Ein Leben für die Gitarre
15.09.2020 SissachVirtuose Gitarrenmusik von Lorenzo Micheli in der Oberen Fabrik
Der Italiener Lorenzo Micheli beherrscht die Gitarre wie nur wenige. Mit Kompositionen von Chopin und anderen Meistern hat er das Publikum am «Klanglichter»-Konzert in der Oberen Fabrik ...
Virtuose Gitarrenmusik von Lorenzo Micheli in der Oberen Fabrik
Der Italiener Lorenzo Micheli beherrscht die Gitarre wie nur wenige. Mit Kompositionen von Chopin und anderen Meistern hat er das Publikum am «Klanglichter»-Konzert in der Oberen Fabrik fasziniert.
Thomas Lüthi
Die Gitarre ist fast wie ein Mensch gebaut: unten der Klangkörper, der sogenannte Korpus, dann kommt der lange Hals und zuoberst ist der Kopf mit den Wirbeln, mit denen die Saiten gespannt werden. Beim Gitarristen Lorenzo Micheli hatte man das Gefühl, er spiele nicht einfach auf seinem Instrument, sondern er kommuniziere mit ihm – wie mit einem Menschen, geduldig, liebevoll, aber fordernd. Das Produkt dieses innigen Dialogs zwischen Künstler und Instrument war eine grandiose Gitarrenmusik, wie es sie nicht oft live zu erleben gibt – schon gar nicht in Sissach.
Der Künstler aus Mailand holte aus seiner klassischen Gitarre alles heraus, was er ihr abverlangte. Und das war nicht wenig. Der 45-jährige Musiker spielte am ersten «Klanglichter»-Konzert seit dem Corona-Lockdown in der Oberen Fabrik feinfühlige Gitarrenmusik aus Kompositionen von Frédéric Chopin (1810-1849), des italienischen Komponisten und Pianisten Mario Castelnuovo-Tedesco (1895- 1968), des französischen Komponisten, Malers und Dichters Georges Migot (1891-1976) und von anderen Meistern. Als Zugabe gab es Feinkost von Johannes Brahms (1833-1897).
Im Saal der frisch herausgeputzten Oberen Fabrik mit neuer Bar war es während der kurzen Pausen in den Stücken still wie in einem Grab, man hätte eine Stecknadel auf den Boden fallen hören. Allein die vielfältige, teils melancholische, dann wieder fröhliche oder bizarre Musik durchdrang den Raum und bot den rund 100 Gästen höchsten Musikgenuss. Micheli entlockte der Gitarre selbst dann noch die feinsten Klänge, wenn er nur am Gitarrenhals die Saiten bearbeitete, ohne diese unten am Klangkörper zu zupfen. Und alles spielte er auswendig, bis auf eine kleine Ausnahme.
Erinnerungen an frühere Jahre
Einige Konzertbesucherinnen und -besucher erinnerten sich an ihre früheren Jahre, als sie selbst noch Gitarre spielten und Lagerlieder begleiteten oder Familienfeste musikalisch umrahmten. Aber kaum dürften sie sich dabei die Fingernägel gefeilt haben, wie es Lorenzo Micheli tat, damit er stets das Maximum aus der Gitarre herausholen konnte.
Der mehrfache Gewinner von renommierten Musikwettbewerben lebt für die Gitarre und ist viel unterwegs. In den vergangenen 20 Jahren hat er in 25 europäischen Ländern gespielt, in über 200 Städten der USA und Kanadas ist er bisher aufgetreten, er war an Konzerten in Australien, Asien und Südamerika. Diese Woche gastiert Lorenzo Micheli wieder in Deutschland, die Woche darauf in Finnland.
Endlich wieder ein Konzert
«Klanglichter»-Intendantin und Pianistin Paola De Piante Vicin zeigte sich erleichtert, nach der Corona-Zwangspause endlich wieder zu einem klassischen Konzert in der Oberen Fabrik begrüssen zu dürfen. «Wenn wir Musiker nicht mehr spielen können, fehlt ein Teil unseres Lebens», sagte sie. Lorenzo Micheli ist ein Studienkollege von ihr. Die beiden haben gemeinsam an der Musikhochschule Basel studiert.
Die akustische Gitarre (im Gegensatz zur E-Gitarre) ist seit Jahren das Instrument, das – nach dem Klavier – an den Jugendmusikschulen der Schweiz am meisten gewählt wird. Wer bisher geglaubt hat, die Gitarre sei relativ einfach zu spielen, hat am Konzert in Sissach ganz neue Dimensionen dieses Instruments kennengelernt.
Das nächste «Klanglichter»-Konzert in der Oberen Fabrik ist am 28. November 2020.