Von Anwil über Nepal nach Fribourg
30.08.2019 Anwil, Porträt, Bezirk SissachDarryl Ackermann ist per Anhalter durch verschiedenste Sprach- und Kulturzonen gereist
Auf seiner Reise nach Nepal, die der 22-jährige Darryl Ackermann per Anhalter antrat, lernte er fremde Kulturen und Sprachen kennen. Als Student in Freiburg überwindet er nun Schweizer ...
Darryl Ackermann ist per Anhalter durch verschiedenste Sprach- und Kulturzonen gereist
Auf seiner Reise nach Nepal, die der 22-jährige Darryl Ackermann per Anhalter antrat, lernte er fremde Kulturen und Sprachen kennen. Als Student in Freiburg überwindet er nun Schweizer Sprachbarrieren.
Joshua Moser
Im Februar 2018 wartet Darryl Ackermann am Strassenrand zwischen Kienberg und Anwil. Er hält ein Schild mit der Aufschrift «Nepal» in der Hand und wartet auf eine Mitfahrgelegenheit. Der damals 20-jährige Anwiler will sich einen Traum erfüllen und befindet sich alleine auf dem Weg nach Kathmandu, in die Hauptstadt Nepals. Sein Ziel: Die über 8000 Kilometer per Anhalter und ohne Flugzeug bewältigen. Das Kennenlernen neuer Kulturen, Sprachen und Gepflogenheiten der verschiedenen Länder, die er durchqueren sollte, steht für ihn im Vordergrund. Er will den Einheimischen möglichst nahe kommen.
«Ich genoss jede Minute der Reise», sagt er rückblickend. Die guten Erinnerungen sind förmlich greifbar, wenn er davon erzählt. Mittlerweile befindet sich der 22-Jährige mitten in seinem Jura-Studium in Fribourg. Auch dort geht es ihm um Sprachen und Kulturen. Er wohnt deshalb mit Asiaten und Romands in einer multikulturellen Wohngemeinschaft in Fribourg und setzt sich neben seinem Berufswunsch Anwalt auch mit Sprachen auseinander.
Überwinder der Sprachgrenzen
Ein Ziel des «Ammelers»: Die Überwindung der Sprachgrenzen in der Schweiz. Dafür schlüpft er in die Rolle eines sogenannten Kohäsionsbotschafters: Er soll helfen, die Sprachbarrieren, die durch die Sprachenvielfalt in der Schweiz entstehen, zu überwinden. Die Bewohner der Schweiz sollen sich trauen, untereinander zu kommunizieren, selbst wenn sie verschiedene Sprachen sprechen. Der Behebung ebendieser nationalen Sprachbarrieren hat sich die «Sophie und Karl Binding»-Stiftung verschrieben, die den freien «Volksstimme»-Mitarbeiter bei seinem rechtswissenschaftlichen Studium finanziell unterstützt.
Sprachliche Barrieren zu überwinden, das hat Ackermann während seiner Reise im vergangenen Jahr in den Nahen Osten gelernt. Sie bringt ihn ins italienische Turin. Von dort gelangt er nach Mailand. Die nächste Station, nachdem er Slowenien durchquert hat, heisst Istanbul – alles per Anhalter. Am Bosporus verbringt er seinen ersten grösseren Aufenthalt. «Ich wurde überall äusserst freundlich empfangen», berichtet er. An jedem Ort sei er mit Einheimischen ins Gespräch gekommen. Aus diesen Gesprächen sei von den Einwohnern oft eine Einladung nach Hause gefolgt und so fand er für die Nacht immer ein Dach über dem Kopf. Kommuniziert hat er mit Händen und Füssen, auf Französisch und Englisch. Letzteres hatte er bereits bei einem Sprachaufenthalt im britischen Oxford perfektioniert.
