Herdenschutzbeauftragter über geeignete Schutzmassnahmen

Der Wolf, der in Lauwil vor rund einem Monat sieben Geissen gerissen hat, ist italienischer Abstammung. Dies teilt die zuständige Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion mit. Gefragt sind nun umfassende Herdenschutzmassnahmen.

André Frauchiger

Der Regierungsrat weist in seiner Antwort von Mitte Dezember auf einen Vorstoss von SVP-Landrat Matthias Ritter darauf hin, dass der Wolf in einer einzigen Nacht 50 Kilometer weit gehen könne. Es sei zurzeit noch völlig unklar, ob sich ein Wolf im Baselbiet angesiedelt habe oder die Tiere nur durch das Gebiet wanderten und weiterzögen. Fabian Dettwiler vom Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung in Sissach ist die kantonale Lehr- und Beratungsperson Tierhaltung und in dieser Funktion auch Herdenschutzbeauftragter des Kantons Baselland.

Fabian Dettwiler unterstreicht im Gespräch mit der «Volksstimme», er habe Landwirt Christian Degen auf dem Hof St. Romay oberhalb des Dorfes Lauwil, dem in der Nacht auf den 18. November auf der Weide sieben Geissen von einem Wolf gerissen worden waren (die «Volksstimme» berichtete), raschmöglichst Hilfe zukommen lassen. Als Sofortmassnahme nach dem Riss habe er Landwirt Degen gesagt, er solle die Tiere Tag und Nacht im Stall in Sicherheit halten. Dies sei dann auch geschehen, die potenzielle Beute des Wolfs sei somit entfernt worden.

Notfallset installiert
Am Samstag, 27. November, habe ihm dann Christian Degen telefonisch mitgeteilt, er habe den Wolf auf seinem Hof gesehen, habe aber kein Bild vom Raubtier machen können. Deshalb habe er gleich am Sonntagmorgen, 28. November, das Notfallset des Kantons als sofortige Massnahme gegen den Wolf nach Lauwil gebracht. Dieses vom Kanton ausgeliehene Set kam auf Degens Hofareal zum Schutz der fünf Ziegen, die den Wolfsangriff überlebt haben, zum Einsatz.

Dettwiler half auch beim Aufbauen des Materials. Das Notfallset des Kantons umfasst im Wesentlichen Zaunmaterial mit einem 1,1 Meter hohen Weidenetz, Flatterband in blau-weisser Farbe und unregelmässig leuchtenden Blinklampen, die eine abschreckende Wirkung auf den Wolf haben sollen. Wichtig bei der Installation sei ein guter Bodenschluss des Weidenetzes sowie die Stromdurchfuhr mit 4000 Volt, mit guter Erdung. Diese Ausrüstung habe sich schweizweit bewährt und helfe wirksam, den Wolf von Nutztieren fernzuhalten, unterstreicht Dettwiler. Das Notfallset wird immer bei einer erstmaligen Wolfspräsenz ausgeliehen. Der Baselbieter Regierungsrat hat in seiner Antwort auf den politischen Vorstoss von SVP-Landrat Matthias Ritter generell versprochen: «Diese und weitere Unterstützung soll auch in Zukunft geleistet werden können.»

Es braucht Einzäunung
Der Herdenschutzbeauftragte weist allerdings darauf hin, dass als wirkungsvolle Massnahme gegen den Wolf eigentlich nur eine Einzäunung infrage komme. In der Regel reichten 1,1 oder 1,2 Meter hohe, unter Strom stehende Weidezäune oder vier bis fünf stromgeladene Schnüre (sogenannte Litzen), Blinklampen und blauweisse Flatterbänder als Abschreckung, wie andernorts die Erfahrungen zeigten. Die weitere Entwicklung werde aber genau verfolgt. Versuche hätten gezeigt, dass der Wolf wenn möglich unter dem Zaun durchschlüpfen wolle. Deshalb sei die Verankerung des Zauns und die Stromdurchfuhr sehr wichtig.

Dettwiler unterstreicht, er habe mit Bauer Degen vereinbart, dass sich dieser bei Bedarf sofort melde. Herdenschutzhunde seien für das Baselbiet schwierig zu erhalten, denn die Bergkantone hätten Vorrang. Zudem brauche es mindestens zwei Herdenhunde, die auch artgerecht betreut werden müssten und Aufwand verursachten. Im Frühling und Sommer könnten die Geissen notfalls auch weiterhin im Stall gehalten werden. Es gelte nun abzuwarten. Fünfzig Meter Zaun kosten einen Landwirt rund 150 Franken. Dabei übernimmt der Bund rund einen Drittel der Kosten. Wichtig ist laut Dettwiler immer, dass ein Netz unter Strom steht.

Verschiedene Landwirte haben sich in jüngster Zeit mit dem Herdenschutzbeauftragten in Verbindung gesetzt, auch solche mit über hundert Schafen. Der Schafzuchtverein Baselland und Umgebung hilft ebenfalls aktiv mit bei der Informationsvermittlung. Die betroffenen Tierhalter würden nun ihre eigenen Sicherheitsvorkehrungen treffen, erklärt der Herdenschutzbeauftragte. Die Bauern würden über das aktuelle Geschehen bezüglich Wolf rasch informiert. Wichtig sei weiterhin ein nüchternes, pragmatisches Vorgehen. Die Verantwortung für die Nutztiere wie Geissen und Schafe liege aber in erster Linie bei den Tierhaltern, den Landwirten.

Bauer Christian Degen hat gute Chancen, für seine toten Tiere eine angemessene Entschädigung und Beiträge an Herdenschutzmassnahmen zu erhalten: Nutztierrisse durch den Wolf werden vom Bund zu 80 Prozent entschädigt, der Kanton übernimmt die verbleibenden 20 Prozent. 80 Prozent der Kosten für Herdenschutzmassnahmen übernimmt ebenfalls der Bund. Darunter fallen der Einsatz von Herdenschutzhunden sowie die elektrische Verstärkung von Weidezäunen, wie der Regierungsrat festhält. Bei wiederkehrender Wolfspräsenz seien «zumutbare» Herdenschutzmassnahmen Voraussetzung für die Entschädigung für gerissene Nutztiere.

Stall als Sofortmassnahme
Den umliegenden Bauern in und rund um Lauwil wurde empfohlen, Vorsicht walten zu lassen und ihre Tiere bis auf Weiteres in der Nacht in den Ställen zu behalten. Der Kanton prüfe «aktuell verbesserte Möglichkeiten», um die Präsenz von Wölfen feststellen zu können. Mittelfristig, so der Regierungsrat, sollten Nutztierhaltende ihre Zäune möglichst wolfssicher gestalten. Die kantonale Herdenschutzberatung unterstütze bei der Planung und informiere über die Fördermöglichkeiten.

Letztlich geht es dem Regierungsrat darum, dass der Wolfsschutz im Baselbiet respektiert wird, wenn er betont: «Grundsätzliches Ziel ist es, das Miteinander, also die Koexistenz von Wolf und Menschen, zu ermöglichen.» Dafür brauche es einen pragmatischen Umgang mit dem Wildtiermanagement. Es müsse eine Form gefunden werden, wie die Anliegen aller Beteiligten unter einen Hut gebracht werden können. Der Wolf sei letztlich «ein Opportunist»: Er nehme sich die Beute, die für ihn am leichtesten zu haben sei, mit der geringsten Anstrengung. Deshalb seien geeignete Herdenschutzmassnahmen von grösster Bedeutung und böten durchaus Schutz.

«Der Wolf ist ein Opportunist»

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