Immer wieder fragen sich ehemalige Gäste: Was passiert mit dem seit 2020 geschlossenen Liestaler Restaurant Schützenstube – und auch mit der «Probststube» im Obergeschoss? Elf Probst-Kunstwerke aus Gips an den Wänden sind mittlerweile ausgebaut worden. Wie sie später wieder gezeigt werden, ist offen.

Dominik Wunderlin

Eine gefühlte Ewigkeit lang war die «Schützenstube» an der Rathausstrasse nicht nur für die Liestaler Bürgerschaft ein Ankerplatz. Auch Militärpersonen, Zollaspiranten und vornehmlich freisinnige Politiker kehrten hier gerne ein. Und gerne zog man sich für diskretere Gespräche in die nach dem Baselbieter Bildhauer Jakob Probst (1880–1966) benannte «Probststube» im ersten Stock der Liegenschaft zurück.

Das Liestaler Restaurant in der Nähe des Regierungsgebäudes war eine Baselbieter Institution. Doch dann kam das Jahr 2000, als die Familie Tüller nach rekordverdächtigen 138 Jahren als Gastgeberin mitteilte, dass sie im Sommer aufhören und die Schalter am Herd auf null drehen werde. Von den Nachkommen wollte niemand in die Fussstapfen treten, und ein Pächter fand sich damals auch nicht.

Immerhin gründeten einige Gäste, die geradezu verzweifelt waren, ihr geliebtes Traditionshaus nicht mehr betreten zu können, eine «Schützenstube Liestal AG» und kauften die Liegenschaft. Sie fanden auch ein Pächterpaar, das mit einem Franzosen in der Küche tapfer versuchte, die gehobene Gastronomie weiterzupflegen. Doch kurz vor Corona kam Anfang Februar 2020 nach 16 Jahren das zweite Ende. Obwohl man schon länger das eine oder andere gehört hatte, war es eine Überraschung – doch es war auch eine Chance: Die schon vor zehn Jahren angedachte Totalsanierung der im Kern hochmittelalterlichen Liegenschaft sollte nun näher rücken. Der seit 2014 als Eigentümer firmierende Andreas Hirt mit seiner Zedrima AG, einer familiengeführten Immobilienfirma, hatte zunächst zwar gehofft, bis zum Baustart nochmals einen Pächter zu finden, bald aber zeichnete sich ab, dass die Lichter im Haus nicht so schnell wieder angehen werden.

Verzögerter Umbaubeginn
So machte sich Hirt, der in Liestal wohnhaft ist, an das anspruchsvolle Projekt. Verschiedene Hindernisse, aber auch die keineswegs einfache Planung verzögerten den Baubeginn mehrfach. Im vergangenen Jahr wurde mit den Umbauarbeiten im Haus dann begonnen. Dass etwas geht, wurde erst recht sichtbar, als im November der auf einem Stahlbock aufgebaute Kran in der Freihofgasse in Aktion trat. Unter der Leitung seines Sohnes und Geschäftsführers der Zedrima AG, Mathias Hirt, und des Architekturbüros Löliger Architekten (Basel) schreitet der Umbau seither voran. Es geht dabei um deutlich mehr als nur um eine sanfte Renovation der eigentlich vier zusammengebauten Altstadthäuser, wo einst zwischen Vorder- und Hinterbau – wie so häufig in der Liestaler Altstadt – je ein schmaler Hof war.

Wie Andreas Hirt erläutert, werden die künftigen Gäste im Restaurant diese Besonderheit wahrnehmen, denn sie werden im Mittelteil des Lokals eine kreisrunde, verglaste Öffnung sehen, durch die das Tageslicht einfallen wird. Der künftige Innenhof dient auch zur Vertikalerschliessung des Hauses mit einem Treppenhaus und einem Lift.

Zukunftsträchtiges Gastrokonzept
Andreas Hirt erklärt, dass sich der Betrieb der neuen «Schützenstube» auf das Erdgeschoss und die Bar im Kellergeschoss beschränken wird. Die Gastroräume werden so geplant, dass mit einem Minimum an Personal effizient gearbeitet werden kann, darum muss auch auf bisherige Nebenräume im Obergeschoss verzichtet werden.

