Der erneuerbaren Energie gehört die Zukunft. Davon ist Tobias Andrist, CEO der Genossenschaft Elektra Baselland, überzeugt. Solange die «Komfortzone» bei der Energieversorgung anhält, werde sich aber im Energiebereich wohl nicht sehr viel ändern. Es gibt grosse Herausforderungen.

André Frauchiger

Herr Andrist, Sie haben sich im Rahmen einer kürzlichen Veranstaltung unter dem Titel «Energie- und Klimagipfel», zu der die EBL exklusiv eingeladen hatte, für «namhafte Investitionen in erneuerbare Energie» starkgemacht. Welche Ziele verfolgen Sie damit? War diese Veranstaltung mehr als eine PR-Aktion?
Tobias Andrist: Die Zukunft der Energieversorgung liegt eindeutig in der erneuerbaren Energie. Das ist auch politisch klar vorgegeben, seit vielen Jahren. Dies ist aber mit grossen Herausforderungen verbunden. Zuerst waren es bei der erneuerbaren Energie bei der EBL Wärmeverbünde, jetzt geht es auch um die Stromproduktion. Wir bei der EBL profitieren von dieser Entwicklung und setzen voll auf dieses «Pferd». Auch wenn wir jetzt eine eigene Veranstaltung als selbstständiges genossenschaftliches Unternehmen durchgeführt haben, ändert dies nichts daran: Wir arbeiten eng mit den anderen Energieproduzenten und -lieferanten zusammen. In Spanien haben wir zusammen mit mehreren Schweizer Energieunternehmen ein grosses Kraftwerk gebaut. Es gibt auch grosse Windpark-Projekte, bei denen wir auch mit Schweizer Energieversorgern zusammengearbeitet haben. Ich habe als CEO aber letztlich den Auftrag vom Verwaltungsrat und den Delegierten, dafür zu sorgen, dass die EBL langfristig ein starkes, eigenständiges, finanziell gesundes Unternehmen bleibt. Bei der Veranstaltung ging es nicht einfach um Eigenwerbung, sondern um Horizonterweiterung und um den Dialog mit Experten und Kunden.

Welche Erkenntnisse hat Ihre Tagung aus Ihrer Sicht ergeben?
Klimawandel und neue Energiesysteme waren die Themen. Gastreferent und ETH-Professor Reto Knuttli zeigte eindrücklich auf, dass der Klimawandel ein Faktum ist. Er machte den Bezug zu Corona: Wer früh geeignete Massnahmen ergreift, kommt letztlich besser davon. Das gilt auch beim Klimawandel. Und der Klimawandel hängt stark mit der Art der Energieversorgung zusammen.

Was unternehmen Sie?
Als Energielieferant und aktiver Player in diesem Energiesystem müssen wir uns die Frage stellen: Wie können wir die Energieversorgung sicherstellen? Heute ist der grösste Teil der in der Schweiz konsumierten Energie immer noch fossil, es stellt eine grosse Herausforderung dar, dies zu ändern. Allein schon den nuklearen Teil der Stromversorgung zu ersetzen, wird eine grosse Aufgabe sein. Und wie weit wollen wir in der Energie- und Stromversorgung vom Ausland abhängig sein, und kann das Ausland in Zukunft überhaupt noch den benötigten Strom liefern? Zweifellos: Unsere Stromnetze müssen intelligenter werden, denn die neuen erneuerbaren Energieformen produzieren weniger planbar. Es braucht daher mehr Speicherkapazitäten oder Back-up-Lösungen. Und klar ist: Wir werden in Zukunft aufgrund der Elektrifizierung einen zusätzlichen Strombedarf haben, nicht weniger. Technisch ist die entsprechende Entwicklung mit erneuerbarer Energie möglich. Aber die heute niedrigen Strompreise erschweren langfristige Investitionen in neue Produktionskapazitäten ohne Subventionen. Schliesslich wird es auch einen politischen Grundsatzentscheid darüber brauchen, ob in jedem Fall Landschaftsschutz oder Energiesicherheit Priorität hat. Das wird politisch sehr heikel.