Rebellengruppen und Piraterie
Nach seinem Aufenthalt in Istanbul verschlägt es den jungen Mann weiter in den Nahen Osten. Über Georgien und Armenien gelangt er in den Iran. Von der dortigen Mentalität schwärmt Ackermann noch heute: «Die Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Leute dort war unglaublich, von keinem anderen Land übertroffen. Und das, obwohl man in den Medien immer Schreckliches über den Iran hört.» Als er den Pakistan durchqueren will, wofür er durch die Region Belutschistan muss, wird die Reise kompliziert: «Rebellengruppen kontrollierten das Gebiet», sagt er. Ausserdem stellt ihm das Schweizer Departement für Auswärtige Angelegenheiten wegen der gefährlichen Situation kein Visum aus. «Ich machte mich also auf die Suche nach einem Schiff, das vom Iran um Pakistan herum direkt nach Indien fährt.» Doch wegen der ständigen Bedrohung durch Piraten auf dem Arabischen Meer verkehren fast keine Passagierschiffe auf dieser Strecke. Auch nachdem der Schweizer unzählige lokale Containerschiff-Unternehmen angefragt hat, steht er ohne Möglichkeit da, Pakistan zu umschiffen. So macht er sich per Passagierschiff auf den Weg nach Dubai.
Da er in der Stadt in den Vereinigten Arabischen Emiraten ebenfalls kein Schiff findet, das ihn an sein Ziel bringen würde, ist er gezwungen mit dem Flugzeug nach Indien zu reisen, obwohl er auf dieses Verkehrsmittel verzichten wollte. Der Jura-Student kandidierte auch wegen seines Umweltbewusststeins im Februar 2015 als Parteiloser auf der Liste der Grünen für einen Sitz im Landrat.
In Indien angekommen, wird es fast unmöglich, per Anhalter zu reisen, sagt der Anwiler: «Zum einen stand der Monsun kurz bevor, der eine enorme Hitze von bis zu 40 Grad Celsius mit sich bringt, zum anderen wollten die Einheimischen alle Geld. Ohne Bezahlung wurde ich nirgendwo hingebracht», so Ackermann. Deshalb geht die Reise mit dem Zug weiter. Im nepalesischen Pokhara kommt er knapp vier Monate nach Reisebeginn an.
13 Stunden statt vier Monate
Doch langsam ist er reisemüde. Die über 8000 zurückgelegten Kilometer kosteten viel Energie und die tägliche Sorge, keinen nächtlichen Unterschlupf zu finden, trägt nicht unbedingt zur Erholung bei. Immerhin findet Ackermann in Pokhara eine Jugendherberge. Doch zusätzlich plagt ihn eine Lebensmittelvergiftung, die er sich in Indien eingefangen hat. Erholung bietet sich in Pokhara keine. Das Wasser bekommt ihm nicht gut. Da er das Leitungswasser nicht trinken kann, ist es schwer für ihn, wieder gesund zu werden. Das Trinkwasser lässt ihn auch kein Gemüse essen, das damit gereinigt wird. Er kann nur Wasser aus gekauften Flaschen trinken. Nach einem kurzen Besuch in der Hauptstadt Kathmandu entscheidet er sich, die Reise zu beenden. Innert 13 Stunden ist er per Flugzeug zurück in der Schweiz, nachdem seine Hinreise knapp vier Monate gedauert hat. Trotz des abrupten Endes sei diese Reise eine Erfahrung, die er nicht missen möchte. Sie habe ihn reifer werden lassen, so Ackermann.
Zurück in der Schweiz will Ackermann weiterhin Sprachbarrieren überwinden. Seine Erfahrungen, wie unangenehm es zu Beginn sein kann, sich mit einem Gegenüber nicht wirklich verständigen zu können, wird er dabei gut gebrauchen können. Er persönlich findet es schade, dass es «viel zu selten vorkommt, dass sich Studentinnen und Studenten trauen, mit anderssprachigen Studierenden zu reden». Mit seiner Offenheit und den Erfahrungen, die ihm seine Reise nach Kathmandu gebracht hat, will er den multikulturellen Kontakt fördern.
Schweizerische Studienstiftung
jm. Die Schweizerische Studienstiftung fördert «junge Talente, deren Persönlichkeit, Kreativität und intellektuelle Fähigkeit besondere Leistungen in Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur versprechen». Dies mit dem Ziel, Nachwuchstalente in den erwähnten Bereichen zu fördern. Hat man nach Abschluss des Gymnasiums einmal das Bewerbungsprozedere durchlaufen, profitiert man von interdisziplinären Bildungsangeboten, persönlicher Beratung und finanzieller Unterstützung. So beispiels weise von der «Sophie und Karl Binding»-Stiftung, die junge Menschen unterstützt, die ihr Studium in einer anderen Sprachregion absolvieren.