Diese Gugge schränzt nach Noten
05.03.2020 Fasnacht, Thürnen, PorträtPeter Stauffer
Vor der Haustür wird die «Volksstimme» von einer Fasnachtsfigur begrüsst. In der Garage daneben sind Vater und Sohn der «Fasnachtsfamilie» Weber damit beschäftigt, letzte Zubehörteile zum Waggiswagen auszusägen. Auch das Treppenhaus zeugt von der ...
Peter Stauffer
Vor der Haustür wird die «Volksstimme» von einer Fasnachtsfigur begrüsst. In der Garage daneben sind Vater und Sohn der «Fasnachtsfamilie» Weber damit beschäftigt, letzte Zubehörteile zum Waggiswagen auszusägen. Auch das Treppenhaus zeugt von der Fasnachtsbegeisterung der Webers: Neben Fasnachtsbändeli dekorieren unzählige Zugsplaketten die Wand.
Der Begriff Fasnachtsfamilie ist bei den Webers angebracht: Vater Josef war ab 1977 während 15 Jahren Guggenchef, die Tochter Sandra Nussbaum ist zurzeit Präsidentin der Fasnachtsgesellschaft. Sohn Marco gestaltete die diesjährige Plakette und ist Schlagzeuger der Thürner Aerdwybli-Schränzer, und auch die Mutter Nelly ist aktive Fasnächtlerin.
Die Beschreibung auf der Website der Schränzer «wir sind eine familiäre Guggenmusik» trifft im Hinblick auf die vergangenen Jahre zu, und dies nicht für die Guggenmusik, sondern für die ganze Fasnachtsgesellschaft Thürnen. Es gehörten nämlich einige Mitglieder der nahen und weiteren Verwandtschaft der Webers dazu. Die Aerdwybli-Schränzer, mit 27 Aktiven, sind eine verschworene Gemeinschaft. Musik ist zwar ganz klar das verbindende Element, aber Spass und Kameradschaft werden bei der Gruppe grossgeschrieben. Zusammen mit den Untergruppen «Waggis», «Alte Garde» (pausiert zurzeit mangels Mitgliedern) und den «Binggis» bilden sie die Fasnachtsgesellschaft Thürnen. Die Gugge entstand im Jahr 1970 aus einer Art Notlage, war doch der Waggiswagen zu klein geworden für die vielen Mitglieder.
Aus der Not eine Tugend gemacht
Seit 1978 nehmen die Aerdwybli regelmässig am Sissacher Fasnachtsumzug teil. In ihrer bewegten Geschichte gab es neben Tiefpunkten – die Gugge stand in den 1970er-Jahren mangels Mitgliedern knapp vor der Auflösung – auch diverse Highlights. Dazu zählt sicher das mehrmalige Mitmachen am Carnevale an der Costa Brava in Spanien, dies zusammen mit einer Basler Clique und anderen Guggen. «Wir haben unzählige Geschichten erlebt in Spanien, die noch lange zu reden geben werden», steht dazu im Buch, das 2012 zum 50-jährigen Bestehen der Fasnachtsgesellschaft Thürnen geboren wurde.
Jenes Jubiläumsjahr der «Muttergesellschaft» war für die Aerdwybli-Schränzer ein weiterer Höhepunkt, vor allem in Bezug auf die Mitgliederzahl, spielten doch 44 Musiker und Musikerinnen aktiv mit, während sich der Normalbestand zwischen 20 und 30 Aktiven bewegt.
Vergangenes Jahr gab es einen relativ grossen Wechsel: 15 Mitwirkende traten aus verschiedenen Gründen aus. Zum Glück gab es aber zwölf Neueintritte. Drei davon haben das Schränzen vorher bei der Sissacher Kindergugge Nootechaote gelernt. Nachwuchssorgen sind für die Thürner im Moment ein Fremdwort.
Die Gugge ist auf ihre altersmässige Durchmischung stolz. Die momentane Altersspanne bewegt sich zwischen 16 und 45 Jahren. Zu den Highlights darf auch die Einspielung einer eigenen CD im Jahr 2003 gezählt werden.
Gestiegene Ansprüche
«Dass man sich an diese Aufgabe gewagt hat, hängt auch mit der Entwicklung des Guggenspiels ab», ist Josef – «Sepp» – Weber überzeugt. In dieser Hinsicht habe sich einiges verändert. Habe man früher einfach geschränzt und nicht so viel geübt, sei der Anspruch gestiegen. «Man wollte, dass es schöner klingt und hat dementsprechend begonnen, mehr zu üben und auch anspruchsvollere Lieder zu spielen», heisst es dazu im Jubiläumsbuch.
Auf ihrer Website halten die Thürner Fasnächtler fest: «Mit unserer Musik wollen wir das Publikum mitreissen und in Partylaune versetzen.» Damit dies gelingt, wird jeweils nach den Sommerferien mit der Probearbeit begonnen, gemeinsam oder mit einzelnen Registern separat. «Man spielt heute nach Noten», so Weber.