Höhepunkte, Helden und Dramen
17.07.2020 Bezirk Sissach, Nusshof, Porträt, Gemeinden, PolitikAlt Gemeindepräsident Paul Richener ist nach 20 Jahren zurückgetreten
Paul Richener blickt nach zwei Jahrzenten als Gemeindepräsident von Nusshof auf viele erfolgreiche Projekte und Geschäfte zurück, auch wenn ihm das eine oder andere schlaflose Nächte bereitet ...
Alt Gemeindepräsident Paul Richener ist nach 20 Jahren zurückgetreten
Paul Richener blickt nach zwei Jahrzenten als Gemeindepräsident von Nusshof auf viele erfolgreiche Projekte und Geschäfte zurück, auch wenn ihm das eine oder andere schlaflose Nächte bereitet hat.
Elmar Gächter
«Wenn ich den Weg in die Kanzlei der vergangenen 20 Jahre Revue passieren lasse, dann kommt es mir vor wie ein Film – ein Film voller Spannung, Höhepunkte, Helden, Heldinnen und Dramen», schreibt Paul Richener im Nusshöfer Mitteilungsblatt zu seinem Rücktritt als Gemeindepräsident. Zwei volle Jahrzehnte sind vergangen, seit der damals erst kurz vorher wieder ins Dorf Gezogene in den Gemeinderat gewählt wurde und gleich das Präsidentenamt übernommen hat.
Dass er an jenen Ort zurückgekehrt ist, in dem er als Verdingkind viele Jahre verbracht hatte, mag erstaunen. «Ich war auch nach meinem erzwungenen Wegzug nach Basel stets mit der Gemeinde verbunden, kam immer wieder zur Kirschenernte ins Dorf», blickt er zurück. 1999 hat er hier an schönster Lage ein Einfamilienhaus gebaut, nur wenig unterhalb jenes Gebäudes, in dem er als Kind und Jugendlicher bei seinen Pflegeeltern gewohnt hatte.
Politik hat ihn zwar interessiert, aber nie so, um selber in die Hosen zu steigen. Bis zum Jahr 2000, als gleich alle drei Gemeinderätinnen ihr Amt zur Verfügung stellten. «Wenn ich zwei Personen finde, mit denen ich mich gut verstehe, wage ich den Schritt», hat er sich gesagt und schon war er Mitglied der neuen Gemeinderats-Crew, und eben von Anfang an deren Präsident. Dem Dorf etwas zurückgeben, so seine Motivation für das Amt, und nicht zuletzt dem Verdikt zuvorkommen, dass Nusshof wegen einer fehlenden Gemeindeexekutive vom Kanton zwangsverwaltet werden müsste, so wie es später dem benachbarten Hersberg widerfahren ist.
Bevölkerungsschub ausgelöst
Richener wurde, wie seine ebenfalls neuen Gemeinderatskollegen, ins kalte Wasser geworfen. «Ohne die Gemeindeschreiberin Doris Bruderer, die viel zu jung gestorben ist, wäre der Einstieg in das Amt kaum möglich gewesen.» Dass es in verschiedener Hinsicht einiges aufzuholen galt, verschweigt er nicht: infrastrukturmässig und in alltäglichen Belangen. «Fast an jeder Ecke stand noch ein Abfallkübel und die Grünabfuhr erfolgte im Wald», nennt er als Beispiele. Auch habe er an verschiedenen Anlässen ausserhalb feststellen müssen, dass Nusshof bei regionalen Gremien kaum eine Rolle gespielt habe.
Richener hat in seinem Rücktrittsschreiben gegen 50 Projekte und Geschäfte während seiner Amtszeit aufgelistet. Vieles sei geleistet worden, unter anderem Bauland erschlossen, was in Nusshof einen kleinen Bevölkerungsschub ausgelöst habe. Noch sehr gut kann er sich an seine erste Gemeindeversammlung im Schulhaus erinnern, als gegen 75 Personen das Schulzimmer sehr eng werden liessen. Eine Beteiligung, auf die andere kleinere Gemeinden neidisch werden könnten. Überhaupt zeigten sich die Nusshöfer interessiert an der Dorfpolitik.
Mehr als einmal kommt Paul Richener auf die Kreisschule zu sprechen, für die er jahrelang gekämpft und die ihm auch einige schlaflose Nächte beschert hat. «Nusshof stand vor der Tatsache, zu wenige Schüler für eine eigene Schule aufzuweisen. Deshalb habe ich den Kontakt zu Wintersingen gesucht, dem es ähnlich erging», so der abgetretene Gemeindepräsident. Es war ein langer Weg, bis im Jahr 2008 die Kreisschule in Wintersingen den Betrieb aufnahm.
