Ortsmuseum mit neuen Perspektiven
03.09.2020 ReigoldswilPaul Aenishänslin
Als der Junggeselle Johann Rudolf Plattner, genannt «Feldruedi», im Jahr 1978 mit 93 Jahren als Junggeselle starb, vermachte er das halbe Bauernhaus «zum Feld», in dem er ein Leben lang gewohnt hatte, der Realschule Reigoldswil. Diese gründete schon ...
Paul Aenishänslin
Als der Junggeselle Johann Rudolf Plattner, genannt «Feldruedi», im Jahr 1978 mit 93 Jahren als Junggeselle starb, vermachte er das halbe Bauernhaus «zum Feld», in dem er ein Leben lang gewohnt hatte, der Realschule Reigoldswil. Diese gründete schon 1979 die Johann-Rudolf-Plattner-Stiftung mit der Absicht, aus dem unteren Teil des 1765 gebauten Bauernhauses mit Scheune und Stall ein Ortsmuseum zu machen. 1983 öffnete dieses in der Wohnung des Stifters im Erdgeschoss seine Pforten. Seither kann es jeden ersten Sonntag im Monat am Nachmittag besucht werden. Coronabedingt ist dieses Ortsmuseum dieses Jahr geschlossen. 2021 soll es wieder öffnen, wie der Kurator Rémy Suter sagt.
Ende Juli konnten nun die Johann-Rudolf-Plattner-Stiftung dank eines vom Regierungsrat Baselland bewilligten Zuschusses von 200 000 Franken aus dem Swisslos-Fonds und eines Vorschusses der «Gesellschaft zum Feld», des Gönnerklubs des Ortsmuseums, in der Höhe von mehreren Zehntausend Franken, auch den oberen Teil dieses Bauernhauses «zum Feld» erwerben. Damit eröffnen sich neue Perspektiven für dieses Ortsmuseum, das in anschaulicher Weise zeigt, wie die Reigoldswiler im 19. Jahrhundert gelebt haben.
Ein Gang durch die museale Wohnung des Johann Rudolf Plattner im Erdgeschoss des Hauses, die seit seinem Tod fast unverändert geblieben ist, versetzt den Besucher in die Zeit vor 1900. Zuerst betritt er die gute Stube, in der er den Kachelofen und ein Porträt des «Feldruedi» von Fritz Pümpin bewundern kann. An der rechten Wand hängen zahlreiche Jagdtrophähen des letzten Bewohners.
Frische Forellen für die Städter
Dann betritt man die urtümliche Küche, in der der uralte Herd noch mit Holz befeuert wird. Das letzte Zimmer im Erdgeschoss wird zu einem grossen Teil von einem noch voll funktionstüchtigen Hauswebstuhl eingenommen, der dem Posamenter im Fünflibertal mit Heimarbeit ermöglichte, für die Basler Seidenfabrikanten schöne Seidenbänder herzustellen. Wie Suter erklärt, hatte Johann Rudolf Plattner gleichzeitig eine Vielzahl von Berufen: Als gelernter Drechsler war er vor allem selbstversorgender Kleinbauer, daneben leidenschaftlicher Jäger, und er fing in der Hinteren Frenke die Fische für das Restaurant Sonne im Dorf. Dort wurden die Forellen von den Städtern verzehrt, die auf der Suche nach gesunder, reiner Luft im Jura waren.
Wie sehen nun die Ausbaupläne für dieses Ortsmuseum in Reigoldswil aus? Wenn die Einwohnergemeinde Reigoldswil den Vorschuss der «Gesellschaft zum Feld» im kommenden Jahr zurückbezahlt haben wird, werden diese Mittel frei für weitere Renovationen. Sobald weitere Mittel durch Gönnerbeiträge zusammenkommen, sind zwei Grossprojekte vorgesehen: erstens die sanfte Renovation der Wohnung im ersten Stock, die in verkleinerter Ausführung weiter vermietet werden soll, neben der Schaffung eines multifunktionalen Raums, auch in der ersten Etage, beispielsweise für den Empfang von Schulklassen.
Zweitens soll der Scheunenteil des Bauernhauses neu einen grossen, multifunktionalen Raum beherbergen, der für Theateraufführungen, Lesungen, Konzerte und Kunstausstellungen genutzt werden kann. Es fehlt also nicht an guten Ideen und Projekten, die allerdings von einer künftigen Finanzierung abhängig sind. Aber immerhin: Dank des nun erfolgten Vollerwerbs des Bauernhauses «zum Feld» durch die Johann-Rudolf-Plattner-Stiftung sind ehrgeizige Pläne und Projekte in der Zukunft erst möglich. Es ist zu hoffen, dass sie sich dereinst realisieren lassen, zum Wohl des kulturellen Lebens im Fünflibertal.
Apropos: Woher kommt eigentlich der Begriff Fünflibertal? Kurator Suter erklärt: «Als im 19. Jahrhundert das Papiergeld eingeführt wurde, beharrten die Posamenter im Reigoldswiler Tal darauf, weiterhin mit silbernen Fünflibern bezahlt zu werden. Sie misstrauten dem Papiergeld. Die Basler Seidenfabrikanten fügten sich widerstrebend diesem Wunsch, nachdem die Posamenter erst mit Streik gedroht hatten. Daraus entstand der Ausdruck ‹Fünflibertal›.»