Frecher Frevel in Privatwald
02.07.2020 Bezirk Sissach, BöcktenChristian Horisberger
Dieser Tag macht Margrit Fiechter heute noch traurig und ohnmächtig. Ein Spaziergang führte die Böckterin vor einiger Zeit wieder einmal zu einem kleinen Waldstück im Gebiet Welschenfohren. Es gehört ihrer Familie, seit sie denken kann. Vor fünf ...
Christian Horisberger
Dieser Tag macht Margrit Fiechter heute noch traurig und ohnmächtig. Ein Spaziergang führte die Böckterin vor einiger Zeit wieder einmal zu einem kleinen Waldstück im Gebiet Welschenfohren. Es gehört ihrer Familie, seit sie denken kann. Vor fünf Jahren ist es ausgelichtet worden. Der Revierförster hatte entschieden, was gefällt werden soll, damit einige Dutzend junge, aufstrebende Buchen Platz und Licht haben, um zu gedeihen.
Was Fiechter bei ihrem Spaziergang vorfand, traf sie mitten ins Herz: Etwa 30 junge Buchen und Tannen waren auf dem privaten Waldstück und in unmittelbarer Umgebung auf Knie- bis Brusthöhe abgesägt worden, die meisten der gerade gewachsenen Stämmchen hatten einen Durchmesser von 5 bis 10 Zentimetern. Dazu wies die Rinde mehrerer älterer, gesunder Bäume teils markante Verletzungen auf.
«Mir kamen die Tränen», sagt die 62-Jährige, als sie mit der «Volksstimme» den «Tatort» wieder betritt. Als Erstes fallen auf dem Waldstück, das kaum grösser als ein halbes Fussballfeld ist, jedoch nicht die abgesägten Bäumchen auf, sondern das, was aus ihnen geworden ist: eine rund 3 mal 3 Meter grosse Plattform, die in einer Höhe von etwa 1,70 Metern angebracht ist. Sie ist an weiteren umstehenden Jungbäumen befestigt und ruht auf einem zentral angebrachten, massiveren Stamm.
Anzeige angedroht
Fiechter deutet auf eine Leiter, die auf der Plattform liegt. Wie die gesamte Konstruktion wurden auch deren Sprossen und Holme mit Paketschnur zusammengeknüpft. Teilweise halfen die Erbauer mit Kabelbindern nach. Unterhalb der Plattform schwankt träge ein weisses A4-Papier in einem durchsichtigen Plastikmäppli im Wind. Ein Brief von ihr an die Verantwortlichen für den Waldfrevel, erklärt Fiechter. «Stopp! Hier darf nicht gebaut werden. Privatwald. Bitte melden oder Anzeige …», steht darauf geschrieben.
Drei Monate hängt der Zettel nun schon da. Gemeldet hat sich niemand. Zu einer Anzeige ist es trotzdem nicht gekommen. Das Grundstück sei unlängst an ihre Schwester übergegangen, sagt Fiechter; diese habe die Polizei nicht beiziehen wollen. Jedoch hat die Entdeckerin des illegalen Tuns den Revierförster informiert, sich bei Leuten im Dorf umgehört sowie die Jäger und den Landwirt, der nahe gelegene Felder bewirtschaftet, gefragt. Ohne Ergebnis: Niemand habe von den Aktivitäten etwas mitbekommen. Die Böckterin geht davon aus, dass die Plattform zwischen Spätherbst und Ende Februar entstanden ist.
Immerhin: Seit Fiechter den Brief angebracht hat, registrierte sie keine weiteren Bautätigkeiten mehr. Trotzdem hat die Bauerntochter, die einst ihrem Vater im Wald beim Holzen half, die Angelegenheit nicht abhaken können. Nicht nur die für sie unsinnige Zerstörung eines Stücks Wald, das sie von Kindesbeinen an kenne, tue ihr weh. Die Unverschämtheit, mit der sich hier jemand an fremdem Eigentum vergangen hat, löst bei ihr Wut und Ohnmacht aus. Sie möchte die Verantwortlichen mit dem der Natur zugefügten Schaden konfrontieren und wünschte sich von ihnen eine Entschuldigung.
Respekt fehlt
Doch rechnet sich Fiechter geringe Chancen aus, jemals diese Genugtuung zu erhalten. Das war denn auch der Grund, weshalb sie sich mit ihrer «bösen Überraschung» an die «Volksstimme» wandte. Es ist ihr ein Anliegen, festzuhalten, dass der Wald der gesamten Bevölkerung als Erholungsgebiet offensteht. Dies würden die Waldeigentümer – ob Bürgergemeinden oder Private – respektieren.
Dieser Respekt beruht zum Bedauern der Naturfreundin offenbar nicht immer auf Gegenseitigkeit: «Bestimmte Menschen kennen keinerlei Grenzen vor lauter ‹ich› und ‹nehmen›. In einer Welt mit immer mehr Menschen mit immer höheren Ansprüchen müssten eigentlich alle sowohl die eigenen Grenzen als insbesondere auch die Grenzen der anderen respektieren.»