Damit sich der Silbergrüne Bläuling wohlfühlt
28.05.2020 Anwil, Rothenfluh, Landwirtschaft, Bezirk SissachFrüherer Schnitt von Ökowiesen soll Insekten helfen
Mit der Staffelung der Schnitte erhofft sich die Abteilung Natur und Landschaft des Ebenrain-Zentrums in Sissach, die Insekten besser zu fördern, ohne jedoch dabei die Pflanzenvielfalt zu gefährden.
Elmar ...
Früherer Schnitt von Ökowiesen soll Insekten helfen
Mit der Staffelung der Schnitte erhofft sich die Abteilung Natur und Landschaft des Ebenrain-Zentrums in Sissach, die Insekten besser zu fördern, ohne jedoch dabei die Pflanzenvielfalt zu gefährden.
Elmar Gächter
Biodiversitätsförderflächen bereichern die Landschaft und tragen zur Förderung und zum Erhalt der Artenvielfalt bei. Gemäss der geltenden Bundesverordnung für Direktzahlungen muss der Anteil der Biodiversitätsförderflächen auf jedem Betrieb mindestens 7 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche betragen. Einen ganz wichtigen Part nehmen dabei die sogenannten Ökowiesen ein. Damit die Pflanzen lange blühen und absamen können, darf der erste Schnitt je nach Landwirtschaftszone frühestens am 15. Juni erfolgen.
Werden dann auf einen Schlag diese artenreichen Wiesen grossflächig geschnitten, entsteht eine Blühlücke, die für Insekten problematisch ist. Die Abteilung Natur und Landschaft des Ebenrain-Zentrums für Landwirtschaft, Natur und Ernährung in Sissach untersucht deshalb seit rund einem Jahr an drei Standorten im Oberbaselbiet, wie sich ein Frühschnitt auf die Vegetation auswirken könnte.
Gabriela Hofer leitet als Biologin den «Beobachtungsversuch», wie sie das Experiment mit den drei Ökoflächen in der Tal- und Hügelzone der Gemeinden Anwil und Rothenfluh nennt. Bei zwei Flächen handelt es sich um grasreiche Halbtrockenrasen und bei der dritten um eine artenreiche Wiese, die vor zehn Jahren angesät wurde. An jedem der drei Standorte wird je eine 20 bis 40 Aren grosse Fläche bereits ab 15. Mai geschnitten, der Rest nach dem bisherigen Standard.
«Es gibt keine robusten Zahlen»
Das Projekt ist auf acht Jahre ausgelegt. Auch wenn es in seinem Anfangsstadium steckt und noch wenig Rückschlüsse möglich sind, hält Gabriela Hofer fest: «Der April wäre zur Förderung der Kräuter der ideale Zeitpunkt für diese ‹Vornutzung›, weil zu diesem Zeitpunkt die Gräser schon weit und die Kräuter erst am Kommen sind. Doch Schneiden ist im April oft unattraktiv und je nach Gelände, Witterung und verfügbaren Geräten gefährlich.» Die Möglichkeit, Ökoflächen bereits vor dem 15. Juni zu schneiden, sei im Übrigen nicht neu, mastige Wiesen mit Potenzial für die höhere Biodiversitätsstufe könnten im Baselbiet als «Ausmagerungswiesen» früher geschnitten werden. Das Experiment des Ebenrain-Zentrums wird begleitet von Stefan Birrer, der als Biologe ausgewiesener Insektenkenner ist. Auf die Frage, wie es mit dem Insektensterben steht, meint er: «Es gibt keine robusten Zahlen, weder in der ganzen Schweiz noch bei uns im Baselbiet. In beiden Gemeinden des Frühschnittprojekts kann zwar nicht gerade von einer heilen Welt gesprochen werden, jedoch immerhin von einer gewissen Oase für Insekten.» Als Mitglied der «Arbeitsgruppe Tagfalterschutz Baselland» der
Pro Natura Baselland wisse er, dass an verschiedenen Orten zu spät gemäht werde. Im Gegensatz zum Ebenrain-Zentrum sei die Meinung, je später, desto besser, bei Naturschützern noch weit verbreitet.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des permanenten Klimawandels mit den stets wärmeren Jahren und der schnellen Entwicklung, die im Frühling in den Wiesen abgeht, befürwortet Birrer unter gewissen Bedingungen frühere Schnitttermine. «Als Ergänzung zu den bisherigen», wie er betont. Mit einem früheren Schnitt könne man gewisse Pflanzenarten wie den Hufeisenklee fördern, der wiederum als wertvoll für diverse Schmetterlingsarten gelte. «Wir haben in Rothenfluh den Himmelblauen und den sehr seltenen Silbergrünen Bläuling, der explizit vom Frühschnitt profitieren würde», so der Insektenfachmann.
Gabriela Hofer ist sich bewusst, dass sich die bisherigen Massnahmen etabliert und sich die Landwirte daran gewöhnt haben. «Es ist sicher nicht so, dass der 15. Juni nun plötzlich falsch wäre. Aber man sollte darüber diskutieren, das Ganze ein wenig vielfältiger zu gestalten. Es wäre schade, wenn man wegen Umsetzungsfragen die Biodiversität nicht optimal fördern könnte.» Hoffnung setzt sie im Übrigen auch in die Initiative verschiedener Kantone, die sich zusammengefunden hätten, um schweizweit eine breiter abgestützte Studie zur Vornutzung durchzuführen. «Damit wir mehr darüber wissen, wann eine Vornutzung der Artenvielfalt etwas bringt und wann nicht», so die Biologin.