«Höli-Gate» geht in die nächste Runde
10.06.2021 Bezirk LiestalWettbewerbskommission ermittelt gegen Deponiebetreiber
Die eidgenössische Wettbewerbskommission fühlt der Deponie Höli Liestal AG auf den Zahn. Dies nach Vorwürfen der Regierung an die Deponiebetreiber, die sich aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung ...
Wettbewerbskommission ermittelt gegen Deponiebetreiber
Die eidgenössische Wettbewerbskommission fühlt der Deponie Höli Liestal AG auf den Zahn. Dies nach Vorwürfen der Regierung an die Deponiebetreiber, die sich aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung Wettbewerbsvorteile verschafft haben sollen.
Christian Horisberger
Die Betreiber der Deponie Höli bei Liestal haben in den vergangenen Jahren einiges an Kritik einstecken müssen. Am häufigsten gerügt wurden sie für das rasante Tempo, mit dem die auf mehr als 3 Millionen Kubikmeter Bauschutt ausgelegte «Höli» aufgefüllt worden ist. Nach ursprünglicher Planung sollten die Lastwagen ihre Bauabfälle während mehrerer Jahrzehnte auf die Deponie auf dem Liestaler Schleifenberg kippen. Stattdessen war sie bereits nach elf Jahren voll und wurde diesen Frühling vorderhand geschlossen. Den Betreibern wurde vorgeworfen, sie hätten den Zeitplan aus Profitgier über Bord geworfen.
Ebenfalls ums Geld geht es bei einem weiteren Vorwurf: Die drei an der Deponie Höli Liestal AG beteiligten Bau- und Transportunternehmen hätten sich selber mit Sonderkonditionen verwöhnt, rügte CVP-Landrat Simon Oberbeck in einem Vorstoss im Kantonsparlament. Die Antwort der Regierung auf Oberbecks Interpellation fiel für die «Höli» nicht sehr schmeichelhaft aus: Das bisherige Betreibermodell der Deponie habe zu Wettbewerbsverzerrungen geführt. Das intransparente Gebührenmodell mit Spezialkonditionen für Aktionäre sei nicht zukunftsfähig.
Die Regierung strebte eine Verbesserung der Situation an: Die Bürgergemeinde als Hauptaktionärin wurde aufgefordert, dafür zu sorgen, dass beim weiteren Betrieb der Anlage «jegliche ungerechtfertigte und intransparente Bevorzugung der Aktionäre durch Preis und Zugang beendet werden muss». Der wenige Monate zuvor beinahe rundum erneuerte Bürgerrat hielt daraufhin fest, dass künftig auch Dritte diskriminierungsfreien Zugang zur Deponie erhalten würden und ein transparentes und für alle Akteure nachvollziehbares Gebührenmodell eingeführt werde. Nach einer kurzen Debatte im Landrat und dem Versprechen des Bürgerrats schien das Thema vom Tisch zu sein.
Sanktionen möglich
Nicht für die eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko). Sie hat auf Anzeige des Baselbieter Amts für Umweltschutz und Energie (AUE) hin gegen die Deponie Höli Liestal AG eine Untersuchung eröffnet. Es lägen Anhaltspunkte vor, dass das Unternehmen im Wirtschaftsraum Basel über eine marktbeherrschende Stellung im Deponiewesen verfügt und diese missbraucht habe, teilte die Kommission am Dienstag mit. Untersuchungsgegenstand seien tiefere Preise für Aktionärinnen und die verweigerte Annahme von Abfallmaterial gewisser Kundinnen und Kunden. Im Rahmen der auf zwei Jahre angesetzten Untersuchung werde geprüft, ob das Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung innehatte und sich im Sinne des Kartellgesetzes missbräuchlich verhalten hat.
«Sollten sich die Anhaltspunkte bestätigen, würden Verhaltensmassnahmen verfügt, und es droht eine Sanktion», hält Frank Stüssi, Vizedirektor der Wettbewerbskommission, auf Anfrage fest. Sanktionen betrügen maximal 10 Prozent des Umsatzes der letzten 3 Jahre auf dem untersuchungsrelevanten Markt. Ausserdem wären die Verfahrenskosten durch die Höli AG zu tragen.
