Lieber handeln statt nur schimpfen
05.11.2020 Anwil, Porträt, Bezirk SissachDas «Fötzele» gehört für Liselotte Mangold Kaufmann zu einem Spaziergang
Liselotte Mangold Kaufmann aus Anwil verbindet ihren Drang nach frischer Luft vier bis fünf Mal pro Woche mit dem Einsammeln von Abfall.
Peter Stauffer
Seit fast zweieinhalb Jahren ...
Das «Fötzele» gehört für Liselotte Mangold Kaufmann zu einem Spaziergang
Liselotte Mangold Kaufmann aus Anwil verbindet ihren Drang nach frischer Luft vier bis fünf Mal pro Woche mit dem Einsammeln von Abfall.
Peter Stauffer
Seit fast zweieinhalb Jahren kehrt Liselotte Mangold mehr oder weniger regelmässig mit einer oder zwei gefüllten Plastiktaschen von ihren Spaziergängen zurück. «Es ist unglaublich, was die Leute alles an den Wegrändern – sei es im Wald oder im freien Feld – liegen lassen oder entsorgen. Ich habe mich entsetzt und genervt, was da alles herumliegt», sagt die seit anderthalb Jahren pensionierte ehemalige Fachverkäuferin Früchte und Gemüse.
Aufgewachsen in einem kleinen Landwirtschaftsbetrieb in Anwil, weiss sie, was es für die Tiere bedeuten kann, wenn sie im Futter geschnetzelte Plastik- oder Aludosenreste mitfressen. Auch Wildtiere sind gefährdet. Sie erkennt es an den oft verbissenen Abfallstücken. Liselotte Mangold entschloss sich, es nicht beim Schimpfen bewenden zu lassen. Stattdessen legt sie selber Hand an und leistet einen Beitrag zu einer sauberen Umwelt.
Seit ihrer Pensionierung verfügt Mangold über mehr freie Zeit und kann ihren Drang nach frischer Luft und Bewegung häufiger ausleben. Vier- bis fünfmal pro Woche geht sie für eine bis zwei Stunden hinaus und zieht ihre Runden rings um Anwil, sei es auf der Hochebene oder beim Spaziergang hinunter ins Tal zu den beiden Weihern. «Es muss nicht immer die gleiche Strecke sein, je nach Lust und Laune wähle ich einen anderen Weg.»
Seit sie während ihren Wanderungen den Kampf gegen Littering ihrer lieben Mitmenschen aufgenommen hat, schaut sie allerdings auch darauf, immer wieder andere Strassen und Strässchen unter die Füsse zu nehmen.
Flaschen, Büchsen, Masken …
Mangold kann nicht sagen, welche Menge an Flaschen, Büchsen, Zigarettenverpackungen und -stummeln, Haushaltsabfällen, Netzen, Plastik in allen Formen und in letzter Zeit viele Masken und Papiertaschentücher – vor allem rings um die Talweiher – sie schon eingesammelt und korrekt entsorgt hat. Gar kein Verständnis hat sie für Hundebesitzer, die den Kot ihrer Tiere zwar in Säcklein einsammeln, diese aber dann am Wegrand deponieren.
Dass wir in einer Überflussgesellschaft leben, zeige sich unter anderem daran, dass oft noch verpackte Lebensmittel wie Orangen oder Salate am Wegrand liegen, sagt Mangold. «Ich lese alles an den Strassenrändern – Hausplätze sind dabei tabu – auf, was nicht hingehört. Ich streife aber nicht durch Wiesen oder Wälder.»
Anfänglich trug die Rentnerin zum Einsammeln der oft auch ekligen Sachen Handschuhe. Nach Ausbruch der Coronavirus-Pandemie schaffte sie sich eine Greifzange an. Anfänglich verpackte ihr Mann Max, der sie hin und wieder auf ihren Wanderungen begleitet, das Sammelgut zusammen mit dem Hauskehricht in die entsprechenden Abfallsäcke und gab es so der Abfuhr mit.
Behörden sind dankbar
Inzwischen kann sie den gesammelten Abfall beim Werkhof abgeben oder deponieren. Dies sei einem besonderen Fund zuzuschreiben, erzählt Mangold: Am Wegrand im Dorf entdeckte sie drei Spritzen. Sie befürchtete, ihr Mann könnte sich beim Verpacken des Abfalls damit verletzen und überlegte, wie sie diese Dinger am besten mitnehmen sollte. Zufällig kam in diesem Moment einer der Gemeinderäte vorbei. Sie fragte ihn um Rat. Bei dem Gespräch erfuhr dieser von ihrer Abfall-Sammlerei. Für den Gemeinderat sei klar gewesen, dass die Frau für ihren Dienst an der Allgemeinheit nicht noch die Deponiegebühren bezahlen soll. Die Behörden sind Liselotte Mangold dankbar für ihren Einsatz.
Auch von fremden Leuten erhalte sie ab und zu positive Rückmeldungen. Allerdings nicht von jenem älteren Ehepaar, das sie beim Wegwerfen eines Papiertaschentuches beobachtet hat. Sie sei dem Mann nachgeeilt und habe ihm mit der Greifzange das Nastuch überreicht und gesagt, er habe da etwas verloren. Wortlos habe er es eingesteckt.
Ganz anders hätten ein paar Jugendliche reagiert, als sie diese bei einem Aussichtsbänklein angetroffen habe und mit ihnen ins Gespräch gekommen sei. Mangold habe ohne grosses Aufheben die herumliegenden Abfälle eingesammelt. Beim nächsten Besuch an dieser Stelle hatten die jungen Menschen ein Glas hingestellt und ihre Zigarettenstummel darin entsorgt: «Man erreicht mehr, wenn man höflich ist.»