HERZBLUT
13.04.2021 GesellschaftK wie Knopfloch
Das Wiener Blut spritzte aus der Strauss’schen Feder, aus der auch die schöne, blaue Donau floss. Keine Zweifel. Ob hingegen sein Namensvetter Franz Joseph Strauss, eher ein Radetzky-Marsch-Typ, tatsächlich der Schöpfer des ...
K wie Knopfloch
Das Wiener Blut spritzte aus der Strauss’schen Feder, aus der auch die schöne, blaue Donau floss. Keine Zweifel. Ob hingegen sein Namensvetter Franz Joseph Strauss, eher ein Radetzky-Marsch-Typ, tatsächlich der Schöpfer des weltbewegenden Zitats ist? Vielleicht sass der Polter-Politiker im bayerischen Biergarten bei Weissbier und Haxn, als ihm ein Bonmot-Schreiber diesen Satz ins Manus flickte: «Egal, was die Zeitungen über mich schreiben. Hauptsache, sie schreiben über mich.» Vielleicht war es auch jemand ganz anderes, der dies sagte. Der Name würde aber den Einstieg versauen.
Das sagt man sich in Liestal. Nach dem Protestmarsch gingen die Wogen so hoch, dass sich die Donau aus Neid grün und schön blau ärgerte. Endlich mal bringt es «öise» Kantonshauptort zu Schlagzeilen, die vor Fett triefen. In die Hauptausgaben der Nachrichten im nationalen Funk und Fernsehen ist Liestal selbst Tage später plötzlich wer. Alle kannten vorher die Hauptorte Stans, Sarnen und sogar Herisau. Bellinzona ist schon deshalb ein Begriff, weil es beim Erraten von Kantonshauptorten stets als Fangfrage dient. Wem aber ist Liestal «ennet» des Juras ein Begriff? Gut, der Kantonshauptort hat Carl Spitteler, den einzigen echten Schweizer Literaturnobelpreisträger, hervorgebracht. Doch selbst nachdem sich der Ehrentag 2020 zum 100. Mal gejährt, kennt Spitteler auch kaum einer. Als berufsbedingtem Lokalpatrioten blutet mir kolumnenkonform das Herz. Selbst bei Allschwil zuckt unsere «Üsserschwyz» bloss mit der Schulter (eine reicht). Dabei ist unser Primus gleich gross wie Aarau und könnte Solothurn, Delémont oder Bellinzona mitleidig übers Hauptort-Haar fahren.
Als die Medien am Tag der Erlösung Liestal entdeckten, folgte der nächste Tiefschlag. Damals und noch Tage später wurde der Name hartnäckig falsch ausgesprochen. Der Eishockey-Reporter spricht Biel wie Kiel aus, wenn er in der Schriftsprache kommentiert, in der Mundart aber ab Buchstabe zwei so, wie die Franzosen ihren Honig oder Himmel nennen. Das gilt doch auch für Liestal. Weshalb in aller Baselbieter Welt benutzen die trainierten Sprecher, die jeden Lava-Brünzler auf Island ohne Stolperer hinkriegen, im Hochdeutschen einen Diphthong statt eines Monophthongs? (Hier soll nicht mit Fremdwörtern aufgeschnitten werden, aber gerade das zweite überragt vom Klang her alle Vulkane Islands.) Bis zur nächsten Demo dort muss das sitzen, SRF! Die Baselbieter Polizei wünscht euch viel Erfolg.
Mein wachgeküsster Komplex geht wohl auf die Kappe meines Berufskollegen Daniel. Er fragte mich mal, wo ich herkomme. Er wohnte in Spiez: etwas über 12 000 Einwohner, schön am Thunersee und am Fuss des Niesens gebettet, berühmtes Schloss, berühmterer Pfarrer, wie wir alle wissen. Als damaliger Lausner antwortete ich vorsichtig «bei Liestal». «Nie gehört.» «Der Ort heisst Lausen», wagte ich zaghaft. «Das kenne ich», entgegnete er, «Cesar Keiser: K wie Knopfloch. L wie Lausen. Nie gedacht, dass es das wirklich gibt.»
Jürg Gohl, Autor «Volksstimme»