Von Nebel und dunklen Wäldern
18.08.2020 ReigoldswilBeat Ermel
Der Verschönerungsverein Reigoldswil und die «Gesellschaft zum Feld» haben sich zum Ziel gesetzt, mittels Exkursionen die Ortsgeschichte in Erinnerung zu rufen und vor dem Vergessenwerden zu bewahren. Bereits stattgefunden haben die Anlässe zum 50. Todestag ...
Beat Ermel
Der Verschönerungsverein Reigoldswil und die «Gesellschaft zum Feld» haben sich zum Ziel gesetzt, mittels Exkursionen die Ortsgeschichte in Erinnerung zu rufen und vor dem Vergessenwerden zu bewahren. Bereits stattgefunden haben die Anlässe zum 50. Todestag des Künstlers Jakob Probst, zu den ehemaligen Tavernen und Beizen im Dorf sowie zum alten Gewerbe entlang der Hinteren Frenke. Nun ist am 4. September die nächste Exkursion angesagt, nämlich ein Abendspaziergang zur Ruine Rifenstein.
Im Hinblick auf diesen Anlass hat sich die «Volksstimme» mit dem Kultur- und Lokalhistoriker Rémy Suter am Start des Rifenstein-Sagenwegs beim Reigoldswiler Dorfmuseum «im Feld» getroffen und den Weg schon einmal unter die Füsse genommen.
Suter weiss zum Fundus des Dorfmuseums, zur Entstehung der Sagen und Anekdoten so einiges zu erzählen. Das älteste Standardwerk, «Volkssagen aus dem Kanton Baselland» aus dem Jahr 1874, stammt von Johann Georg Lenggenhager, Pfarrer aus Ormalingen. Es folgten die «Sagen aus Baselland» des Lehrervereins aus den 1930er-Jahren, illustriert mit Holzund Bleischnitten von Walter Eglin, und schliesslich das umfassende Werk «Baselbieter Sagen» von Paul Suter und Eduard Strübin aus den 70er-Jahren. In vielen Fällen seien die Verfasser an die Schulmeister gelangt, die dann ihrerseits die Schüler beauftragten, bei ihren Grosseltern und Eltern nach Sagen zu fragen, diese aufsatzmässig aufzuschreiben und zu zeichnen.
Ein Körnchen Wahrheit
Im Gebiet rund um die Ruine, mit den schroffen Felsen, dem dunklen Wald, Nebelschleiern und mystischen, abgeschiedenen und wildromantischen Orten, haben sich besonders viele Sagen erhalten. Dieses Kulturgut fand seine visuelle Umsetzung im öffentlich zugänglichen Sagenweg. «Der Rundwanderweg, wie er heute besteht, ist am Stammtisch des ehemaligen Restaurants Ryfenstein entworfen worden», sagt Suter. Unter der Federführung des früheren Wirts Roland Tschopp hätten freiwillige Helfer, Holz- und Metallbauer sowie Zeichner die zehn schönsten Rifenstein-Sagen auf Informationstafeln und mittels Skulpturen dargestellt.
Suter kann sich erinnern, dass ihm als Kind die Sage «D Rifestei-Jumpfere» besonders gut gefallen hat:
«Einisch isch en arme Reigetschwyler Burscht uf d Rifesteiflue. Wos süscht alti Muure und Gstrüpp gha het, trifft er e Brunnen a, und dra sitzt e schöni Jumpfere. Die het in gfrogt, öb er nit well ihres Hoor strehle. Dä Burscht het der Strehl in d Hand gno und isch e paar Mol dur das lang, goldig Hoor gfahre. Do ufs Mol hai si die Hoor in läbigi Schlängli verwandlet. Uf das hi isch er verschrocken und het der Strehl lo gheie. Do het die Jumpfere truurig gsait: «Wenn du mi fertig gstrehlt hättisch, weer i erlöst und du schröckli rych worde. Es wird jetz an däm Ort e Tanne wachse. Us deer wird emol e Wagle gmacht und der Erscht, wo drin lyt, cha mi erlöse.»
Suter vermutet, dass die in der Geschichte vorkommenden Schlangen einen Zusammenhang mit dem nachgewiesenen Vorkommen von Vipern im Rifenstein haben könnte. In den Sagen gebe es eben immer ein kleines Körnchen Wahrheit, man müsse es nur finden.
Fantasievoll auch die Sage zur Hängebrücke:
«Zur Zeit, als die Burg noch bewohnt war, führte eine Hängebrücke über das Tal zum gegenüberliegenden Felskopf der ‹Chline Baberte›. Bei einer Belagerung der Burg seien die angreifenden Kriegsleute in grosser Zahl über die Brücke angestürmt, so dass sie unter der Last zusammenbrach.»
Suter erzählt, dass die Idee der einige Hundert Meter langen Hängebrücke eine klassische Fantasie sei. Die Idee stamme möglicherweise aus Erzählungen der Basler Missionare, die von riesigen Hängebrücken in Südamerika berichteten.
Abendspaziergang zur Ruine Rifenstein mit Rémy Suter, Freitag 4. September, 19 Uhr, Treffpunkt beim «Feld» (Dorfmuseum).