E-Musiker tüftelt an neuen Sounds
31.12.2019 Bezirk Liestal, Hersberg, Kultur, PorträtDer Vater des Hits «Muh!» tritt noch immer an Festivals auf
Wer einmal eine Passion für elektronische Sounds entwickelt hat, kommt davon nur schwer los. PJ Wassermann ist seit vielen Jahren in diesem Sektor tätig. Und er arbeitet nach wie vor mit professionellen Massstäben Schritt für ...
Der Vater des Hits «Muh!» tritt noch immer an Festivals auf
Wer einmal eine Passion für elektronische Sounds entwickelt hat, kommt davon nur schwer los. PJ Wassermann ist seit vielen Jahren in diesem Sektor tätig. Und er arbeitet nach wie vor mit professionellen Massstäben Schritt für Schritt an seiner Musik.
Lukas Müller
Hersberg: Wer bei diesem Namen an perfekte Wandertouren über grüne, blühende Matten im wunderbaren Oberbaselbiet denkt, liegt goldrichtig. Hersberg macht derzeit von sich reden, weil es eine Fusion mit der Nachbargemeinde Arisdorf plant. Bei den Einwohnerinnen und Einwohnern herrscht jeweils Alarmstufe Rot, wenn sich ein Mitglied des Gemeinderats aus Amt und Würden zurückzieht. Denn das Dorf zählt lediglich 300 Seelen, das Reservoir mit Politiker-Nachwuchs ist also eher klein.
Davon soll aber hier nicht die Rede sein. Sondern von einem Musiker, der mit einem Hit vor vielen Jahren für Begeisterung und Kopfschütteln sorgte. Als Teil von «Matterhorn Projekt» brachte Peter Jörg – PJ – Wassermann «Muh!» heraus. Heute lebt und arbeitet er in Hersberg.
Klänge blubbern, Bässe pumpen
PJ Wassermann ist ein Elektromusik-Künstler der ersten Stunde. Als in den 1980er-Jahren die ersten vorsintflutlichen Geräte erschienen, denen man mit Geschick und technischem Know-how fliessende elektronische Sounds entlocken konnte, war PJ Wassermann ganz zuvorderst. Gemeinsam mit seiner Weggefährtin Stella Wassermann (sie verstarb 2011) werkelte er Tag und Nacht an magischen, noch nie gehörten Klangwelten. Blubbernde Klänge und pumpende Bässe auf mehreren Tonspuren arrangierten die beiden mit viel Finesse und Gespür für das gewisse Etwas zu einem Gesamtkunstwerk. Grundlage ihrer Arbeit bildeten die folgenden Geräte: Avatar (ein Gitarren-Synthesizer), ARP 2600 (ein grosser halbmodularer Synthesizer) und Prophet (der erste polyphone speicherbare Synthesizer).
«Wir waren damals sehr kreativ unterwegs», erinnert sich der heute 68-Jährige. «Jeden Samstag haben wir LSD eingeworfen und im Studio herumgepröbelt.» Mit der Formation «Schaltkreis Wassermann» veröffentlichten sie eine Vielzahl von Songs, so zum Beispiel «Lux», ein 5:07 Minuten langes Werk mit zwei gegenläufigen Rhythmen (der Dreier-Rhythmus begegnet dem Vierer-Rhythmus), dessen Faszinationskraft man sich nur schwer entziehen kann. 1982 erschien ein Werk von «Schaltkreis Wassermann» auf Space Records. Zuerst war es bei Mercury (einem Polygram-Label) herausgekommen. Plötzlich waren die Wassermanns voll im Musikgeschäft.
«Muh!» startete durch
Wenig später liess das Duo unter dem Namen «Matterhorn Project» mit «Muh!» einen Versuchsballon steigen, der sich dann in der Schweiz und in Südafrika zu einem Bestseller entwickelte. Kühe muhten da urchig in den höchsten Tönen, umspielt von geschliffenen Synthie-Pop-Begleitsounds. Das auf dem Fairlight-Computer produzierte Stück kletterte bis auf Platz 2 der helvetischen Charts. Nebenbei vertonte PJ Wassermann Industriefilme für Roche, Ciba und Sandoz. Er hatte viel zu tun damals. Manche Menschen glaubten in der Folge, dass die Wassermanns dank dieses Hitparadensturms reich geworden sind. Die Tatsachen aber sehen anders aus. Reich mit der Musik wurden sie nicht.