Werden grosse Projekte von der EBL oft in Partnerschaft mit anderen privaten Geldgebern finanziert?
Ja. Wir kooperieren seit rund acht Jahren mit Schweizer Finanzinvestoren, die ihr Geld in Energieprojekten anlegen, die von der EBL betreut werden. Dabei handelt es sich vor allem um Versicherungen und Pensionskassen. Zwei Beispiele: 2016 wurde die EBL Windinvest AG für Investitionen in die Windenergie in Deutschland gegründet, mit 118 Millionen Euro Eigenkapital und mehr als 200 Millionen Euro Banken-Finanzierungen, sodass Windinvest über 300 Millionen Euro in Windparks investieren konnte. Auch die für 2021 geplante EBL X-Invest ist eine Kooperation mit privaten Finanzinvestoren. Die Zusammenarbeit und Partnerschaft mit Finanzinvestoren aus anderen Branchen hilft uns auch, unsere Sichtweisen auf die Entwicklungen zu erweitern und von deren Kompetenzen zu profitieren. Das ist sehr fruchtbar für beide Seiten.

Haben Sie auch in anderen Ländern Windenergie-Projekte?
Bei der Windenergie haben wir uns mit dem Projekt Windinvest schwerpunktmässig auf Deutschland konzentriert. Wir besitzen aber auch Beteiligungen an Windparks in Italien. Das Projekt EBL X-Invest wird mehr Technologien wie zum Beispiel Solar- und Wasserkraft berücksichtigen. Dies in mehreren europäischen Ländern. Fest steht: Wir werden in Zukunft mehr in verschiedene Länder diversifizieren. Ein grosser Vorteil ist, dass alle Anleger an einem langfristigen Geschäft interessiert sind. Bereits unter meinem Vorgänger Urs Steiner wurde 2012 mit der Beteiligung von privaten Finanzinvestoren bei Projekten der EBL begonnen. Dies aus der Erkenntnis heraus, dass die EBL nicht alles selber finanzieren soll, um zu wachsen.

Bleibt die EBL als genossenschaftlich organisierter Energieversorger unabhängig, wenn viele private Investoren mitwirken?
Ja, denn die Investoren investieren ja nicht in die Genossenschaft selbst, sondern in als Beteiligungsgesellschaften geführte Tochterunternehmen der EBL. Die EBL investiert bei den Projekten beziehungsweise Beteiligungsgesellschaften immer auch selber, in der Grössenordnung von 10 bis 20 Prozent. Wir sind als EBL damit vollständig unabhängig, müssen aber als Partner einen guten Job für die privaten Geldgeber machen. Bisher wurden nur Schweizer Investoren berücksichtigt. Wir sind grundsätzlich aber offen, wenn sich ausländische Investoren finanziell engagieren wollen, sofern dies sinnvoll ist.

Ist die Rechtsform einer Genossenschaft für die EBL von Vorteil?
Ja, das ist für uns eine sehr gute Form. Durch die Genossenschafter sind wir sehr stark in der Region verwurzelt, das ist super. Wir haben bei unseren Delegierten Vertreter aus den Gemeinden, Unternehmer-Vertreter und 12 000 Genossenschafter. Schliesslich bedienen wir nicht weniger als 56 000 Strom-Haushaltskunden. Unsere Verwurzelung in der Region ist ein grosser Vorteil, wir haben damit ein hervorragendes Netzwerk. Schön ist auch, dass wir als gemeinnützige Organisation Gewinne in Projekte reinvestieren können, die nicht rein wirtschaftlich getrieben sind. Eine Biopower-Anlage in Pratteln zum Beispiel ist für die Entsorgung von Biomüll aus der Region für alle Gemeinden sinnvoll, aber wirtschaftlich nicht sehr interessant. Trotzdem haben wir sie als Genossenschaft gebaut. Auch die Förderung von Erdwärme mittels Geothermie ist für uns ein Thema, bei dem wir aus Überzeugung einen Beitrag an die Erkundung der Tiefengeologie der Schweiz und an die Entwicklung einer neuen Technologie leisten – mit noch ungewissem Resultat.

