«Viele brennen wieder aufs Training»

  08.05.2020 Gesellschaft, Sport

Fitness | Manuel Gehrig kann sein Center am Montag wieder öffnen

Sechsstellig sei der Verlust aus den Wochen der verordneten Schliessung bei der «Fitness Factory 24» in Bubendorf. Manuel Gehrig freut sich, dass es am Montag wieder losgeht, die Kunden werden sich aber an Neues gewöhnen müssen.

Sebastian Wirz

Herr Gehrig, am Montag können Sie Ihr Fitnessstudio wieder öffnen. Sind Sie glücklich?
Manuel Gehrig:
Ich bin froh, dass es wieder losgeht. Gleichzeitig bin ich sehr gespannt, wie das Ganze funktionieren wird.

Sie müssen gemäss Schutzkonzept gewährleisten, dass zwischen Ihren Kunden ein Abstand von 2 Metern eingehalten wird. Wie stellen Sie das sicher?
Wir haben die Geräte umgestellt.Wie vom Prüfinstitut QualiCert vorgegeben, haben wir den Zugang zu den Geräten, die Kopfposition sowie die Atemrichtung des Trainierenden berücksichtigt. Das ist recht kompliziert, und die Geräte stehen sehr ungewohnt, aber beim Krafttraining können wir so fast alle zugänglich machen. Beim Kardiobereich sieht es anders aus. Bei den Laufbändern, Crosstrainern und so weiter werden wir jedes zweite Gerät absperren müssen.

Das Konzept von «QualiCert» schreibt vor, nur 80 Prozent der maximalen Auslastung zuzulassen. Werden Sie Kunden an der Tür abweisen müssen?
Bei diesem Punkt mache ich mir keine Sorgen. Wenn ich die 80 Prozent berechne, sind es immer noch 68 Personen, die gleichzeitig trainieren dürfen. Ich weiss von unserem Badge-System, dass wir noch nie mehr als 50 Personen gleichzeitig im Center hatten. Das ist also kein Problem.

Beim Eingang müssen Sie jeden Kunden einen Corona-Fragebogen ausfüllen lassen, um sicherzugehen, dass keine Kranken im Center trainieren. Das dürfte zu Stau führen.
Ja, das wird am Anfang extrem mühsam. Wir werden für jeden Kunden ein paar Minuten brauchen – währenddessen stehen die Wartenden draussen. Dort wird es Linien am Boden geben, wie wir das mittlerweile vom Grossverteiler kennen. Aber wir werden das nicht jeden Tag neu machen: Unsere Mitglieder werden darauf hingewiesen, dass sie die Umfrage einmal ausfüllen und uns danach informieren müssen, falls sich an den Antworten etwas ändert. Die Fragebögen und die Warterei werden für die Kunden schon mühsam genug.

Eine Einweisung von Neumitgliedern stelle ich mir bei 2 Metern Abstand schwierig vor.
Wir sind von den Krankenkassen anerkannt und führen bei jedem Neumitglied einen umfassenden gesundheitlichen Fragebogen aus. Dafür haben wir einen Tisch mit Plexiglasscheibe eingerichtet, das ist also kein Problem. Bei der Einweisung führt der Instruktor die Geräte jeweils vor, auch das geht mit Abstand. Und wenn es nicht anders geht, haben wir Masken und Handschuhe.

Wie schätzen Sie denn Ihre bisherigen Mitglieder ein? Brennen sie darauf, wieder in die «Fitness Factory 24» zu kommen oder werden sie das Center aus Vorsicht noch meiden?
Durch die Massnahmen des Bundesrats und die tägliche Berichterstattung ist die Angst in der Gesellschaft geschürt. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige Senioren mit einem Studiobesuch noch zuwarten werden. Unsere Kundschaft ist aber sehr divers. Von den «Muckijungs» über die Breitensportler und berufstätige Mütter bis zu den Senioren haben wir wirklich alles. Wir haben sie informiert, dass das Center unter den neuen Umständen öffnen wird. Von vielen habe ich die Rückmeldung erhalten, dass sie darauf brennen, wieder trainieren zu können. Wir müssen eigentlich öffnen, sonst drehen einige langsam durch. Wir werden unsere Kunden bremsen müssen und ihnen bewusst machen: Das Training läuft nicht so ab, wie sie es sich gewohnt sind und wie sie es lieben.

