Die Braut bringt auch Sorgenkinder mit
26.08.2021 Arisdorf, Hersberg, PolitikJürg Gohl
Arisdorf liebt die Extreme. Als letzte im Kanton legte sich die Gemeinde im Jahr 1945 ein eigenes Wappen zu. Den für solche Zwecke beliebten Bären entlieh man sich bei den einstigen Besitzern des Dorfs, den Herren von Bärenfels. Damit zierte sich ...
Jürg Gohl
Arisdorf liebt die Extreme. Als letzte im Kanton legte sich die Gemeinde im Jahr 1945 ein eigenes Wappen zu. Den für solche Zwecke beliebten Bären entlieh man sich bei den einstigen Besitzern des Dorfs, den Herren von Bärenfels. Damit zierte sich Arisdorf für fast 50 Jahre als einzige Gemeinde des Kantons mit diesem für solche Zwecke beliebten Tier. Im Jahr 1994 drang beim Kantonswechsel des Laufentals mit Duggingen der zweite Wappenbär ins Baselbiet vor.
Dafür kann zumindest die Bürgergemeinde damit prahlen, 1988 mit Myrtha Kuni die erste Bürgerrätin des ganzen Kantons ins Amt gewählt zu haben. Im ersten Wahlgang, ist in der Heimatkunde der Bürgergemeinde nachzulesen. Dieses Buch erschien 2009 gesondert neben der Heimatkunde der Einwohnergemeinde, weil ihr als historisches Relikt die Bürgergemeinde Basel-Olsberg angeschlossen ist.
Nun ist Arisdorf entschlossen, gemeinsam mit Nachbar Hersberg, das 354 Einwohnerinnen und Einwohner zählt, in die Geschichtsbücher einzugehen. Die Exekutive und die Einwohner beider Gemeinden sind willens, zu fusionieren oder zumindest ein Zusammengehen genau zu prüfen. Was in Kantonen wie Aargau oder Bern schon beinahe als ein Routineakt daherkommt, sorgt im Baselbiet für fette Schlagzeilen. Seit sich 1972 im Birsigtal Biel und Benken zu Biel-Benken verschmolzen hatten, wurde etwa in Frenkendorf und Füllinsdorf oder in den «Rükize»-Gemeinden Rünenberg, Kilchberg und Zeglingen das F-Wort immer mal in den Mund genommen, konkret wurde es nirgends.
Das soll sich jetzt ändern. So hofft es zumindest Markus Miescher, der Gemeindepräsident von Arisdorf. Und er weiss die Bevölkerung hinter sich. An die Einwohnergemeindeversammlung vom 16. September vergangenen Jahres lockte das Traktandum 3 wohl viele Leute an – überschrieben mit «Auftragserteilung an den Gemeinderat zur Aufnahme von Verhandlungen über den Zusammenschluss mit der Einwohnergemeinde Hersberg und Krediterteilung über 50 000 Franken». Mit 44 Ja- gegen 2 Nein-Stimmen fiel das Resultat aber über aller Erwarten klar aus. Mehr noch: Es gab keine einzige Wortmeldung zu verzeichnen. Das vermeintlich heisse Thema war in Rekordzeit gegessen. Miescher ist überrascht: «Vor 40, nein, vor 20 Jahren hätten sie uns für wahnsinnig erklärt.»
Erich Straumanns Einsatz
Seither ist eine Kommission bestellt und an der Arbeit, unterstützt von Experten auf diesem Gebiet. Konkretes kann der 63-jährige Gemeindepräsident noch nicht verraten. «Zäh wird es ohnehin erst in einer späteren Phase», sagt er. Dabei betont er, dass er Hersberg nicht einfach als Juniorpartner betrachtet, auch wenn die eigene Gemeindeverwaltung bereits seit Jahren im Auftragsverhältnis auch die Administration des Nachbarn erledigt.
Einen entscheidenden Vorteil der Fusion sieht Markus Miescher im personellen Bereich. Beide Gemeinden bekunden immer wieder Mühe, Posten zu besetzen. Die unrühmliche Geschichte von 2008 steckt allen noch in den Knochen, als die Baselbieter Regierung ihr früheres Mitglied Erich Straumann als Statthalter nach Hersberg beordern musste, weil der Gemeinderat nicht beschlussfähig war – ein Novum in der damals 175 Jahre umfassenden Geschichte des Kantons.
Doch auch in Arisdorf finden sich neue Gemeinderatsmitglieder nur, wenn sie vorher von den bisherigen umgarnt worden sind. «Und all das vor dem Hintergrund, dass die Einwohner immer mehr verlangen», sagt Miescher, der selber ebenfalls 2008 auf diese Weise überzeugt wurde, Gemeinderat zu werden. Seit 2016 leitet er die Behörde. Eine unwiderstehlich attraktive Braut gebe seine Gemeinde auch nicht ab, sagt er und übt Selbstkritik. Zwar ist Arisdorf aufgrund der Steuereinnahmen in die illustre Liga der Gebergemeinden aufgestiegen, in der oberhalb von Liestal nur noch Ramlinsburg, Seltisberg und Sissach mitkicken. Doch diese Ehre hat eine allzu vertraute Kehrseite. Statt von Liestal via Schleifenberg nach Arisdorf fliesst das Geld den umgekehrten Weg.
Wieder rotes Budget
Die Steuereinnahmen, die über den Erwartungen ausfielen, und dazu ein gesundes Gewerbe führten auch dazu, dass die Rechnung des vergangenen Jahres im Plus abschloss, obschon das Budget rote Zahlen vorgesehen hatte. Und auch für das laufende Jahr ist ein Defizit prognostiziert. «Unsere finanzielle Lage ist angespannt. Aktuell müssen wir Versäumnisse aus der Vergangenheit ausbaden», sagt Markus Miescher. Nicht nur die Leitungen entlang der Hauptstrasse, die der Kanton gerade umfangreich erneuert (siehe nebenstehenden Artikel), müssen im Gleichschritt auf eigene Kosten ersetzt werden.
Auch bei anderen Leitungen büsst die Gemeinde dafür, dass Sanierungen aus finanziellen Gründen immer wieder aufgeschoben werden mussten. Hinzu kommt, dass die Überflutungen dieses Sommers auch Arisdorf nicht verschonten, Schreckensbilder produzierten und vor allem Schwachstellen offenlegten. Dazu ist die Gemeinde gezwungen, ein zweites Standbein für die eigene Wasserversorgung zu finden, gab deshalb eine Machbarkeitsstudie in Auftrag und führt Gespräche mit Füllinsdorf.
Miescher wäre es noch so recht, wenn solche Probleme behoben wären, wenn es ans Fusionieren geht. Denn dann würden genügend neue hinzukommen. Neben emotionalen Debatten über Wappen und Name dürfte auch darüber disputiert werden, was mit der Bürgergemeinde von Arisdorf geschieht, weil Hersberg dazu kein Pendant kennt. «Trotz allem ist die Prüfung der Fusion absolut sinnvoll», sagt er und unterstreicht das Wort «Prüfung». Auch betont Miescher: «Ich wäre stolz auf unsere beiden Gemeinden, wenn wir damit im Oberbaselbiet etwas auslösen könnten.»
Gemeindeporträts in der «Volksstimme»
vs. Die «Volksstimme» hat ihr Einzugsgebiet seit Anfang dieses Jahres um zwei Gemeinden – Arisdorf und Seltisberg – erweitert: Neu liegen damit 52 von 86 Baselbieter Gemeinden im «Volksstimme»-Gebiet. Grund genug, die beiden «neuen» Dörfer der Leserschaft vorzustellen. Arisdorf macht den Auftakt, Seltisberg folgt in der Grossauflage vom 9. September.