Rat irritiert mit Zickzackkurs
03.12.2020 Bezirk Liestal, Lupsingen, Wirtschaft, Gemeinden, PolitikEinwohner kritisieren geplante Rückzonung von Gewerbegebiet
Eine Schreinerei aus Liestal will sich in Lupsingen niederlassen und hat dazu zwei Parzellen in der Gewerbezone gekauft. Der Gemeinderat will den Neubau mittels Baustopp verhindern, um sich eine allfällige Rückzonung des Gebiets ...
Einwohner kritisieren geplante Rückzonung von Gewerbegebiet
Eine Schreinerei aus Liestal will sich in Lupsingen niederlassen und hat dazu zwei Parzellen in der Gewerbezone gekauft. Der Gemeinderat will den Neubau mittels Baustopp verhindern, um sich eine allfällige Rückzonung des Gebiets nicht zu verunmöglichen. Dabei hatte er sich noch vor Monaten von diesem Plan distanziert.
Sebastian Schanzer
Für die Liestaler Schreinerei Meier und Meier lief es zunächst ganz gut: Das Unternehmen ist seit Längerem auf der Suche nach einem grösseren Produktionsstandort und wurde in Lupsingen, in der Gewerbezone Mättler am Dorfausgang Richtung Oristal, fündig. Ihr Interesse, an dieser Stelle einen Neubau zu realisieren, teilte die Schreinerei auch dem Lupsinger Gemeinderat mit.
Dieser befasst sich seit 2017 mit der Gesamtrevision des Zonenplans und -reglements Siedlung und hat mit der Gewerbefläche eigentlich ganz anderes vor. Er will prüfen, ob die bestehende Gewerbezone rückgezont werden soll – zugunsten eines Grundstücks in einer anderen Gemeinde in der Region Liestal Frenkentäler Plus. Der Gedanke dahinter: Gewerbeflächen in der Region sollen auf Liestal und die gut erschlossenen Gebiete in den Tälern konzentriert werden. Damit will der Gemeinderat insbesondere dem neuen Raumplanungsgesetz des Bundes gerecht werden, das eine haushälterische Nutzung des Bodens anstrebt. Ein Neubau der Schreinerei wäre nach der Rückzonung des ganzen Gebiets nicht mehr möglich.
Ohnehin sei das von der Schreinerei anvisierte Grundstück nur eingeschränkt nutzbar, weil das eingedolte Langmattbächli durch die Zone verläuft, schrieb der Gemeinderat Anfang Jahr im Amtsanzeiger. Der Gemeinderat befürchtet durch neue Bauten auch eine Beeinträchtigung des Dorf- und Landschaftsbilds von Lupsingen. Auch seien aufgrund der Hanglage grosse Erdbewegungen erforderlich, sollte dort gebaut werden.
Rückzug vom Rückzug
Die Schreinerei liess nach Gesprächen mit der Gemeinde nicht von ihren Bauplänen ab. Der Gemeinderat kündigte in der Folge an, mittels Planungszone einen Baustopp zu verhängen, um sich durch einen Neubau die geplante Rückzonung nicht zu verunmöglichen. Das letzte Wort sollten dann die Einwohnerinnen und Einwohner haben, wenn die Revision des Zonenplans und -reglements im kommenden Juni der Gemeindeversammlung zur Abstimmung vorgelegt wird, wie der damalige Gemeindepräsident Stefan Vögtli im Frühjahr gegenüber der «Volksstimme» sagte.
Gegen den Baustopp wehrten sich die betroffenen Grundeigentümer sowie eine Reihe von Einwohnerinnen und Einwohnern, die im Februar eine Petition einreichten (die «Volksstimme» berichtete). 39 Unterzeichnende forderten vom Gemeinderat, auf den Erlass einer Planungszone zu verzichten. Dieser gab widerwillig nach und kommunizierte dies auch über den Amtsanzeiger seinen Einwohnern.
Die geplante Auszonung blieb indes auf dem Tapet. In einem Mitwirkungsverfahren bis Ende September sollte die Bevölkerung ihre Meinung zum Projekt äussern. Zum Ergebnis schreibt die Exekutive auf der gemeindeeigenen Website kurz und knapp: «Im öffentlichen Mitwirkungsverfahren sowie an der Informationsveranstaltung hat sich gezeigt, dass das Thema Gewerbezone vielseitig diskutiert wird.»
Umso schwerer dürfte es die Schreinerei getroffen haben, als sie Anfang November über die weiteren Pläne des Gemeinderats informiert wurde. Man habe beim kantonalen Bauinspektorat nun doch eine Bausperre für zwei Parzellen im betroffenen Gewerbegebiet beantragt.
Blöd für den Unternehmer: Diese beiden Parzellen hatte er unterdessen über seine Immobilienfirma gekauft, in der Annahme, das Bauprojekt ungestört realisieren zu können. Das entsprechende Baugesuch ist bereits im Amtsblatt publiziert worden, die Bauprofile sind auf dem Grundstück installiert.
Das erneute Umschwenken der Lupsinger Exekutive sorgt offenbar auch bei der Bevölkerung für Kopfschütteln. «Das Vorgehen des Gemeinderats ist verwirrend und so nicht nachvollziehbar», schreiben einige Einwohner in einem Flugblatt, das im Dorf die Runde macht. Das Gesuch für eine Bausperre beim Kanton solle sofort zurückgezogen und auf den Erlass einer Planungszone verzichtet werden, fordern die Verfasser.
«Gewinn für Dorfentwicklung»
Sie argumentieren, dass die Gemeinde keineswegs zu viel Bauland ausgeschieden habe und deshalb vom neuen Raumplanungsgesetz nicht betroffen sei. Darüber hinaus sei die Ansiedlung von kleineren Gewerbebetrieben und damit verbundene Arbeits- und Ausbildungsplätze ein Gewinn für die Dorfentwicklung. Und: Durch eine Rückzonung fielen hohe Entschädigungsforderungen aller betroffenen Grundeigentümer an. Selbst die Gemeinde vernichte als Eigentümerin von zwei Parzellen im Gewerbegebiet Finanzvermögen von rund 250 000 Franken.
Die Verfasser des Briefs werfen auch die Frage auf, inwieweit die jüngsten Rücktritte der beiden Gemeinderäte Monika Piazza und Urs Zimmermann einen Einfluss auf die Kehrtwende des Gemeinderats hatten.
Zu den Vorwürfen aus der Einwohnerschaft will sich der Gemeinderat auf Anfrage vorerst nicht äussern. An einer Sitzung vor einer Woche hat er darüber hinaus mit allen beteiligten Parteien Stillschweigen über die Angelegenheit vereinbart. Klar ist: Sollte die Zonenplanrevision inklusive Rückzonung im Juni kommenden Jahres vor die Gemeindeversammlung kommen, sind heftige Diskussionen programmiert.