WASHINGTON POST
12.07.2019 GesellschaftPanzer, Bomber, Fleisch auf dem Grill
Neulich feierten wir den Independence Day, den US-Nationalfeiertag. Der 4. Juli ist den Amerikanern heilig, viel mehr noch, als es der 1. August den Schweizern ist – so nehmen wir das zumindest wahr. Nicht aus politischen ...
Panzer, Bomber, Fleisch auf dem Grill
Neulich feierten wir den Independence Day, den US-Nationalfeiertag. Der 4. Juli ist den Amerikanern heilig, viel mehr noch, als es der 1. August den Schweizern ist – so nehmen wir das zumindest wahr. Nicht aus politischen Gründen, sondern aus ganz praktischen. Für die meisten Schweizer fällt der 1. August ja irgendwo vor, mitten in oder anschliessend an die Sommerferien, die sie ohnehin haben – Ferien, von denen die meisten Amerikaner nur träumen können. Für sie ist der 4. Juli oft der einzige freie Tag überhaupt zwischen Juni und September. Entsprechend herzhaft wird gefeiert.
In unserer Strasse begann das schon am Vorabend. Miguel und Mercedes, das Paar von nebenan, hatten auf dem Stück Rasen hinter ihrem Haus den Grill aufgestellt. Das war aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen sieht man die heissen Sommertage über so gut wie nie jemanden draussen – die Leute bleiben lieber drinnen, wo die Klimaanlage läuft. Zum anderen hatte noch vergangenen Sommer eine Katze aus der Nachbarschaft mit ihrem penetrant stinkenden Urin dafür gesorgt, dass ein Barbecue auf dem Rasen nicht gut geschmeckt hätte. Nun, die letzten Tage war es nicht ganz so heiss wie sonst – und die Katze hat inzwischen das Zeitliche gesegnet.
Eine Grillade im Garten also. Miguel und Mercedes stammen aus Mexiko, und das Picknick, das sie organisiert hatten, war exzellent. Auf dem Tisch lagen Berge von «Carne asada», mexikanisches Steak vom Grill, Tacos, brauner Reis, mexikanisches Bier. Über dem Quartier waberte der Geruch von Kohle und brutzelndem Fett, aus Lautsprechern lief Musik, die Kinder rannten zur Hüpfburg, die ein anderer Nachbar auf der Strasse aufgestellt hatte. Als wir schon am Essen waren, kam auch Nachbarin Toni mit ihren Kindern dazu, es wurde ein fröhlicher, schöner Abend, und die Tatsache, dass wir den 4. Juli mit Ausnahme von Toni als Immigranten feierten, passte dazu, wie wir die USA in unserer Zeit hier kennengelernt haben: Alle sind willkommen, wenn sie einmal hier sind. Alle sind Amerikaner.
Am nächsten Tag dann – am 4. Juli – dröhnte mir der Kopf. Das hatte zu tun mit den drei grossen Gläsern des exquisiten Mezcals, die mir Miguel eingeschenkt hatte. Der Kopf dröhnte aber auch, weil wir hinuntergegangen waren an die National Mall, auf die Parkanlage mit den grossen Denkmälern. Dort standen wir nun vor dem Lincoln-Memorial, an der gross angekündigten 4.-Juli-Feier von Präsident Donald Trump, einem gigantischen Militärspektakel. Über unsere Köpfe flogen B-2-Bomber, Tarnkappenjets, Kampfhubschrauber, ein Stück weiter weg standen Panzer. Besonders fröhlich war es nicht mehr. Stattdessen: Proteste von Trump-Fans und Trump-Gegnern an jeder Ecke und Wahlkampfgeschrei. Nicht einmal was zu essen gab es. Oder Bier.
Politisch war das zwar interessant zu sehen. Ums Feiern war uns danach aber nicht mehr zumute. Und wir wissen nun: Den nächsten 4. Juli verbringen wir wieder lieber ganz im Quartier.
Der Sissacher Alan Cassidy ist USA-Korrespondent für den «Tages-Anzeiger» und die «Süddeutsche Zeitung». Von 2006 bis 2008 schrieb er für die «Volksstimme».