Richener macht keinen Hehl daraus, dass der Job nicht nur eitel Sonnenschein gewesen ist: «Gewisse Voten von Einwohnern haben mich schon betroffen gemacht, vor allem, wenn sie einem das Gefühl geben, dass sie es stets besser zu wissen glauben», sagt er. Er habe sich manchmal gefragt, weshalb er sich das antue. Umso mehr freue er sich darüber, dass Projekte wie die Kreisschule dem Gemeinderat die Genugtuung brächten, richtig gehandelt zu haben.
Skeptischer Blick auf die Finanzen
Wichtig war Richener die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden. So habe er sich stets dort für einen engeren Zusammenschluss eingesetzt, wo es für sein Dorf sinnvoll gewesen sei: Feuerwehr, Schule oder Zivilschutz. Dagegen sieht er eine Gemeindefusion – ob mit Wintersingen oder Sissach – weniger: «Wen interessiert es in Sissach schon, wenn bei uns ein Dolendeckel kaputt ist?» Auch sei es zwingend, dass die Einwohner im Dorf über eine eigene Anlaufstelle für ihre Fragen verfügen könnten.
«Nusshof schwimmt nicht im Geld, auch wenn wir uns auf gute Steuerzahler stützen können», spricht Richener die Gemeindefinanzen an. Dem Gemeinderat sei es jedoch gelungen, die Infrastruktur vor allem bei der generellen Entwässerungsplanung voranzutreiben und zu realisieren. Dies habe zwar Geld gekostet, komme der Gemeinde aber heute zugute.
Eher skeptisch zeigt er sich im Hinblick auf die künftige finanzielle Entwicklung. Als klarer Befürworter der Erhöhung des Steuersatzes von 55 auf 60 Prozent musste er an der letzten Einwohnergemeindeversammlung vom Verdikt Kenntnis nehmen, dass der Souverän nur eine solche von 57 Prozent beschlossen hat. Dies beschäftigt ihn noch, auch wenn er sein Präsidentenamt nach langem, erfolgreichem Wirken abgegeben hat.
PAUL RICHENER
emg. Der 71-jährige Paul Richener war von 2000 bis 2020 Gemeindepräsident von Nusshof. Er hat den Beruf des Gärtners gelernt und war 40 Jahre lang Mitarbeiter der Kantonspolizei Basel-Stadt. In der Verkehrsabteilung leitete er das Ressort Verkehrsrecht und dozierte in diesem Fach an der Polizeischule in Hitzkirch. Er ist Präsident des Reiterclubs Sissach, auch wenn er selber nicht auf den Rücken der Pferde anzutreffen ist. Dies im Gegensatz zu seiner langjährigen Lebenspartnerin, die eine leidenschaftliche Reiterin ist. Paul Richener ist begeisterter Koch und erfreut damit zwischendurch auch grössere Gesellschaften mit seiner Affinität zur italienischen und Schweizer Küche.
«Das Wichtigste ist eine gute Verwaltung im Hintergrund»
Herr Richener, wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für Nusshof?
Paul Richener: Wie es mit unserer Melioration weitergeht. Es ist für mich unerklärlich, weshalb die Bevölkerung dem Antrag des Gemeinderats nicht zustimmt. Immerhin könnte Nusshof von der grosszügigen Offerte von Kanton und Bund profitieren, die über 70 Prozent der mehr als 3 Millionen Franken Gesamtkosten übernehmen würden. Kommt hier keine Einigung zustande, sehe ich ein grosses finanzielles Problem auf Nusshof zukommen.
Welches Geschäft hätten Sie noch gerne abgeschlossen?
Ganz klar die Neugestaltung des Dorfplatzes, die aus finanziellen Gründen immer wieder zurückgestellt werden musste. Immerhin ist es mir gelungen, die Elektra Baselland zu überzeugen, dass sie das dortige Elektrohäuschen auf ihre Kosten zurückgebaut hat, nachdem sie zunächst von Kosten von 150 000 Franken zulasten der Gemeinde gesprochen hatte.
Was werden Sie am Amt am meisten vermissen?
Eigentlich nichts. Ich habe mich als Gemeindepräsident nie so wichtig genommen und wollte mich auch hierarchisch nie von meinen Gemeinderatskollegen abheben. Gut, vielleicht reut es mich ein bisschen, dass ich nichts mehr zum Meliorationsprojekt beitragen kann.
Welche Empfehlungen geben Sie Ihrem Nachfolger?
Keine. In das Amt einarbeiten muss sich jeder neue Amtsinhaber ohnehin selber. Mir ging es auch so. Immerhin ist im Gegensatz zu meinem seinerzeitigen Amtsantritt vieles einfacher, da sich der Gemeindebetrieb in der Zwischenzeit längst eingespielt hat. Das Wesentliche ist sowieso, eine gute Gemeindeverwaltung hinter sich zu wissen, so wie ich es in den all den Jahren mit Karin Schweizer und Sabine Gysin erleben durfte.