Kreativ, frech und etwas verrückt
23.10.2020 AnwilJonas Gass steuert das Hotel Nomad in Basel durch Coronazeiten
Er war noch keine 30 Jahre alt, als der gebürtige Anwiler Jonas Gass Chef des Nomad Design & Lifestyle Hotels in Basel wurde. Heute führt er das Viersternehotel mit Leidenschaft und Ideen durch die Coronazeit. Ein ...
Jonas Gass steuert das Hotel Nomad in Basel durch Coronazeiten
Er war noch keine 30 Jahre alt, als der gebürtige Anwiler Jonas Gass Chef des Nomad Design & Lifestyle Hotels in Basel wurde. Heute führt er das Viersternehotel mit Leidenschaft und Ideen durch die Coronazeit. Ein Besuch.
Robert Bösiger
Basel, mitten in der Coronakrise: Jonas Gass, Direktor des Nomad Design & Lifestyle Hotels in Basel, hält eine Sitzung ab mit der Führung des Hotels. Da für den 15. August keine einzige Zimmerbuchung vorliegt, schlägt Gass kurzerhand vor: «Hey, lasst uns das ganze Viersterne-Hotel samt Belegschaft für einen Tag versteigern.» Das Ergebnis: Am fraglichen Abend findet ein Kunden- und Firmenanlass einer erfolgreichen Basler Unternehmung statt, die bereit gewesen war, 15 000 Franken aufzuwerfen. Ein Erfolg.
Solche Ideen sind typisch für den 32 Jahre jungen Hotelier aus dem Oberbaselbiet, der uns in legerer Kleidung sowie Turnschuhen und mit einem Laptop unter dem Arm im «Nomad» empfängt: Jonas Gass, Heimatort Oltingen, wächst in Anwil auf. Nach der obligatorschen Schulzeit und dem Gymnasium in Liestal mit bilingualer Matur auf Englisch und mit Schwerpunkt Latein absolviert er die Hotelfachschule in Luzern und ein kurzes Studium an der Universität Genf.
Während der Hotelfachschule landet er im «Krafft» am Rheinknie und absolviert Praktika im Service und in der Küche. Dann heuert er im 2-Michelin-Sterne-Restaurant Lampart’s und danach im Jahr 2014 im renommierten Centara Hotel Beach Resort im thailändischen Hua Hin an. Mitte 2015 ist Jonas Gass aber zurück in Basel, um die Hotelfachschule abzuschliessen. Der CEO der Krafft-Gruppe, Franz-Xaver Leonhardt, hatte sich an das junge Talent erinnert und ihn als Mitglied des Projektteams für das neue Hotel «Nomad» geholt. Zwei Jahre später, ab November 2017, ist Gass bereits Direktor des «Nomad» und damit verantwortlich für die Führung von rund 40 Mitarbeitenden und einem Betrieb mit 65 Zimmern und 120 Restaurant-Sitzplätzen.
Das «Rössli» im «Nomad»
«Nein», sagt Jonas Gass auf die Frage, ob es in der Hotelleriebranche üblich sei, so jung an eine führende Stellung zu kommen. «Es war Glück, und ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.» Das laufende, von Covid-19 dominierte Jahr bezeichnet Gass als «aussergewöhnlich und anspruchsvoll». Und als «spannend und faszinierend», weil er und sein Team praktisch täglich mit neuen Situationen konfrontiert seien. Die Kehrseite: Er musste zwangsläufig Mitarbeitende entlassen, die er «gerne hatte».
Dies, seine Liebe zu den Menschen und zu seinem Team, spürt man bei einem Besuch im «Nomad». Bei der Frage, was für ein Chef er sei, schnappt er sich einen vorübereilenden Mitarbeiter und reicht die Frage weiter. Dieser sagt: «Ein wunderbarer und ehrlicher, ein direkter und ein herzlicher. Einer, zu dem man aufschaut und der täglich parat ist, die Herausforderungen anzupacken.» Übrigens: Im «Nomad» sind alle Mitarbeitenden und Gäste per du.
Kurz darauf spaziert eine Frau auf uns zu und grüsst: Es ist Judith Gysin-Schaffner, die Wirtin des «Rössli» in Zeglingen. Bald stellt sich heraus, dass sie morgen für einen Tag die «Nomad»-Küche samt Personal übernehmen wird. Dem Wunsch ihres Neffen Jonas habe sie nicht widerstehen können, sagt sie. Auf den Tisch kämen morgen Abend alles «Rössli-Klassiker». Die Welt ist klein …
Talentförderer und Innovator
Dass Jonas Gass ein Mann mit Visionen und teilweise schrägen bis unkonventionellen Ideen ist, konnte in der Szene nicht unbemerkt bleiben. So durfte er im vergangenen November den Tourismuspreis «Milestone» in der Kategorie «Nachwuchs» in Empfang nehmen. Unter anderem wurde er von der Branche dafür geehrt, dass er zusammen mit drei Gleichgesinnten das Zwischennutzungsprojekt «100 Tage Restaurant Warschau» beim Basler Bahnhof aufgezogen hatte. Unnötig zu erwähnen, dass das Pop-Up-Restaurant zu einem grossen Erfolg wurde. Für dieses und möglicherweise weitere Projekte im Bereich Zwischennutzungen und Gastronomiekonzepte wurde die «Frohsinn Florida GmbH» gegründet.
Ebenfalls Schlagzeilen generierte die Eröffnung des Betriebs «Silo Soulfood, Hostels & Meetings» in Basel. Im Silo sind es ausschliesslich junge, talentierte Berufsabgängerinnen und -abgänger aus der Hotellerie und Gastronomie, die hier ihre Chance erhalten und maximal für zwei Jahre angestellt sind. Selbstredend, dass auch da Jonas Gass als eine treibende Kraft des Projekts zeichnet.
Früher diente das Silo-Lagerhaus der Basler Lagerhausgesellschaft dazu, Getreide und Kakaobohnen aufzubewahren. Jetzt ist es ein Hotel mit 10 Vierbettzimmern sowie 10 Doppelzimmern. Geführt wird das Silo Soulfood von der Silo by Talent GmbH; dahinter steckt der Verein Talent, der unter anderem Leute aus dem Gastro- und Hotelleriebereich vereint. «Wir wollen jungen Leuten eine Chance geben, nach der Lehre zu zeigen, was sie können», sagt Jonas Gass.
Freude an Menschen
Nach Angaben von Gass läuft es im «Nomad»-Restaurant langsam wieder besser, nachdem im Lockdown fast nichts mehr gegangen sei. Die Hotellerie hingegen bleibe «extrem anspruchsvoll», sagt er. Und fügt an: «Ich will nicht jammern. Aber wir brauchen eine gehörige Portion Durchhaltevermögen.»
Davon hat Jonas Gass genug. Und – dies kommt ihm jetzt zugute: Er hat weitere Fähigkeiten, um seinen Betrieb durch die schwierige Zeit zu lotsen. «Kreativität hilft», sagt er. Zusätzlich brauche es auch Leidenschaft und die Freude an den Menschen. Und ja, hilfreich könne auch sein, «etwas frech, verrückt und kreativ» zu bleiben.
So wie er eben.