Danke, Adelheid!

In meiner heutigen Kolumne möchte ich Sie in ein fremdes Land vor vielen, vielen Jahren mitnehmen. Die Hauptfigur in dieser wahren Geschichte spielt Adelheid Lustinger, meine Urgrossmutter. Sie war ein Vorbild, war mutig und liebenswert und setzte sich schon vor fast 100 Jahren für Feminismus und Eigenständigkeit ein.

Die Geschichte beginnt im Jahr 1934 in Altneudörfl, einem kleinen Dorf in der Steiermark direkt an der Grenze zum Königreich Jugoslawien. Adelheid ist 27 Jahre alt und arbeitet seit 15 Jahren im Gasthof des Mannes ihrer Schwester als Magd. Sie kann dort übernachten und essen, Lohn erhält sie jedoch keinen. Daher kann sie auch nichts anderes tun als arbeiten.

Ihr Leben dreht sich nur um die Arbeit, täglich schuftet sie und fällt abends nur noch todmüde ins Bett. Einen Mann oder Kinder hat sie nicht, hätte sie doch gar keine Zeit und finanzielle Mittel dafür. Ihre Situation scheint trost- und aussichtslos, doch eines Tages sagt sie sich: «Ich muss hier weg, so kann das nicht weitergehen!»

Während sich Adelheid nach freien Stellen im Ausland umschaut, übernimmt Fritz Heinzmann gerade als Nachfolger den Gasthof seiner Eltern in Möhlin. Als junger Wirt ist er noch auf der Suche nach Mitarbeitern und hat so unter anderem eine Stelle als Köchin zu vergeben. Adelheid erkennt ihre Chance und bewirbt sich. Der junge Gastronom ist begeistert von ihrer Erfahrung und stellt sie ein.

Adelheid packt also ihre Siebensachen und verlässt ihre Heimat, in der sie bis dahin ihr ganzes Leben verbracht hatte. Mit nur einem Koffer geht sie an den Bahnhof im Nachbardorf Bad Radkersburg und hofft inständig, dass sie ihr neuer Chef dann auch wie abgemacht in drei Tagen am Bahnhof in Möhlin abholen wird. Und tatsächlich: Keck an seinen «Merz» gelehnt, mit einem Hut auf dem Kopf, steht Fritz am Bahnhof und wartet auf seine neue Angestellte. Mit zerzausten Haaren und dunklen Augenringen steigt Adelheid aus dem Zug – und haut Fritz mit ihrer bestimmten und optimistischen Art auf der Stelle um. «Die heirate ich», denkt sich Fritz, immer noch am Bahnhof stehend.

Und so kommt es auch: Drei Jahre später wird die junge Steirerin Adelheid Heinzmann. Gemeinsam mit Fritz führt sie den Gasthof Löwen und gründet eine Familie. Adelheids Mut und Entschlossenheit möchte ich gerne im neuen Jahr übernehmen. Einfach einmal etwas wagen, optimistisch sein und für die eigenen Träume kämpfen.

Auch noch im hohen Alter war Adelheid fleissig und unterstützte ihren ältesten Sohn Karl, der den Betrieb von seinen Eltern übernommen hat. Trotz der harten Arbeit hat sie aber nie vergessen, das Leben zu geniessen. So hat sie am Feierabend regelmässig zu ihren Kindern gesagt: «Schenkt miar no weng Baileys ein.»

Luana Güntert, Sportredaktorin «Volksstimme»

HERZBLUT

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