Aber mit genügend Abstand lässt sich doch gut trainieren.
Ja, aber das Training bei uns ist für unsere Mitglieder nicht nur Gewichte heben, Rennen und Schwitzen. Wir kennen uns, reden viel; diese Plaudereien werden nicht in diesem Masse möglich sein. Das Training bei uns ist für viele eine soziale Angelegenheit. Hier sind Freundschaften entstanden, Menschen, die sich hier kennenlernten, haben geheiratet. Man hilft sich beim Gewichtheben, man bleibt noch für einen Kaffee oder Shake. Davon bleibt im Moment wenig übrig. Training im «Corona-Fitnesscenter» heisst: Umgezogen ankommen, Schuhe wechseln, trainieren, Schuhe wechseln, nach Hause gehen.

Die Flexibilität, rund um die Uhr trainieren zu können, ist Ihren Kunden wichtig. Nun heisst es aber im Schutzkonzept von «QualiCert», dass das Personal für die Einhaltung der Hygienevorschriften verantwortlich ist. Bleiben Sie nun 24 Stunden wach?
Genau hier haben wir uns im Stich gelassen gefühlt von den Verbänden. Wir haben 24 Stunden geöffnet, bieten aber im Normalfall nur 12 Stunden Betreuung pro Tag an. Da sind wir nicht die Einzigen. Weder «QualiCert» noch die IG Fitness haben unbetreute Fitnessangebote in ihren Konzepten berücksichtigt. Zudem hiess es, die Konzepte seien Empfehlungen, nicht Vorschriften. Ich wusste also nicht, was ich einhalten muss und kann. In einer Antwort vom Staatssekretariat für Wirtschaft habe ich es schriftlich, dass unbetreute Center keine zusätzlichen Massnahmen ergreifen müssen. Wir kontrollieren also die Einhaltung der Massnahmen in den betreuten Zeiten und machen den Kunden ihre Verantwortung während der unbetreuten Zeiten bewusst.

Werden Sie zum Polizisten im eigenen Center?
Es ist wichtig, dass die Vorgaben eingehalten werden. Aber es ist ebenso wichtig, dass wir sie mit Anstand und Verstand umsetzen. Wir sind ein Dienstleister und auf die Kunden angewiesen. Ich will den Leuten so wenig vorschreiben wie möglich. Aber es wird klappen mit den Massnahmen. Unsere Mitglieder sind loyal und treu. Unzählige verzichten auf die Forderung, dass wir ihr Abo kostenlos verlängern, obwohl sie in den vergangenen Wochen nicht trainieren konnten.

Sie haben für Ihre drei Angestellten Kurzarbeit angemeldet und erhalten selber den Beitrag für Selbstständige. Im Center haben Sie in den vergangenen Wochen keinen Rappen verdient. Auch wenn Mitglieder auf Geld verzichten: Wie können Sie das stemmen?
Unser Verlust in den vergangenen zwei Monaten ist sechsstellig. Diesen können wir nur aushalten, weil wir in den vergangenen viereinhalb Jahren wirtschaftlich gut gearbeitet und Reserven angelegt haben. Diese wollte ich aber natürlich nicht einfach so aufbrauchen wie jetzt, sondern für Investitionen ins Center, einen möglichen Neubau oder Anschaffungen einsetzen. Nun wurde viel Geld für den Einnahmeausfall eingesetzt – wir werden Jahre arbeiten müssen, um das wieder aufzuholen, was wir jetzt verloren haben.

Hatten Sie nie Existenzängste?
Als das Center geschlossen wurde, habe ich mein Geschäft bachab gehen sehen. Ich war in Schockstarre. In vielen Situationen könnte ich weinen, ich hatte auch Albträume und schlaflose Nächte. Anfang Februar – rückblickend im dümmsten Moment – habe ich ein zweites Unternehmen aufgemacht: Ich verkaufe gesunde Fertigmenüs, die für Menschen geeignet sind, die Fitness machen und sich gut ernähren wollen. Verkauft wird das Essen in Fitness-Centern – und die haben nun auch alle geschlossen. Die Corona-Massnahmen haben mich also gleich doppelt getroffen. Aber es hilft ja alles nichts. Es muss weitergehen und wir müssen nach vorne blicken.


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