HERZBLUT
07.09.2021 Gesellschaft50 Jahre am Ball
«Einverstanden», antwortet die Redaktion zu Sissach. Ich möchte über zwei Schwestern aus Sissach berichten, die in einem Jahr am «Eidgenössischen» in Pratteln zu speziellen Auftritten kommen werden. Fränzi, selber ...
50 Jahre am Ball
«Einverstanden», antwortet die Redaktion zu Sissach. Ich möchte über zwei Schwestern aus Sissach berichten, die in einem Jahr am «Eidgenössischen» in Pratteln zu speziellen Auftritten kommen werden. Fränzi, selber Schwingerin, als Ehrendame, Christine als Coiffeuse der Ehrendamen. Das Resultat ist am vergangenen Donnerstag auf Seite 10 nachzulesen.
Seit 17 Jahren arbeite ich für Lokalredaktionen. Lange wurde das Ressort intern belächelt, und an ausufernden Redaktionssitzungen erörterte Mann lieber Nahostkonflikte und ihre Auswirkung auf die Weltwirtschaft unter Berücksichtigung der knappen Erdnussexporte aus Lateinamerika, als Ereignisse vor der Haustür. In dieser Zeit bewahrte ich aber stets mein Interesse für Sport, über den ich zuvor ein Jahr mehr und ausschliesslich geschrieben habe. Zusammengerechnet bin ich damit also bereits 35 Jahre sportjournalistisch tätig.
Doch halt! Als Student verfasste ich Berichte über Karlis FC Birsfelden für den «Sport», der längst entschlafenen «Iswestija» des Schweizer Sports. Und das, fällt mir ein, ist nicht der Anfang. Als B-Junior des FC Allschwil berichtete ich über unsere Spiele fürs örtliche Wochenblatt. Zwar nicht lange: Die zu erwartende Explosion der Abo-Zahlen blieb aus, und dass die B-Junioren bald mehr Raum einnahmen als die erste Mannschaft, verstanden nicht ganz alle. Diesen Beiträgen verdanke ich aber, dass ich auf stolze 50 Jahre Sportjournalismus zurückblicken kann.
Noch heute erinnere ich mich, wie ich als schreibender Teenager erstmals mit journalistischer Ethik rang, als ich ganz Allschwil ein Goal schilderte, zu welchem Gohl das Zuspiel beigesteuert hatte. «Gekonntes Zuspiel» oder nur «Zuspiel»? Ich entschied mich für Ersteres. In den nächsten 50 Jahren liess ich mir weitere Fauxpas zuschulden kommen. Sich mit Eigennamen Wortspiele zu erlauben, ist unjournalistisch. Als aber der junge Schwinger Rolf Klarer ein «Kantonales» mit der Maximalnote gewann, kriegte ich die Schlagzeile «Klarer geht’s nimmer» nicht mehr aus meinem Kopf – noch aus der Zeitung.
Vom Spengler-Cup berichtend ging ich der Frage nach, weshalb der HC Davos nach seinem Turnier immer einbricht. «Wenn der Spengler ein Loch hinterlässt», lautete die Überschrift. Mailwendend gab es Titeltadel des Ressortleiters. Er werde einen besseren setzen. Gespannt schlug ich tags darauf die Zeitung auf und las: «Wenn der Spengler ein Loch hinterlässt.»
Einmal durfte ich drei Tage lang Jordanien inklusive Schütteln von Husseins Händen bereisen, weil das Land am CSIO in Zürich Gastland war. Da wir davor beschlossen hatten, mit der Vorschau zuzuwarten, beschränkte sich meine Ausbeute darauf, der reitenden Prinzessin Haya in der Königssuite bei Petra drei Fragen zu stellen, bewacht von bewaffneten Bodyguards.
Inzwischen berichte ich wie damals über lokalen Sport und stehe vor der Entscheidung, ob ich meine Erlebnisse auf 1000 Seiten Memoiren zusammenfassen oder doch lieber als Berichterstatter bei den Sissacher B-Junioren anheuern soll.
Jürg Gohl, Autor «Volksstimme»