gemischt». Dabei wird am Rudergerät gerudert, Bälle so oft wie möglich an die Wand geworfen und die Kraftübung «Stossen» gefordert.
Bei der letzten Übung «Stärke» wird stehend Velo gefahren und diverse Klimmzugarten werden ausgeführt.