Gleichstellung im Beruf
12.01.2021 GesellschaftFrauen zur Stimmungsverbesserung im Betrieb?
Zum Interview «‹Man muss bald übers Personal diskutieren›» in der «Volksstimme» vom 7. Januar, Seite 5
Als 13-jährige Schülerin fragte ich bei der Baselbieter Polizei an, ...
Frauen zur Stimmungsverbesserung im Betrieb?
Zum Interview «‹Man muss bald übers Personal diskutieren›» in der «Volksstimme» vom 7. Januar, Seite 5
Als 13-jährige Schülerin fragte ich bei der Baselbieter Polizei an, was ich tun könne, um Polizistin zu werden. Das sei nicht möglich, so die ernüchternde Antwort. Ich könne als Frau höchstens Polizeiassistentin werden und den Männern bei Einsätzen mit Frauen und Kindern behilflich sein. Heute, rund 35 Jahre später, sagt der amtierende Baselbieter Polizeikommandant, dass er Frauen in der Polizeiarbeit bei einer «gewissen Art von Einsätzen» wichtig findet. Er attestiert uns Frauen in speziellen Bereichen Fähigkeiten, die bei uns besser ausgeprägt seien als bei Männern. Das klingt nett und Oberst Burkhard gehört wohl zur Kategorie der Männer, die solche Aussagen «nicht böse» meinen. Aber damit wird er den Frauen nicht gerecht. Wir sollten in den vergangenen 35 Jahren doch einen Schritt weitergekommen sein und einsehen, dass Frauen keine Spezialkräfte sind, sondern Menschen mit Stärken und Schwächen und individuellen Fähigkeiten.
Frauen wollen einfach ihren Job machen. Frauen müssen auch nicht besonders gut oder sogar besser sein als Männer, auch nicht in sogenannten Männerdomänen. Wir repräsentieren die Hälfte der Bevölkerung und sind genauso durchschnittlich oder überdurchschnittlich gut wie Männer. Das sollte reichen. Sogar bei der Polizei. Herr Burkhard meint zudem, dass mit Frauen ein besseres Betriebsklima herrsche. Auch das ist sicher nett gemeint. Weniger nett ist es, wenn betont wird, dass Frauen gerade deshalb willkommen sind. Es ist verletzend, als vollwertige Arbeitskraft zur Stimmungsheberin degradiert zu werden. Studien in Deutschland zeigen zudem, dass in Betrieben mit «Männerklima» oft auch Männer unglücklich sind. Sie haben es ebenfalls satt, irgendwelchen veralteten Stereotypen entsprechen zu müssen, um ihren Job zu machen oder in eine höhere Position aufzusteigen. Zur Problemlösung sind konkret eine andere Haltung von Führungskräften und der Einbezug von Expertinnen und Experten notwendig. Es wird nicht reichen, einfach ein paar Frauen als «Sonnenscheinchen» einzustellen.
Um noch auf das vom Polizeikommandanten angesprochene Militär zu kommen: Ich war selber einige Jahre in der Armee, in der Miliz zuletzt als Kommandantin einer reinen Männerkompanie. Gemäss Herrn Burkhard führen Frauen im Militär «automatisch zu einem normalen, zivilen Arbeitsumfeld». Diese Aussage ist in zweifacher Hinsicht falsch. Erstens greift die «Sonnenschein-Theorie» auch im Militär nicht, auch da braucht es weitere Massnahmen. Zweitens sind wir auch im zivilen Arbeitsleben scheinbar noch weit von wirklicher Gleichstellung entfernt. Das zeigen die nett gemeinten Aussagen von Herrn Burkhard.
Barbara Rutsch-Briggen, und Addis Abeba