Die Untersuchung der Weko nimmt der Liestaler Bürgerratspräsident Franz Kaufmann mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis. Auf der einen Seite seien die Anschuldigungen seit der Interpellation Oberbecks nicht neu, auf der anderen habe der Bürgerrat gegenüber dem Kanton signalisiert, «dass wir in Zukunft über diese Fragen diskutieren müssen». Konkret habe die AG dem Kanton versichert, künftig einheitliche Preise zu machen, präzisiert Franz Thür, seit einem halben Jahr Bürgerrat und seit zweieinhalb Monaten Verwaltungsratspräsident der Höli AG. «Das bedeutet nicht, dass in der Vergangenheit etwas falsch gemacht worden ist.»
Anders als dargestellt, hätten die an der AG beteiligten Firmen nicht tiefere Preise erhalten, nur weil sie in den Betrieb involviert sind, sondern auch aufgrund ihrer Liefermengen – im Sinne von Mengenrabatten. Andere Anbieter wie die Deponie Bruggtal in Bennwil würden das genau gleich handhaben. Es existiere ein Marktpreis für die Marktteilnehmer. «Aber wenn das ein Problem ist, machen wir eben einheitliche Preise», so Thür. Dann müsse der Kanton jedoch dafür sorgen, dass dies für alle Deponien gilt.
Angriff auf BUD
Die Anzeige der BUD habe ihn wie der Blitz aus heiterem Himmel getroffen, sagt Thür. Schliesslich habe man auf Anraten der Weko für eine gütliche Einigung die Differenzen mit dem Kanton ausdiskutiert und Entgegenkommen signalisiert. Das Festhalten an der Anzeige führt der Verwaltungsratspräsident auch auf «subjektive Motivationen von gewissen Staatsangestellten» zurück – BUD-Vorsteher Isaac Reber (Grüne) klammert er explizit aus. Vielleicht wolle man mit dem Angriff auf die «Höli» davon ablenken, dass eine Baustoffrecycling-Strategie verbummelt und es nicht geschafft wurde, im Kanton neue Deponiestandorte zu finden.
Für die Untersuchung der Weko signalisiert Thür volle Kooperation und Zuversicht: «Ich bin optimistisch, dass wir aufzeigen können, dass wir nicht wissentlich den Markt verzerrt haben.» Anders als von vielen wahrgenommen sei die «Höli» in der Region längst nicht die einzige Anbieterin: Das Marktgebiet umfasse neben den Deponien im Baselbiet auch solche im Fricktal, im Solothurnischen sowie im grenznahen Ausland. Die Definition einer Marktdominanz könne daher sehr unterschiedlich ausfallen. Thür: «Wir haben immer nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet. Die Weko-Untersuchung ist für uns die Chance, zu zeigen, dass wir nicht alles falsch gemacht haben.»
Antrag auf Deponie-Erweiterung
Keine Auswirkungen hat die Untersuchung der Weko gemäss Stüssi auf den laufenden Betrieb der Liestaler Deponie. Oder besser: hätte. Die «Höli» sei voll und seit Mitte Mai geschlossen, erklärt Bürgerratspräsident Kaufmann. Derzeit sei ein Nachtragsgesuch in Gang, um weitere 600 000 Kubikmeter Material in einem «Loch» deponieren zu können. Dieses Volumen würde den Betrieb für zwei weitere Jahre sicherstellen. Sofern keine Einsprachen eingingen, könne bestenfalls in einem halben Jahr wieder Bauschutt angenommen werden. Für die Dauer des Bewilligungsprozesses werde die im vergangenen Herbst angekündigte grosse «Höli»-Erweiterung um 6,75 Millionen Kubikmeter auf Eis gelegt.
Keine Sonderpreise in Sissach
ch. Mit der Schliessung der Deponie Höli in Liestal steigt der Druck auf die noch offenen Deponien für Aushubmaterial und Bauabfälle in der Region. So auch auf den «Strickrain» in Sissach, der vor drei Jahren erweitert worden ist. Es gebe seither mehr Anfragen, sagt Christoph Tschan, Präsident der Bürgergemeinde, welche die Deponie gemeinsam mit der Einwohnergemeinde betreibt. «Aktuell sind wir ein Puffer für gutes regionales Material, wir müssen aber die Auffüllmenge genau beobachten, um den Betrieb für 30 Jahre sicherzustellen», erklärt der Bürgerpräsident. Sonderkonditionen wie in Liestal seien in Sissach kein Thema, da keine privaten Unternehmen in den Betrieb der Deponie involviert sind. «Die Konstellation bei uns ist eine andere.»