Bachem baut im grossen Stil aus
06.10.2020 Bubendorf, WirtschaftDer Hauptsitz wird zum Campus erweitert
Die Wirkstoffherstellerin Bachem AG hat an ihrem Hauptsitz in Bubendorf einen bedeutenden Ausbau eingeleitet. Die Produktionskapazität soll längerfristig verdoppelt und die Mitarbeiterzahl stark gesteigert werden. Wir haben Bachem-Gründer Peter ...
Der Hauptsitz wird zum Campus erweitert
Die Wirkstoffherstellerin Bachem AG hat an ihrem Hauptsitz in Bubendorf einen bedeutenden Ausbau eingeleitet. Die Produktionskapazität soll längerfristig verdoppelt und die Mitarbeiterzahl stark gesteigert werden. Wir haben Bachem-Gründer Peter Grogg und Standortleiter Beat Sax zum Gespräch getroffen.
David Thommen
Die 1971 in Liestal gegründete und längst in Bubendorf ansässige Bachem AG stellt für Pharmafirmen Wirkstoffe für eine Vielzahl von Medikamenten her. Spezialisiert hat sich das Unternehmen auf synthetische Peptide – auf den Aufbau von Aminosäuren zu komplizierten Proteinen, die körpereigenen Substanzen stark ähneln und daher häufig ohne grosse Nebenwirkungen Heilung bringen. Bachem erforscht die Heilmittel also nicht, sondern hat sich ganz der Herstellung derselben verschrieben.
Die Bubendörfer produzieren Wirkstoffe gegen Krebs, Osteoporose, Diabetes, Alzheimer und vieles andere mehr. Verabreicht werden die Medikamente so gut wie nie in Pillenform: Peptide sind Eiweisse, die im Magen zerstört und damit ihre Wirksamkeit verlieren würden.
«Auf der Medikamentenschachtel steht nie Bachem drauf, aber häufig ist in Medikamenten Bachem drin», sagt Peter Grogg, der heute 78-jährige Gründer und Ehrenpräsident des Unternehmens. Dies gelte vor allem für Medikamente, bei denen die Wirkstoffherstellung «hochgradig schwierig und ausgesprochen aufwendig ist», wie Beat Sax, der Standortleiter in Bubendorf, ergänzt.
Herausforderndste Projekte
Eine Erfolg versprechende Medikamenten-Antwort auf die derzeitige Covid-19-Pandemie dürfte genau in diese «Schwierig-Kategorie» passen. Rund zehn Projekte zur Herstellung von Wirkstoffen – ob als Therapeutikum oder als Impfung – laufen derzeit schon bei Bachem, eines davon in Zusammenarbeit mit der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA. «Ist etwas sehr kompliziert, klopfen fast alle Pharma- oder Biotechfirmen früher oder später bei uns an», sagt Grogg. Und weiter: «Bei der Peptidchemie sind wir Weltmarktführer. Wir können auch herausforderndste Projekte stemmen.» Das hebe das Unternehmen von der Konkurrenz ab.
Bachem ist eine der ganz wenigen Peptid-Spezialisten der Welt – und ist in der Lage, von wenigen Milligramm bis zu mehreren Hundert Kilogramm Peptidwirkstoff herzustellen. «Es gibt Substanzen, die bei einem Patienten im Millionstelgrammbereich schon hochwirksam sind. Manchmal reicht ein Kilogramm eines Wirkstoffs aus, um damit den Bedarf des ganzen Weltmarkts zu decken», sagt Grogg. Daneben gibt es aber natürlich auch grössere Poduktionsmengen wie etwa beim Wirkstoff für das Brustund Prostatamedikament Zoladex, das Bachem exklusiv für den Pharmakonzern AstraZeneca herstellt. Wenn für andere Wirkstoffe ganz grosse Mengen und grosse Produktionsanlagen benötigt werden, wie dies beim Narkosemittel Propofol der Fall ist, weicht Bachem an andere Standorte aus – im konkreten Fall ins Wallis. Müssen grosse Mengen Lösungsmittel zugeführt werden, ist aus Gründen der Transportsicherheit ein Bahnanschluss von Vorteil; in Bubendorf, wo die Strassen häufig verstopft sind, gibt es einen solchen nicht.