Viel Geld haben sie in ihre kunstvoll verkabelten Geräte mit in allen Farben oszillierenden Bildschirmen investiert. Sie mussten mit der Zeit einsehen, dass sich nur ein Teil dieser Anschaffungen wirklich gelohnt hat. Den Fairlight beispielsweise, der ihm während Jahren ein treuer Begleiter war, hat PJ Wassermann mit grossem Verlust weiterverkauft. Andere Monumente der Elektro-Musik, wie etwa die erste Version des Prophet, sind unterdessen defekt und stehen in der Rumpelkammer. Sie zu reparieren würde Unsummen verschlingen.
Weshalb es mit «Muh!» «nur» zu Hitparadenplatzierungen in der Schweiz und in Südafrika reichte, nicht aber in Deutschland und Italien, wo man ja auch aktiv war, über diese Frage kann man heute nur spekulieren. Vermutlich hätten die Wassermanns einen gewieften, über internationale Kontakte verfügenden Manager benötigt, der ihnen den Weg zu den finanziellen Honigtöpfen geebnet hätte.
20 Jahre lang arbeitete PJ Wassermann unter Hochdruck. Unter anderem gestaltete er mit Rock-Radiopionier und «Sounds»-Begründer François Mürner (FM) von Radio DRS 3 zahlreiche DRS-3-Jingles. Gemeinsam mit FM und Boris Blank von «Yello» durfte er eines Tages auch den begehrten Prix Italia für die weltweit besten Radio-Jingles entgegennehmen.
Heute besteht seine Haupttätigkeit aus der Entwicklung von Software und dem Erledigen von Softwarejobs. Er ist spezialisiert auf Datenbankentwicklung (Filemaker) und erhält Aufträge vom Kanton Baselland. Unter anderem hat er auch eine Datenbanksoftware entwickelt, die seit 2003 in der ganzen Schweiz und in Deutschland verbreitet ist.
Nach wie vor ist PJ Wassermann leidenschaftlich als experimentierfreudiger Elektronikmusik-Guru unterwegs. Er arbeitet und produziert auf professionellem Niveau und hat Kontakte zu spannenden DJs und Szenekennern wie beispielsweise Pepe Loda und Daniele Baldelli aus Italien und Alex Gross aus Basel/New York. Daniele Baldelli hat übrigens, basierend auf dem Sampler «Nonstop Electronic Music» (veröffentlicht 2018), einen packenden Remix fabriziert, der aktuell in Italo-Discos zu hören ist.
Beschwerlicher Musiker-Job
Immer wieder gibt PJ Auftritte an Partys. Und zahlt dafür einen hohen Preis: Vor zwei Jahren hat er sich bei einem Auftritt in Portugal eine Beeinträchtigung seines Gehörs zugezogen. Auf dem rechten Ohr hat er 3 bis 4 Kilohertz in den Höhen verloren. Trotzdem machte er weiter. «2018 hatte ich Psytrance-Auftritte an Festivals in der Schweiz», berichtet er. «Ich bin viel auf Ibiza, aber auch in Dänemark, Schweden und Deutschland.» Bei diesen Auftritten wird «Bumm Bumm» losgedonnert, auf 145 Beats pro Minute. «Ausser Psytrance gibt es Psychill – das Psychedelic Chillout mit seinen freien Beats. Diese Sparte gefällt mir ausgezeichnet, Psytrance ist mir zu formelhaft geworden.»
Bei diesen Auftritten wird PJ Wassermann von seiner heutigen Lebenspartnerin Asteriza begleitet. Sie besorgt die Visuals, jene kongenialen kleinen Filmchen, die als Projektionen die Darbietung Wassermanns untermalen. Dazu kommen – je nach Wunsch der Kunden – auch Tänzerinnen, allen voran Amanda Carlow und Marta Chandra.
Unlängst ist auf dem Londoner Label Cherry Red Records eine Compilation erschienen. Darauf sind neben «Lux» von PJ Wassermann auch Tracks von Carlos Peron, «Front 242», «D.A.F.», «Tuxedomoon», «The Residents» und André de Koning zu finden. «Schaltkreis Wassermann» befinden sich damit nach wie vor in bester Gesellschaft. Mit dieser Formation will PJ Wassermann in die Zukunft gehen.