Gibt es weitere solche Projekte?
Wir sind im Moment stark im Fernwärmeausbau engagiert. Dafür werden in Liestal 72 Millionen Franken investiert. Gebaut wird eine neue Zentrale und es werden mehrere kleinere Wärmeverbünde zusammengeschlossen. Diese Anlage in Liestal soll in Zukunft grösstenteils mit Holzschnitzeln betrieben werden. In Zwingen wird zurzeit ein neues Flusskraftwerk gebaut, das viel effizienter und wartungsärmer als das alte ist. Die EBL unterhält Fernwärmeprojekte in Pratteln, in Waldenburg, und ausserkantonal entwickeln wir unter anderem einen grossen Wärmeverbund bei Bern und einen bei Opfikon im Kanton Zürich. In Spanien geht es um ein Photovoltaik-Projekt.Windprojekte sind in der Schweiz leider kaum zu realisieren, denn dafür braucht es Umzonungen und man rennt mit diesen Projekten hierzulande nicht immer offene Türen ein. Sicher: Einwände gegen ein Projekt sind oft berechtigt, aber am Ende müssen wir in der Schweiz auch eine Abwägung machen zwischen lokal produzierter Energie oder eben einer Abhängigkeit vom Ausland.

Wie schätzen Sie die weitere Zukunft bezüglich Energie ein?
Solange wir uns in der heutigen Komfortzone befinden und genug Strom haben, wird die Entwicklung nicht in grossen Sprüngen vorwärtsgehen. Ich gehe aber davon aus, dass wir, wenn die Komfortphase vorbei sein wird, in der Entwicklung sehr schnell sein werden.

Was kann man gegen die Klimaveränderungen tun?
Die heutige Welt ist extrem komplex. Wir von der EBL konzentrieren uns darauf, im Rahmen unserer Möglichkeiten unsere Kunden hinsichtlich Energieeffizienz zu beraten und den Anteil erneuerbarer Energien auszubauen. Zusätzlich engagieren wir uns wie gesagt im Bereich der Geothermie, treiben etwa im Jura ein Geothermieprojekt voran. Dies erfolgt über die Geoenergie Suisse AG, an der die EBL beteiligt ist und in der ein Team von weltweit tätigen Forschern an der Arbeit ist. Wir haben die Hoffnung, dadurch einen Beitrag gegen die Klimaveränderungen leisten zu können.

Wie sehen Sie die Zukunft der EBL?
Wichtig ist für uns eine gute Mischung aus regional, national und manchmal international. Wir wollen die EBL effizient und schnell halten. Wir wollen uns für langfristige und nachhaltige Projekte einsetzen, nicht einfach nur kurzfristig. Wir wollen Projekte für die nächsten 70, 80 Jahre aufgleisen. Projekte wie der Wärmeverbund in Waldenburg sind nicht einfach umzusetzen, aber sehr wichtig. Wo wir Nutzen stiften können, wollen wir uns engagieren. Die EBL ist 120 Jahre alt – und ich hoffe, es wird sie auch noch lange so geben.

Zur Person

fra. Tobias Andrist ist seit Mitte 2018 CEO der Genossenschaft Elektra Baselland (EBL). Insgesamt arbeitet er seit elf Jahren beim Unternehmen. Zuerst war er in der Unternehmensentwicklung tätig, 2012 übernahm er dann die Bereiche Strom mit Vertrieb, Handel und Produktion. Er ist gelernter Eletromechaniker und hat Betriebswirtschaft studiert. Von der Finanzbranche bei den Basler Versicherungen gelangte er «ungeplant», wie er betont, wieder in die Energiewirtschaft, zu IWB, bis er im Jahr 2009 in die EBL eintrat.
Tobias Andrist ist 42 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei kleineren Kindern. Als CEO trat er vor zwei Jahren die Nachfolge von Urs Steiner an, der sich heute als Verwaltungsratspräsident bei IWB engagiert. Dass er schon mit 40 Jahren bei der EBL zum CEO ernannt wurde, erklärt Tobias Andrist ganz einfach: «Ich war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.»

«Wir setzen voll auf erneuerbare Energie»

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