Gross dimensionierter Ausbau
Bachem mit seinen weltweit knapp 1500 Angestellten und einem Jahresumsatz von rund 310 Millionen Franken (2019) ist mit der Wirkstoffherstellung seit Jahrzehnten ausgesprochen erfolgreich. Bei «Wikipedia» ist von einem «stürmischen Wachstum» des Pharmazulieferers die Rede, auch was den Wertzuwachs an der Börse betrifft. Dieser Erfolg löst nun einen auch von aussen gut sichtbaren Wachstumsschub in Bubendorf aus: Geplant ist ein gross dimensionierter Ausbau auf dem bisherigen Tiba-Areal auf der gegenüberliegenden Strassenseite des bestehenden Bachem-Geländes.
Die Breiten Immobilien AG, eine Gesellschaft innerhalb der Ingro Finanz AG, die der Familien-Holding von Peter Grogg gehört, hatte der Tiba das Land vor mehreren Jahren abgekauft; Tiba ist seither nur noch zur Miete dort. Jetzt, da die Firma, die vor allem mit ihren Holzöfen bekannt geworden ist, ihren neuen Sitz in Liestal baut und bald wegzieht, kann Grogg dort für die Bachem einen grossen Neubau realisieren. Zusätzlich werden einige bestehende Altbauten mit guter Bausubstanz für die Zwecke der Bachem umgenutzt. Bauherrin ist die Breiten Immobilien AG, die Bachem wird sich später dort einmieten.
Alleine im geplanten mächtigen Neubau, der aus drei auf der Rückseite verbundenen Blöcken besteht und später bei anhaltendem Wachstum auf fünf Blöcke erweitert werden könnte, sollen rund 400 Büroarbeitsplätze untergebracht werden. Zusammen mit den Büros in den umgenutzten Altbauten dürften es alleine auf dem neuen «Breiten-Areal» bis in einigen Jahren rund 600 Bachem-Arbeitsplätze sein.
Man werde viel investieren, um den Mitarbeitern ein angenehmes Arbeitsumfeld zu bieten, sagt Grogg. Geplant ist – neben einer Kantine mit 400 Plätzen – ein «Culinarium» mit einem vielfältigen Essensangebot, und auch eine Kinderkrippe für die Mitarbeiter wird es geben. Dazu werden Begegnungszonen geschaffen, in denen der spontane Austausch unter den Mitarbeitern möglich sei.
«Man kann von einem Campus sprechen», sagt Grogg. Ein solches Umfeld mache den Arbeitsplatz bei Bachem attraktiver, was bei der Rekrutierung von hoch qualifizierten Mitarbeitern hilfreich sei. Die Planung des Campus kommt von der Liestaler Furler + Partner Architektur AG, die von Beginn weg alle Bachem-Bauten in Bubendorf realisiert hat.
Längst begonnen wurde mit dem Bau eines Parkhauses auf dem neuen Areal. 400 Parkplätze werden dort bereits im November zur Verfügung stehen. Bald schon soll mit einer zweite Bauetappe mit weiteren 500 Abstellplätzen begonnen werden. Vorgeschrieben ist dafür wiederum eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die derzeit läuft. Viele Mitarbeiter seien auf das Auto angewiesen, um an den Arbeitsplatz in Bubendorf zu gelangen, sagen Grogg und Sax. Immerhin rund ein Drittel der mehr als 900 Mitarbeitenden in Bubendorf kommt täglich aus Deutschland.
Trennung von Büro und Chemie
Dank der neuen Büroarbeitsplätze und der Parkhäuser auf dem ehemaligen Tiba-Gelände gewinnt die Bachem auf ihrem angestammten Areal Platz, um die Produktionsfläche deutlich zu vergrössern. Die Rede ist längerfristig von nicht weniger als der Verdoppelung der Kapazität. Unter anderem geplant ist ein neues Gebäude auf einem heute als Parkplatz genutzten Areal ausgangs Bubendorf in Richtung Ziefen. Letztlich, so Sax, solle der ganze «Chemieteil» der Bachem, also die Produktion von Wirkstoffen, auf dem Areal zwischen Hinterer Frenke und Hauptstrasse angesiedelt sein, reine administrative Arbeitsplätze sollen sich hingegen nur noch auf der gegenüberliegenden Strassenseite befinden. Wie viel Geld die Breiten Immobilien AG für die Büroarbeitsplätze und wie viel die Bachem für den Ausbau der Produktionsgebäude in die Hand nehmen wird, wollen Grogg und Sax nicht beziffern. So richtig teuer seien ohnehin nicht die Gebäude, sondern das hoch technisierte Equipment – wie ganz spezielle Reaktoren – in den Produktionsräumlichkeiten.
