MEINE WELT
26.06.2020 GesellschaftDas Kreuz mit dem Mohren
Ein Wirt im Oberaargau hat Probleme mit dem Namen seines Betriebs. Der bereits im Mittelalter namentlich erwähnte Gasthof heisst Mohren und zeigt einen Mohren, das Zunftwappen der Tuchhändler, im Wirtshausschild. Nach nur knapp 700 Jahren ...
Das Kreuz mit dem Mohren
Ein Wirt im Oberaargau hat Probleme mit dem Namen seines Betriebs. Der bereits im Mittelalter namentlich erwähnte Gasthof heisst Mohren und zeigt einen Mohren, das Zunftwappen der Tuchhändler, im Wirtshausschild. Nach nur knapp 700 Jahren aber sind Namen und Wappen politisch nicht mehr korrekt, der Gastgeber hat den Betrieb umbenannt. So schnell kann es gehen: Was heute noch nett klingt, kann morgen unerwünscht sein.
Kari, der rasant aufgestiegene und flugs wieder abgestürzte Stern am einheimischen Gastrohimmel, möchte den «Schwarzen Adler» in Garstigen übernehmen. Die Farbe dieses Adlers bereitet ihm allerdings Kopfzerbrechen. Ein Wirtshausschild mit dem Namen eines schwarzen Vogels in Zeiten schwindsüchtiger Mohrenköpfe? Das ginge ja wohl gar nicht! Entweder wird der Adler weiss übertüncht oder aber gleich abgeschossen.
Wie aber könnte er denn nun heissen, der vormalige «Schwarze Adler»? Unbedingt verzichten sollte man auf die Verwendung des eigenen Familiennamens. Wie ärgerlich ist es, wenn man den Betrieb nach einem Vorfahren benennt und dann feststellen muss, dass die Nachfahren aus der Rolle fallen.
Wer wüsste besser darüber Bescheid als Grossvater Hilton! Der alte Paris, Sohn des trojanischen Königs Priamos, kann sich Gott sei Dank nicht mehr darüber ärgern, wenn heute kleine blonde Mädchen nach ihm benannt werden.
Da hat man’s mit den Löwen, Adlern, Bären und den Steinböcken etwas einfacher. Wobei: Mit den Adlern ist’s auch nicht mehr weit her und die Bären sind ja eigentlich ebenfalls unerwünscht. Dann doch vielleicht eine wertneutrale Sonne, einen Sternen oder einen Mond. Der Besitzer eines Hotels oder Restaurants namens Kreuz – die Farbe spielt ausnahmsweise keine Rolle – sollte ebenfalls über einen Namenswechsel nachdenken. Sonst hat er plötzlich eine höllische Crux mit dem christlichen Kreuz.
Natürlich wurde auch ich rassistisch sozialisiert, das Virus hat sich wohl unbemerkt eingenistet. Ob es Kasperli, Schorsch Gaggo oder der Negerhäuptling Krambambuli waren, die mich infiziert haben?
Zurück zum Mohren. «Mohr» ist zunächst nichts anderes als eine veraltete Bezeichnung für Menschen dunkler Hautfarbe. Später entschieden weisse Leute, dass das nicht geht und erklärten den «Mohren» zum Unwort. Es werden wohl die gleichen Menschen sein, die 1933 die Bücher verfemter, angeblich «undeutsch» denkender Autoren verbrannt haben. Waren ihre Vorfahren womöglich schon im 16. Jahrhundert aktiv?
Während der Reformation vernichtete der sogenannte Bildersturm in der Schweiz zahlreiche Kunstwerke, die Kirchen und Klöster zierten. Auf Weisung von Obrigkeiten wurden Gemälde, Skulpturen, Kirchenfenster und andere Bildwerke aus den Kirchen entfernt, teils verkauft oder beschlagnahmt, zerstört oder beschädigt.
Dann auf zur fröhlichen Bücherverbrennung: Weg mit Globi und Krambambuli! Wohin mit Pippi Langstrumpf? Natürlich ins Taka-Tuka-Land! Versenkt die Mohren, oder malt sie weiss an. Dann wird alles wieder gut.
Der Autor, Kolumnist Hanspeter Gsell, lebt seit mehr als 30 Jahren in Sissach.