«Das lässt sich nicht finanzieren»
09.04.2021 Basel, Volleyball, SportSebastian Wirz
Morgen dürfte für lange Zeit das letzte Nationalliga-A-Spiel eines Männer-Volleyballteams aus einem der beiden Basel angepfiffen werden. Traktor Basel trifft im Platzierungsspiel um Rang 7 auf Lindaren Volley Luzern. Das erste Spiel der ...
Sebastian Wirz
Morgen dürfte für lange Zeit das letzte Nationalliga-A-Spiel eines Männer-Volleyballteams aus einem der beiden Basel angepfiffen werden. Traktor Basel trifft im Platzierungsspiel um Rang 7 auf Lindaren Volley Luzern. Das erste Spiel der Best-of-Three-Serie hat das Team um die beiden Oberbaselbieter Mitteangreifer Samuel Ehrat und Eric Heller 0:3 verloren. Bei einem Sieg im zweiten Aufeinandertreffen käme es am Mittwoch zum definitiv letzten NLA-Spiel in der Region: Wegen Corona gibt es zwar keine sportlichen Absteiger, aber Traktor Basel zieht sich aus finanziellen Gründen aus der höchsten Spielklasse zurück. Genau 20 Jahre nachdem der VBC Gelterkinden sein damaliges NLA-Abenteuer beendet hat.
Mit 20 Jahren Abstand wiederholt sich damit die Geschichte. Denn die Gründe für den Rückzug in Basel und Gelterkinden sind dieselben. «Am Ende ist es das Geld», sagt Roland John, «wir haben mit der Corona-Situation sicher den dümmsten Zeitpunkt erwischt, um eine Dynamik mit Zuschauern und Emotionen zu schaffen, aber Corona hin oder her: Es wäre Jahr für Jahr ein Kampf gewesen, genügend Geldgeber zu finden.» Das hätten er und sein Vorstand antizipiert und versucht, den Verein, der zum grössten Teil aus Junioren besteht, breiter aufzustellen. «Ein Plan über fünf Jahre wäre wunderbar gewesen, aber es war stets klar, dass wir Jahr für Jahr sehen müssen, ob die Reise weitergeht», sagt John. In der kommenden Saison wird Traktor Basel, weiterhin gespickt mit jungen Spielern aus der Region, in der Nationalliga B auflaufen.
In den 1990er-Jahre spielte John für den VBC Gelterkinden, als dieser den NLA-Platz von Uni Basel übernahm. Unterbrochen von zwei NLB-Jahren spielten die Gelterkinder insgesamt drei Saisons in der höchsten Spielklasse. In der letzten Spielzeit war das Loch in der Rechnung nicht zu übersehen. Der Vorstand zog die Handbremse, die Entschädigungen für Spieler und Trainer wurden mitten in der Saison gekappt, der Abstieg und der darauffolgende freiwillige Rückzug in die 1. Liga waren das Resultat.
Es braucht einen grossen Geldgeber
«Offenbar ist es im Männervolleyball nicht möglich, eine Basisfinanzierung zu erreichen, auf der aufgebaut werden kann», sagt John. «Mit 300 000 bis 400 000 Franken kann man in der Liga schon vorne mitspielen», ist er überzeugt. Denn damit liesse sich eine professionelle Klubstruktur erreichen. «Die NLA ist eine Profi-Liga. Von den Spielern wird Professionalität erwartet, aber wir rundherum sind alle Amateure, die neben dem Job kostenlos für den Verein arbeiten.» Es brauche einen Geschäftsführer, eine professionelle Herangehensweise für Marketing und Sponsorensuche. Dies sei mit dem Traktor-Budget von 150 000 bis 200 000 Franken pro Jahr nicht möglich. Der garantierte «Sockelbetrag» beträgt nur 12 500 Franken – es ist der Beitrag aus dem Swisslos-Sportfonds.
«Wenn man einen Mäzen findet, der pro Jahr 100 000 Franken investieren will, dann kann man weiter suchen», sagt Marc Häfelfinger. Als Manager der Gelterkinder NLA-Mannschaft war er für die Geldsuche zuständig. «Dazu kämen dann die kleineren Sponsoren- und Gönnerbeiträge, die man mühsam zusammenkratzt. Wenn man aber schon die ersten 100 000 Franken mit Kleinbeträgen finanzieren muss, kommt man auf keinen grünen Zweig», sagt Häfelfinger. Das Jahresbudget in Gelterkinden bewegte sich ebenfalls über 150 000 Franken.
