Luana Güntert

Ein milder Donnerstagabend im März, es ist immer noch hell und ein Feierabendgefühl liegt in der frühlingshaften Luft. Der Alltagsstress findet in der goldenen Abendsonne keinen Platz, die Welt scheint ruhig zu sein. Nur beim «Steinli» in Möhlin herrscht emsiges Treiben. Zwei riesige, miteinander verbundene Dreifach-Turnhallen bilden das Herzstück des Fricktaler Handballs. Auto um Auto fährt auf den Parkplatz, Spielerinnen und Spieler jeden Alters treffen sich zum Training und lachen zusammen. Man merkt schnell: Möhlin lebt Handball.

In dieser Fricktaler Handballwelt hat ein junger Oberbaselbieter seinen Platz gefunden. Seit bald einem Jahr werden die Möhliner Nationalliga-B-Halbprofis von einem Oberbaselbieter unterstützt: Marc Rohr aus Sissach. Nach Leo Grazioli ist der Kreisläufer Rohr das Zweitbeste, was das Oberbaselbiet handballtechnisch zu bieten hat. «Als Zehnjähriger habe ich meine Karriere beim TV Sissach begonnen», sagt Rohr. Schon früh durfte er in Sissach mit den älteren Kindern trainieren. Ein Möhliner wurde vor drei Jahren sein Jugendtrainer. «Er sagte, dass ich Potenzial habe und empfahl mir, in die U19 nach Möhlin zu wechseln. Das habe ich gemacht, als diese zeitgleich in die Elite, also die höchste Juniorenliga, aufgestiegen ist», sagt der 19-Jährige. Von der U19 schaffte er vor einem Jahr den Sprung in die erste Mannschaft.

Spät gefundene Leidenschaft
«Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, dann hätte ich viel früher auf die Karte Leistungssport gesetzt und früher angefangen, Handball zu spielen», sagt Rohr. Noch heute merke er ab und zu Defizite, die Spieler nicht kennen, welche vor dem 16. Altersjahr angefangen haben, professionell zu trainieren. Zur selben Zeit, als er in der Möhliner U19 debütierte, fing er seine Banklehre bei der Migrosbank mit Berufsmatur an. «Ich habe eine ganz normale Lehre begonnen ohne Spitzensportförderung.» Diese Doppelbelastung war zu viel, so musste er die Berufsmatur abbrechen und schliesst im Sommer das normale KV ab.

Der TV Möhlin verpflichtet als Halbprofiverein regelmässig Spieler aus dem Ausland, die dann auch entlöhnt werden. Auch andere Stammspieler kriegen zum Teil ein Salär. «Ich kann nur von mir sprechen. Da ich Perspektivspieler bin und gefördert werde, bekomme ich kein Geld. Das spielt aber keine Rolle, ich bin wegen des Sports in Möhlin, nicht wegen des Geldes», sagt Rohr.

Sportlich läuft es dem TVM momentan nicht ideal. Nur gerade auf dem 10. Platz befinden sich die Fricktaler. Und das, obwohl sie eigentlich in der Nati A spielen könnten. Im Frühling 2020 befanden sie sich in der Nati B an der Tabellenspitze und fieberten dem Aufstieg entgegen. Bis ihnen die Pandemie einen Strich durch die Rechnung machte; die Meisterschaft wurde abgebrochen. Der 10. Platz ist das Resultat von vielen Verletzungen. Stammspieler um Stammspieler fiel aus, wovon Rohr profitierte. Er und ein anderer Juniorenspieler wurden von der Bank aufs Feld befördert und erhielten plötzlich nicht nur sporadische Einsätze – sie wurden zu wichtigen Teamstützen. «Ich habe meine Chance gewittert und sie auch genutzt», sagt Rohr.

