Der Kurztrip zu den Palmen – ein Menschenrecht?
10.06.2021 PolitikWerden die Tage im Herbst etwas kälter, schnappt man häufig den Satz auf, dass sich die Leute «noch etwas Wärme» gönnen und sich mit einem Flug in die Herbstferien «den Sommer verlängern» wollen. Besonders für Gutverdienende ist es heute ...
Werden die Tage im Herbst etwas kälter, schnappt man häufig den Satz auf, dass sich die Leute «noch etwas Wärme» gönnen und sich mit einem Flug in die Herbstferien «den Sommer verlängern» wollen. Besonders für Gutverdienende ist es heute selbstverständlich, dass ferne Länder einfach erreichbar sind und dass die Reise dorthin für die ganze Familie erschwinglich ist.
Nach einem Jahr Pandemie sind viele der Meinung, sich die kommenden Ferien mit dem Flugzeug nun ganz speziell verdient zu haben. Der kühle und verregnete Mai war für viele eine einzige klimatische Zumutung, weshalb nun die Nachfrage nach Billigflügen wieder steil nach oben zeigt. Die vielen in Zürich startenden Flugzeuge sind auch im Oberbaselbiet gut hörbar und die Kondensstreifen überziehen den Himmel an Sonnentagen mit ihrem milchigen Gitternetz.
Der Flughafen Zürich wittert diese kerosinschwangere Morgenluft und verkündet ehrgeizige Ausbaupläne, damit die hohen Passagierzahlen bewältigt werden können. Dabei hat sich die Anzahl der Flug- passagiere in der Schweiz bereits zwischen 2004 und 2019 mehr als verdoppelt, weshalb die Fliegerei in der Schweiz zu fast einem Drittel für den menschengemachten Klimaeffekt verantwortlich ist.
Global betrachtet verursacht 1 Prozent der Weltbevölkerung die Hälfte der gesamten flugzeugbedingten Treibhausgasemissionen, während ein Grossteil noch nie ein Flugzeug bestiegen hat. Richtigerweise trägt deshalb die im revidierten CO2-Gesetz geplante Lenkungsabgabe auf Flugtickets dazu bei, dass auch im Flugverkehr etwas mehr Kostenwahrheit entsteht und die nachteiligen Folgen des Fliegens in den Preis des Tickets eingespeist werden.
Das ist eine sehr einfache Massnahme, mit der die Schweiz die schädlichen Abgase des Flugverkehrs etwas senken kann. Das Geld wird in einen Klimafonds gezahlt, womit Forschung und Entwicklung im Bereich Mobilität finanziert werden können. Dies ermöglicht den technischen Fortschritt, dank dessen auch Verkehrsmittel entwickelt werden können, die weniger schädlich für unser Klima sind. Gleichzeitig gilt es, die existierenden Alternativen wie Nachtzüge massiv auszubauen. Denn 80 Prozent der heute getätigten Flüge sind Kurzstrecken und liessen sich gut und schnell mit dem Zug bewältigen. Viele Schweizer Familien haben im vergangenen Jahr ihre eigene Umgebung neu entdeckt und Orte in der Schweiz besucht, die ihnen fremder waren als der ihnen vertraute Strandabschnitt in Palma de Mallorca. Ist es wirklich ein Verlust, wenn etwas weniger geflogen wird? Ich bin überzeugt, dass wir unseren Kindern, Grosskindern und Urgrosskindern einen weit grösseren Gefallen erweisen, wenn wir Sorge zu unserer Natur und unserem Klima tragen, als wenn wir meinen, ihnen bereits im Kindesalter die ganze Welt zeigen zu müssen.
Wir müssen gegen die Klimaerwärmung dringend etwas tun. Mit unserem überzeugten Ja zum CO2-Gesetz sorgen wir dafür, dass der Palmenhain, der heute noch den südlichen Ferientraum verkörpert, in ein paar Jahren nicht dem Anblick des Walds aus dem Oberbaselbieter Kinderzimmer entspricht.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.