CARTE BLANCHE
01.12.2020 PolitikMoral versus inhaltliche politische Diskussion
Saskia Schenker, Landrätin FDP, Itingen
Wir müssen reden. Mit dem Resultat vom Abstimmungssonntag zur Unternehmensverantwortungsinitiative (UVI) ist es nicht getan. Auch wenn ich sehr ...
Moral versus inhaltliche politische Diskussion
Saskia Schenker, Landrätin FDP, Itingen
Wir müssen reden. Mit dem Resultat vom Abstimmungssonntag zur Unternehmensverantwortungsinitiative (UVI) ist es nicht getan. Auch wenn ich sehr erleichtert darüber bin, dass die Initiative abgelehnt wurde und damit der zielgerichtete indirekte Gegenvorschlag in Kraft tritt.
Vor einem Jahr habe ich am Neujahrsapéro der FDP Baselland Gedanken formuliert, die nach diesem Abstimmungskampf wiederholt werden sollten: «Faktisch geht es heute immer mehr darum, den Staat zu einer Moralkeule zu machen. Diese Art von Instrumentalisierung des Staates nimmt zu, je mehr die Moral von Politikerinnen und Politikern für Selbstdarstellung genutzt wird. Statt kritisch zu bleiben, lassen sich Meinungsmacher hier gerne einspannen.»
Ich habe frühzeitig im Abstimmungskampf meine ablehnende Haltung zur UVI bekannt gemacht. Und frühzeitig erfahren, dass es vielen Initiativbefürwortern nicht um eine sachliche Diskussion, sondern um die Frage von Gut gegen Böse ging. Noch nie habe ich in einem Abstimmungskampf derartige persönliche Angriffe erfahren wie bei der UVI. Es schien, als gäbe es keine Grenzen mehr in der Art und Weise, wie auf den Mann und die Frau gespielt wurde. «Sie machen sich mit Ihrem Nein zur Anwältin von Unternehmen, die von Kinderarbeit profitieren und Flüsse vergiften», wurde mir sogar vom Moderator des «Telebasel»-Talk entgegnet. Ganz zu schweigen von den vielen, zum Teil auch anonymen Kommentaren über diverse Social-Media-Kanäle.
Als Politikerin bin ich mir einiges gewohnt und gleichzeitig nehme ich Kritik ernst. Ich weiss auch, dass ich es nicht allen recht machen kann. Ich finde es wichtig, eine eigene Meinung zu haben und auch bei schwierigen Fragen hinzustehen und zu erklären, weshalb ich diese Meinung vertrete. Auch wenn ich damit in der (vermeintlichen) Minderheit bin. Dass nun aber ein Abstimmungskampf zur alles überbietenden Moralfrage gemacht wurde, in dem die Initiativgegner als «Böse» abgestempelt wurden und es zum Teil fast verunmöglicht wurde, zu sagen, dass man für das gleiche Ziel, aber gegen den Weg der Initiative ist, beschäftigt mich. Unsere Bundesrätin Karin Keller-Sutter hat im Abstimmungskampf festgestellt: «Mich irritiert dieses zunehmend Moralisierende. Moralisch richtig liege immer ich und alle anderen liegen falsch. Dieser neue, selbstgerechte Moralismus hat fast alle Bereiche erfasst.»
Es kann nicht sein, dass eine Seite bei einer politischen Frage für sich beansprucht, moralisch auf der «richtigen» Seite zu sein. Bei politischen Fragen gibt es kein «richtig oder falsch». Es gibt gemeinsame Grundwerte oder anzustrebende Lösungen, die aber auf unterschiedlichen politischen Wegen erreicht werden können.
Ich möchte eine inhaltlich differenzierte Politik, die die Welt nicht einfach in Gut und Böse einteilt, sondern die Komplexität von Themen anerkennt. Ich möchte eine Politik, die versucht, der Stimmbevölkerung differenzierte Antworten zu geben und die versucht, unterschiedliche Meinungen anzuerkennen. Es ist mir wichtig, dass wir unsere Kultur der inhaltlichen Diskussion hochhalten. Hart in der Sache, aber mit persönlichem Respekt gegenüber Andersdenkenden. Darüber müssen wir reden. Jetzt mehr denn je.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.