Die immer zahlreicher genesenen Stammspieler sind gut für das Team, aber schlecht für Rohr. Der TVM konnte seine vergangenen zwei Spiele gewinnen. Für Rohr bedeutet das, dass er wieder öfters auf der Bank Platz nehmen muss. Spielerfahrung erhält er aber trotzdem mehr als genug – er hilft regelmässig bei den Fricker Erstligisten aus. «Wir sind auf dem aufsteigenden Ast, ich sehe den restlichen Spielen der Saison positiv entgegen», sagt Rohr. Er betont auch die Wichtigkeit der abflachenden Pandemie, die dem TVM sehr helfe.

Das zeigt sich auch an den Zuschauerzahlen. Dass sich die «Steinli»-Halle in einen Hexenkessel verwandeln kann, zeigte sich in den vergangenen Jahren regelmässig: Spiele mit über 1000 Zuschauern und einer ganz besonderen Stimmung waren keine Seltenheit, besonders bei Auf- oder Abstiegsspielen. Auch wenn die vergangenen Spiele noch nicht an die Spiele der präpandemischen Zeit anknüpfen konnten, geniesst Rohr die Zuschauer. «Es ist toll, vor Zuschauern zu spielen, und es motiviert mich. Aus meiner Sicht waren an all meinen Spielen für den TVM viele Fans. Vielleicht auch, da es in Sissach halt fast keine Zuschauer hatte», lacht er.

Auf dem Spielfeld sieht Rohr seine grösste Stärke in der Fähigkeit, Mitspieler zu motivieren. «Es fällt mir oft schwerer, mich selber zu motivieren, als andere», sagt er. Vieles, was er im Sport lernt und gelernt hat, kann er auch privat nutzen. «Ich bin ein sehr hilbsbereiter, offener Mensch, der gerne Verantwortung übernimmt», sagt er. Auf und nebem dem Spielfeld müsse er noch an seiner Kritikfähigkeit arbeiten. Auch das Spielverständnis fehlt ihm als jungem Spieler teilweise noch. «Ich versuche immer, viel aus den Videoanalysen mitzunehmen.»

Strenger Alltag
Neben dem Handballtraining in der Halle und Spielen in der ganzen Schweiz absolviert Rohr noch diverse Einheiten im Fitnessstudio. Handball in Möhlin, Fitness in Rheinfelden, arbeiten bei der Migrosbank in Reinach, Berufsschule in Basel und das Zuhause in Sissach – der Alltag von Rohr hat es in sich. «Es wundert mich selber, dass ich das bis jetzt immer gut managen konnte. Durch die Förderung in der Nati B ist alles noch strenger geworden, aber man muss eben Durchhaltewillen zeigen, wenn man in der Nati B bestehen will.»

Der Zukunft sieht Rohr realistisch entgegen. «Um in der Nationalmannschaft oder der Nati A zu spielen, habe ich viel zu spät angefangen. Das weiss ich und das ist mir bewusst.» Für ihn sei der TV Möhlin das höchste der Gefühle und er liebt es, im professionellen Rahmen Handball spielen zu können. «Als junger Spieler habe ich natürlich Andy Schmid nachgeeifert. Es wäre schon cool, in der Bundesliga zu spielen, aber eben, ich bin realistisch», sagt er.

Nordwestschweizer Derby:
TV Birsfelden – TV Möhlin, Sonntag, 27. März, 15.30 Uhr, Sporthalle Birsfelden.

Europäischer Frühling

lug. Auf einer Erfolgswelle reitet momentan das Aushängeschild des Oberbaselbieter Handballs mit seinem Team: Der HSC Suhr Aarau rund um Leo Grazioli befindet sich in der Meisterschaft auf dem guten 4. Tabellenplatz. Noch diesen Monat reisen sie aber nach Drammen in Norwegen, da sich die Aargauer für den Europacup-Viertelfinal qualifiziert haben. Am Sonntag, 27. März, um 18 Uhr, findet das Hinspiel gegen den norwegischen Klub Drammen HK statt. Eine Woche später, am 3. April, um 16 Uhr, wird in der Schachenhalle in Aarau das Rückspiel zum alles entscheidenden Spiel um den Halbfinal-Einzug.

«Das höchste der Gefühle»

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