«Wir bereuen den Schritt nicht»
John und Häfelfinger kommen zum selben Schluss: Männervolleyball ist ganz einfach kein Geschäftsmodell, das sich finanziert. «Du kannst die Ausgaben nicht erwirtschaften», sagt Häfelfinger. Mit Blick nach Luzern, wo aktuell eine weitere NLA-Mannschaft aus finanziellen Gründen auf der Kippe steht, nimmt John auch den nationalen Verband Swiss Volley in die Pflicht: «Es muss sich etwas ändern, damit die NLA interessant wird. Vielleicht wäre ein Franchise-System ohne Abstiege wie in den amerikanischen Sportarten für den Profi-Bereich in der Schweiz sinnvoller.»
In Basel und Gelterkinden bereut man die Zeit in der NLA nicht. «Wir haben viel gelernt. Es wäre viel einfacher gewesen, trotz all der regionalen jungen Spieler nicht aufzusteigen», sagt Roland John. So seien es zwei spannende Jahre gewesen, in denen der Volleyballsport neue Menschen erreicht habe. «Und durch das Corona-Stabilisierungspaket gibt es am Ende keinen Verlust für den Verein.»
Auch Marc Häfelfinger möchte die Gelterkinder NLA-Erfahrungen nicht missen: «Das war eine coole Zeit. Und die Verpflichtung von Paul Laciga bleibt ein unvergessliches Highlight.» Dass der Schweizer Beachvolleyball-Star mit tschechischen Wurzeln in der Halle «überwintern» wolle, habe Häfelflinger in der Zeitung gelesen. «Dann habe ich den einfach angerufen, unser tschechischer Trainer hat sich mit ihm in seiner Muttersprache unterhalten und am Ende hatten wir eine Unterschrift – und Anrufe von jeder Zeitung und jedem Radio. Das war cool.» Häfelfinger ist überzeugt: Hätte die Gelterkinder Dreifachhalle damals schon gestanden, 500 Zuschauer hätten die NLA-Spiele regelmässig angezogen. Das Finanzierungsproblem wäre derweil geblieben.
Nach Näfels und in die USA
wis. Ziemlich überraschend traf die Nachricht, dass sich Traktor Basel aus der NLA zurückziehen würde, die Mannschaft. «Das hat mir wirklich zu schaffen gemacht», sagt Captain Samuel Ehrat, «schliesslich war ich zwei Jahre lang Teil dieses Projekts.» Auch wenn es schwierig gewesen sei, von Vereinen mit professionelleren Strukturen zu Traktor zu stossen, sei es für den Nationalspieler sehr speziell gewesen, in seine Heimatregion zurückzukehren und das regionale NLA-Projekt anzuführen.
«Der Rückzug hat mir im Endeffekt die Entscheidung abgenommen, ob ich weiterhin in Basel spiele. Es war schon bedrückend, weil ich meine Zukunft noch nicht geregelt hatte.» Mittlerweile hat der Mitteangreifer einen neuen Vertrag unterschrieben: Er kehrt zu Volley Näfels zurück, wo er seine ersten NLA-Erfahrungen gesammelt hat und zum Captain reifte, ehe er über Schönenwerd nach Basel kam.
Nach der Saison geht es für Ehrat sofort weiter mit Volleyball: Ein intensives Nationalmannschaftsprogramm mit Trainingslagern und EM-Qualifikationsspielen in der Slowakei sowie Rumänien ruft. Weniger beschäftigt hat der Rückzug Eric Heller. Der Buusner wusste bereits, dass er im Sommer nach Amerika gehen würde, um an einer Universität zu studieren und Volleyball zu spielen. Auf seine sehr spezielle allererste NLA-Saison – Rekrutenschule, Coronavirus, Geisterspiele und Rückzug lassen grüssen – blickt er nur positiv zurück: «Obwohl ich in der Vorbereitung wegen des Militärs fehlte, durfte ich sogar zur Starting-6 zählen. Beim einzigen Spiel mit Zuschauern zum Saisonauftakt kam ich gleich zum Zug, ich spürte sehr viele Emotionen und wir haben gewonnen – einen schöneren Start hätte es gar nicht geben können», sagt der Mitteangreifer.
Der Rest der Saison sei dann nicht einfach gewesen, aber er habe stets davon profitiert, auf diesem hohen Niveau agieren zu dürfen. «Schliesslich war ich ein Jahr vorher in der 1. Liga und hätte in dieser Saison wegen des Corona-Abbruchs gar nicht spielen können.» Wohin es ihn nach seinem Auslandjahr volleyballerisch verschlagen wird, ist noch offen. Ein NLA-Team wird es in der Region auf jeden Fall nicht geben.