Es soll kein Betrieb sein, der nur mittags und abends zur Essenszeit geöffnet ist, und es besteht klar die Absicht, den Betrieb einem Pächter anzuvertrauen, der eine gutbürgerliche Küche im mittleren Preissegment anbieten kann. Und diese Küche soll eine «moderne Interpretation gutbürgerlicher ‹Schützenstuben›-Gastronomie sein; frische Ideen eines gerne auch jüngeren Pächters sind erwünscht», wie Hirt gegenüber der «Volksstimme» ausführt.

Würdigung des Künstlers geplant
Die Tatsache, dass sich der Gastbetrieb nicht mehr auf den ersten Stock ausdehnen kann und dort Wohnungen entstehen, lässt aufhorchen. Denn mit Fenstern gegen die Rathausstrasse liegt im Obergeschoss die im Lauf der Zeit legendär gewordene «Probststube». Das Besondere an diesem kleinen Sitzungs- und Speiseraum, einem wahren «Chambre separée», sind hier die fest in die Wände eingelassenen Reliefs und Halbreliefs aus Gips. Es sind elf Werke des berühmten Baselbieter Bildhauers Jakob Probst, die er etwa zwischen 1925 und 1950 geschaffen hatte. Möglich wurde diese Dauerausstellung, als Max Tüller, der Bruder des damaligen Wirts Paul, als Architekt die «Schützenstube» um 1955 umbauen durfte. Dank seiner jahrzehntelangen Freundschaft mit Jakob Probst konnte er ihn zu dieser Präsentation bewegen. Dies war insofern überraschend, weil der Künstler mit Reigoldswiler Wurzeln doch fast zeitlebens zu Liestal ein schwieriges Verhältnis hatte.

Was passiert nun mit der «Probststube»? Klar ist, dass es wohl nur für wenige Mieterinnen und Mieter eine gute Option sein dürfte, sich in der Wohnung im ersten Obergeschoss in einem kleinen Skulpturen-Museum einrichten zu müssen. Mit einem Kentaur, einem sterbenden Krieger und einem «Vater Rhein» das Wohnzimmer zu teilen, dürfte gewöhnungsbedürftig sein. Auch ohne diese Kunstwerke wird die Miete der Wohnung im ersten Obergeschoss, wie jene der weiteren sieben Logis in dieser Liegenschaft, preislich gehoben sein. Im Gegenzug wird der Pachtzins des Restaurants so gestaltet, dass der Betrieb auch dem Wirt ein angemessenes Einkommen garantiert. Andreas Hirt will damit auch ganz bewusst die Verhältnisse umkehren: In den meisten Häusern in der Liestaler Altstadt sei es nämlich leider so, dass die hohe Miete des Geschäftslokals die Wohnungen in den Obergeschossen subventionieren.

Doch wie steht es konkret mit dem Verbleib der Probst-Kunstwerke? Nachdem ein kunstsachverständiges Expertenduo von Stadt und Kanton eine Begehung vorgenommen und eine Dokumentation erstellt hatte, wagten Handwerker der beauftragten Bauunternehmer den sorgfältigen Ausbau der Gipsobjekte. Diese sind derzeit bei der Bauherrschaft in Verwahrung.

Was wo von den geborgenen Kunstwerken im künftigen Gebäude zu sehen sein wird, steht noch nicht fest: «Da muss man sich vom Architekten und der Stilberaterin überraschen lassen», sagt Andreas Hirt, der überdies hofft, dass die Wohnungen gegen Sommer kommenden Jahres bezogen und auch das Restaurant wieder offen sein wird und zur willkommenen Belebung der unteren Rathausstrasse beiträgt. Zu wünschen ist es auf jeden Fall – und alle längst verblichenen Angehörigen der Familie Tüller und auch Jakob Probst freuen sich «im Änedra».

Dominik Wunderlin war als Liestaler gerne Gast in der «Schützenstube» und auch oft in der «Probststube». Er ist Kulturwissenschaftler und gelegentlich «City Guide» in der Kantons- und Genusshauptstadt.

Traditionsrestaurant definiert sich neu

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