Pellegrini und seine nackten Musen
12.01.2021 BaselWandmaler, spezialisiert auf griechische und römische Mythologie
Am 22. August vergangenen Jahres wurde das erneuerte und erweiterte Basler Stadtcasino neu eröffnet und durch das Sinfonieorchester Basel wieder in Betrieb genommen. Davon abgetrennt ist nun der vordere Teil mit ...
Wandmaler, spezialisiert auf griechische und römische Mythologie
Am 22. August vergangenen Jahres wurde das erneuerte und erweiterte Basler Stadtcasino neu eröffnet und durch das Sinfonieorchester Basel wieder in Betrieb genommen. Davon abgetrennt ist nun der vordere Teil mit Gastronomie und Läden, erbaut von 1938 bis 1941. An dessen Stirnfassade prangt das markante Wandgemälde «Apoll und die Musen» von Alfred Heinrich Pellegrini (1881–1958). Die festliche Eröffnung bietet Gelegenheit, an den Basler Künstler zu erinnern.
«Pellegrini hat wie kein anderer seines Jahrzehnts Basels Kunst den Stempel aufgeprägt, weniger durch ein ‹Schulemachen› als dadurch, dass er sich besonders vielseitig, als Zeichner, Grafiker und Maler zu äussern vermochte und wegen seiner monumentalen Gesinnung mehr als die andern mit Grossaufgaben bedacht wurde», hiess es im Jahr 1958 im Nachruf.
Alfred Heinrich Pellegrini wurde 1881 als Sohn eines Tessiner Steinbildhauers und einer Baslerin geboren. An der Kunstgewerbeschule in Basel und an der Akademie der Bildenden Künste in München erhielt er seine Ausbildung. Später studierte er auch in Stuttgart und begann dort als Grafiker und Illustrator zu arbeiten. Schon früh wurde er als Wandmaler bekannt, spezialisiert auf Darstellungen aus der griechischen und römischen Mythologie.
1917 kehrte er aus Deutschland nach Basel zurück, etablierte sich hier als freischaffender Künstler und war ein vielseitig aktives Mitglied der städtischen Kunstszene. Neben Wandmalereien gestaltete er auch Plakate mit politischer Botschaft, etwa zugunsten des Frauenstimmrechts mit dem Slogan «Eure Schwester, gebt ihr Recht, nicht nur Pflicht». Er erhielt hohe Anerkennungen: 1932 nahm er für die Schweiz an der Biennale in Venedig teil, 1949 wurde ihm als erstem Preisträger der Kunstpreis der Stadt Basel verliehen.
Pellegrinis Arbeit an der Stadtcasino-Fassade stiess vor 80 Jahren keineswegs nur auf Wohlwollen, wie Naomi Gregoris 2015 in der «TagesWoche» berichtete: «Es fing nicht gut an: Gerade erst waren Apollo und seine fünf Musen an die Fassade des Stadtcasinos gemalt worden (1940/41) und schon wurden sie aufs Ärgste beschimpft. Der Grund dafür lag bei ihrer Darstellung. Sie thronten in stolzen sechzehn mal sieben Metern vor dem Barfüsserplatz, wie Gott oder Leto oder in diesem Fall der Basler Künstler Alfred Heinrich Pellegrini sie erschuf: ‹füdliblutt›.» Im Pfarrblatt wurde damals gewettert: «Ich spreche dem Künstler das Können nicht ab – ich protestiere als Seelsorger und Dekan von Basel-Stadt gegen diese Darstellungen des Nackten im Namen der unschuldigen Kinder; ich protestiere im Namen der hohen katholischen Auffassung von Frauenwürde, Ehe und Mutterschaft.»
Generationen unschuldiger Kinder Basels haben an den unbekleideten Musen samt Gott Apoll wahrscheinlich wenig Schaden genommen. Das Gemälde wiederum hat den Umbau des Stadtcasinos schadlos überstanden. Die harte Trennung von Musentempel und Kommerzbau durch eine Gasse hat die idealistische Beschwörung der Künste allerdings ein wenig heimatlos gemacht.
Eugen Schwarz, Oberdorf