Mit dem Ausbau auf beiden Strassenseiten schafft die Bachem mittelund längerfristig viele neue Arbeitsplätze. Auf Etappenschritte wollten sich Grogg und Sax bei unserem Gespräch nicht festlegen, dies hänge vom Geschäftsgang ab. Im Endausbau allerdings dürften in Bubendorf bis zu 2000 Mitarbeiter tätig sein. Dem Standort mit heute weniger als 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht also ein eindrückliches Wachstum bevor. Danach, so Grogg, sei Bubendorf ausgeschöpft und man werde die Expansion anderswo vorantreiben müssen.
Bachem wird in den kommenden Jahren in Bubendorf die Produktion vergrössern und somit den Hauptsitz in der Schweiz stärken. Dazu gehört, dass ein Grossteil der zentralen Dienstleistungen für alle Bachem-Produktionsstätten (u. a. in den USA und in England) von Bubendorf aus erbracht werden, zum Beispiel die IT. Grogg: «Bei uns herrscht generell die Tendenz, längerfristig mehr in der Schweiz als im Ausland auszubauen.»
Gutes Bildungsumfeld
Also ein klares Bekenntnis zum Werkplatz Schweiz? «Ganz eindeutig», sagt Grogg. «Der Grund ist einfach: Zwar haben wir hier die teuersten Arbeitsplätze mit den höchsten Löhnen, dafür finden wir hier die produktivsten und fachlich kompetentesten Leute.» Peptidchemie werde an mehreren Unis in der Schweiz und in Süddeutschland gelehrt. Standortleiter Beat Sax (61), der seit 38 Jahren für die Bachem tätig ist, ergänzt: «42 Prozent unserer Mitarbeiter haben einen Uni- oder einen Fachhochschulabschluss.» Beispielsweise sei es in den USA deutlich schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden. Und dabei gehe es nicht nur um Akademiker, sondern auch um Mitarbeiter mit einer soliden Berufslehre samt Weiterbildung. Stimme die Innovation und die Qualität, seien die Kunden bereit, auch einen höheren Preis zu zahlen, sagen Grogg und Sax.
Allerdings findet Grogg nicht nur warme Worte für den Werkplatz im Oberbaselbiet: «Der Kanton Baselland ist steuerlich leider sehr unattraktiv.» Er selber hat seinen Wohnsitz längst weg von Bubendorf in die Innerschweiz verlegt. Allerdings nicht nur wegen der Steuern, wie er sagt. Die Nähe zum Flughafen Zürich und zum Tessin, wo er sich häufig aufhalte, hätten beim Entscheid mitgespielt.
Peter Grogg, der die Bachem gross gemacht hat, hat sich schon vor mehreren Jahren aus dem Bachem-Verwaltungsrat zurückgezogen. Eine Aktienmehrheit von 61 Prozent hält er aber nach wie vor, und das werde auch so bleiben. Irgendwann werde seine ältere Tochter Nicole Grogg Hötzer, eine Biologin, seinen Platz einnehmen. Auch bei weiteren Firmen wie der Sunstar-Gruppe mit ihren zehn Hotels hat sich Peter Grogg aus dem Verwaltungsrat zurückgezogen, ebenso hat er das Verwaltungsratspräsidium des kürzlich aufwendig sanierten Hotels und Restaurants Bad Schauenburg in Liestal in andere Hände gelegt. Alle seine Unternehmen seien auf gutem Weg, weshalb ihm der Rückzug leichtfalle, sagt er. Indessen hätten es die Hotelbetriebe wegen der Coronakrise derzeit etwas schwer, doch das gleiche er finanziell aus. Schliesslich profitiere Bachem auf der anderen Seite tendenziell von Corona.
Eine Frage noch, Herr Grogg: Was eigentlich heisst «Bachem»? «Es ist die Abkürzung von ‹Basel Chemie›», sagt er und lacht. Als er den Firmennamen seinerzeit erfunden habe, sei ihm nicht bewusst gewesen, dass es in Deutschland Bachem als Geschlechtsnamen gibt, ja sogar ein Dorf und ein Wein hiessen so. Gestört habe das nie, sagt Grogg. Ist im Zusammenhang mit Medikamenten von Bachem die Rede, sei weltweit jegliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen.