CARTE BLANCHE
06.08.2021 PolitikNein zur «99-Prozent-Initiative»
Markus Meier, Landrat SVP, Ormalingen
Am 26. September steht neben anderem die von den Jungsozialisten (Juso) lancierte Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» – ...
Nein zur «99-Prozent-Initiative»
Markus Meier, Landrat SVP, Ormalingen
Am 26. September steht neben anderem die von den Jungsozialisten (Juso) lancierte Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» – in der Propaganda irreführend und süffig als «99-Prozent-Initiative» bezeichnet – zur Entscheidung an.
Die «99-Prozent-Initiative» fordert eine extreme steuerliche Mehrbelastung von Einkommen, die aus Kapitalanlagen erwirtschaftet werden. Nach Abzug eines noch völlig unbestimmten Freibetrags sollen Kapitaleinkommen künftig zu übermässigen 150 Prozent besteuert werden. Dabei wird vorgegaukelt, dass «nur» gerade 1 Prozent der Steuerzahler davon betroffen sei. Der Initiativtext zeigt aber, dass dem sicher nicht so wäre. So ist völlig offen, wen es tatsächlich (be)trifft.
Unklar und nicht abschätzbar ist auch die Höhe der steuerlichen Mehrbelastung, weil viele Rechtsbegriffe noch ungeklärt sind. Allein der im Initiativtext verwendete Begriff «Kapitaleinkommen» ist bis heute unbekannt. Dieser würde erst mit dem noch zu formulierenden Gesetzestext definiert.
Interessant: In der Initiative ausdrücklich erwähnt ist die Wertsteigerung auf Im mobilien. Das lässt erkennen, dass Erträge und Gewinne aus Immobilien (Eigenmietwert, Miet- und Pachtzinserträge, Grundstückgewinne) zu 150 Prozent besteuert werden sollen. Die Initiative sagt aber nichts darüber, ob die Vorlage nur natürliche oder auch juristische Personen betrifft. Sie sagt ebenfalls nicht, ob nur die Bundessteuern davon betroffen sein werden oder auch die Staats- und Gemeindesteuern. Klar hingegen ist, dass die Initiative nicht nur 1 Prozent und «Spekulanten», sondern in erster Linie alle – und dabei vor allem die älte ren – Wohneigentümer betrifft. Sie erzielen aufgrund der langen Haltedauer und Inflation einen betraglich hohen «Gewinn» und würden mit einer extrem hohen Kapitalsteuer bestraft. Denn im Gegensatz zur Grundstückgewinnsteuer sind in der Initiative zulässige Reduktionen bei langer Haltedauer unerwähnt.
Also Obacht: Gehen Sie den Initianten mit ihren «Schönwetter-Argumentarien» nicht auf den Leim. Sie servieren bekömmlich vieles, was im Initiativtext nur unpräzise oder überhaupt gar nicht steht. Dazu gehören auch die Behauptungen, dass Eigenmietwert und Auszahlungen aus Pensionskasse (2. Säule) und privater Altersvorsorge (3. Säule) von der übersetzten Besteuerung ausgenommen seien. Der Initiativtext sagt dazu: nichts, rien, niente!
Die frühere Juso-Präsidentin und heutige SP-Nationalrätin Tamara Funiciello proklamiert unser Steuerrecht als ein System, das sage: «Wer hat, dem wird gegeben.» Es fehle der politische Wille, Gerechtigkeit zu schaffen. Tatsache ist, dass schon heute jährlich gegen 35 Milliarden Franken allein an Vermögens- und Direkten Bundessteuern entrichtet werden, bei Letzterer bezahlen nur gerade 5 Prozent der Steuerzahler 70 Prozent aller Abgaben. Vor diesem Hintergrund erscheint mir der Ruf nach Gerechtigkeit doch eher verwegen. Vor allem wenn man bedenkt, dass die von der erwähnten Nationalrätin deklarierte Jahresentschädigung von 115 000 Franken rund zur Hälfte aus nicht zu versteuernden Spesen besteht.
In meinen Augen lautet das wahre Motto der schädlichen «99-Prozent-Initiative» vielmehr: Wer schon heute viel bezahlt, wird künftig noch viel mehr bezahlen. Deshalb am 26. September ein 100-prozentiges Nein zur «99-Prozent-Initiative»!
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.