«... als würden zwei Autobahnen gebaut»
07.05.2021 SissachElektra und Swisscom erstellen parallel Glasfasernetze
Die Swisscom hat kein Interesse, in Sissach ihre Dienste für TV, Telefonie und Internet übers neue Glasfasernetz der Elektra Sissach laufen zu lassen. Sie baut lieber selber eines. Die Konkurrenz könnte die Elektra Kunden ...
Elektra und Swisscom erstellen parallel Glasfasernetze
Die Swisscom hat kein Interesse, in Sissach ihre Dienste für TV, Telefonie und Internet übers neue Glasfasernetz der Elektra Sissach laufen zu lassen. Sie baut lieber selber eines. Die Konkurrenz könnte die Elektra Kunden kosten.
Christian Horisberger
Die Elektra Sissach (ES) hatte das Vorhaben im August vergangenen Jahres als grösste Investition ihrer Geschichte angekündigt: 7,5 Millionen Franken werde sie bis Ende 2023 in die Umrüstung ihres kupfernen Leitungsnetzes für den elektronischen Datenverkehr auf schnelle Glasfaser stecken. Die «Pilot-Etappe» ist so gut wie abgeschlossen und ein Teil des Dorfzentrums surft bereits auf «Glas», die Arbeiten an der ersten und zweiten von drei weiteren Etappen sind in Gang. Alles laufe reibungslos ab, man komme schneller voran als geplant, freuen sich Elektra-Projektleiter Philipp Meier und Geschäftsführer Stephan Jurt.
Doch die Freude ist getrübt. Die Swisscom hat sich im Februar aus den Verhandlungen über eine Partnerschaft beim neuen Kabelnetz zurückgezogen. Dies, obwohl ihr die Elektra Sissach bei der Nutzungsgebühr sehr entgegengekommen sei, wie der Geschäftsführer erklärt. Stattdessen realisiere die Swisscom ein eigenes Glasfasernetz. Jurt: «Das ist, als würde man nebeneinander zwei Autobahnen bauen.» Anders als die Genossenschaft Elektra, die sich laut ihrem Chef dem Service public verpflichtet fühle und ausnahmslos jeden Haushalt an ihr Netz anschliesse, kalkuliere die Swisscom scharf: Sie versuche, mit möglichst geringem Aufwand möglichst viele Haushalte zu erreichen.
Die Swisscom bestätigt auf Anfrage ihre Ausbaupläne in Sissach. Man befinde sich noch in der Planungsphase und werde in den kommenden Monaten mit den Arbeiten beginnen. Angestrebt werde eine «möglichst hohe Abdeckung der Wohnungen und Geschäfte in den Bauzonen». Wie auch bei der Elektra seien grössere Tiefbauarbeiten nicht erforderlich; die Glasfasern könnten in bestehende Rohre eingezogen werden.
Offener Markt, aber…
Über seine Investition hält sich das Kommunikationsunternehmen bedeckt. Als Grund für ihren Alleingang führt die Swisscom an, dass man sich nicht auf die kommerziellen Eckpunkte habe einigen können. Der Ausbau in Sissach sei Teil der Netzstrategie 2025, wonach die Swisscom in der Schweiz bis 2025 die Glasfaserabdeckung auf rund 60 Prozent ausbauen wird.
Ihm sei bewusst, dass sich seine nicht gewinnorientierte Genossenschaft in einem offenen Markt bewege, so der Elektra-Chef. Dennoch bedauere er das Scheitern der mehr als halbjährigen Verhandlungen. Nun macht sich Jurt auf eine Marketingoffensive des Kommunikationsriesen gefasst: «Die bauen kein neues Netz, ohne Neukunden gewinnen zu wollen.»
Die Offensive ist offenbar bereits angelaufen: Etliche Kunden hätten sich an die Elektra gewandt, nachdem sie von der Swisscom Anschlussverträge erhalten hätten, die binnen zweier Wochen zu unterzeichnen seien, sagt Projektleiter Meier. «Die machen Druck.» Die Swisscom bestätigt den Versand der Vertragsformulare: Liegenschaftseigentümer würden vor Ausbau in der sogenannten Akquisitionsphase direkt kontaktiert.
Mit so einem Anschlussvertrag wird ein Unternehmen bevollmächtigt, die Glasfaserleitungen bis ins betreffende Haus zu ziehen, präzisiert er. Die Elektra gehe gleich vor. Zwar ist damit noch kein Abo für TV, Telefonie oder Internet abgeschlossen, doch sei der Anschlussvertrag dafür ein Türöffner und ermögliche es der Elektra, den Stromzähler über Glasfaser abzulesen, sagt Jurt. Weil die Elektra voriges Jahr ihr Glasfaser-Projekt bekannt gemacht hatte und seit längerer Zeit am Bauen sei, werde das Vertragsformular der Swisscom oft der ES zugeordnet, sagt Projektleiter Meier. Dies bestätigten etliche Anrufe überforderter Kundinnen und Kunden. Zufall? Der Geschäftsführer denkt das nicht.
«Kein Geld in den Sand gesetzt»
Ursprünglich hatte die Elektra geplant, die Sissacherinnen und Sissacher jeweils während «deren» Ausbauphase mit den Anschlussverträgen anzugehen. Nun aber werde man in die Gegenoffensive gehen und umgehend sämtlichen Haushalten das eigene Vertragsformular zustellen, kündigt Jurt an. Auf dem beiliegenden Flyer heisst es unter anderem: «Es gibt andere Anbieter, die derzeit ähnliche Verträge verschicken und Sie auffordern, diesen zu unterzeichnen. Weil die Elektra Sissach mit ‹Sissanet› Ihre Liegenschaft so oder so erschliesst, um mittelfristig die Stromzähler automatisch abzulesen, empfehlen wir Ihnen, ausschliesslich den ‹Sissanet›-Vertrag zu unterzeichnen.»
Ferner wird im Flyer herausgestrichen, dass die Elektra eine nicht gewinnorientierte Dorfgenossenschaft sei und man den künftigen Anbieter von Telekommunikationsleistungen (Internet, TV, Festnetztelefonie) frei wählen könne. Wobei Jurt freilich hofft, dass einer der sechs Provider, mit denen die Elektra arbeiten wird – unter anderem Salt, Sunrise und Init7 – zum Zug kommt.
Was bedeutet der Swisscom-Rückzug für die Genossenschaft? «Wir halten am Ausbau fest, und er wird voraussichtlich vor dem geplanten Termin beendet sein.» Finanziell in Bedrängnis gerate man nicht, versichert Stephan Jurt: «Wir haben kein Geld in den Sand gesetzt.» Allenfalls dauere es länger, bis die Investition amortisiert ist – bislang war man von 20 Jahren ausgegangen. Auf die Rechnungen der Kundinnen und Kunden, die auf dem Netz der Elektra surfen wollen, habe der Alleingang keine Auswirkungen.