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Für den privaten Einkauf von Essen bin bei uns oft ich zuständig. Das mache ich gern – und es gibt mir viel zu denken. Wir leben im verpflegungstechnischen und kulinarischen Schlaraffenland. In der Schweiz landen über 2 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr im Abfall: 2 000 000 000 Kilogramm! Jedes dritte Lebensmittel endet nicht in eines Menschen Mund und Magen! Bereits auf dem Feld des Bauern wird aussortiert, wegen ästhetischer Vorgaben: zu gross, zu klein, zu krumm. Kommerz und Sicherheitsgedanken führen dazu, dass Ablaufdaten viel zu früh gesetzt werden: Bei Esswaren, die noch lange tipptopp wären. Wunderbare Auslagen für unser Auge in jedem Supermarkt, die Entsorgungsstruktur dahinter bleibt uns verborgen: vorne Schlaraffenland und hinten Perversion!

Einen Bruchteil dieses Überschusses sammeln Freiwilligenorganisationen wie «Tischlein-deck-dich» oder die «Schweizer Tafel» ein und verteilen es an immer mehr Bedürftige. Unser Land hat 8 Prozent Sozialhilfebeziehende. Die Armut selber ist wohl noch grösser. Betroffene sind froh, sich gratis oder für einen symbolischen Franken bei diskreten Anlaufstellen regelmässig eindecken zu können.

Auch in Sissach gibt es eine solche Abgabe, getragen von der reformierten Kirchgemeinde. Ich ging sie besuchen. Rund 35 Personen und Familien decken sich dort ein. Obwohl in der Schweiz kein Mensch hungern muss, sind viele dankbar dafür. Mit dem Eingesparten kann man einmal im Monat ins Kino, an einen Fussballmatch – und so ein klein wenig am sozialen Leben teilnehmen. Weil unser Landrat bei der Sozialhilfe die Schraube anzieht, wird dieses Angebot wichtiger.

Nahrungsmittel sind vermeintlich günstig geworden. In der Schweiz sind die Kosten – abgesehen vom Alkohol – seit 1900 (damals circa 50 Prozent eines durchschnittlichen Bruttoeinkommens) bis 2017 auf 6,4 Prozent gefallen. Der Preis: Statt mit fairem Lohn für Produkte harter Arbeit werden unsere Bauern mit 2,8 Milliarden Franken jährlich aus Bundessteuergeldern subventioniert und abgespiesen. Wir zahlen – zumindest einheimische Lebensmittel – über die Steuern.

Als Gemeinschaft der Konsumentinnen und Konsumenten haben wir die Möglichkeit, Supermärkte mit unserm Wissen und Einkaufsverhalten zu hinterfragen, zu beeinflussen, notfalls zu meiden. Gewisse Dinge kaufe ich direkt beim Bauern, im Milchhüsli, im Claro. Der Gedanke, dass gleichzeitig mit dieser unserer Vergeudung südlich des Mittelmeers oder in bekriegten Ländern des Nahen Ostens Millionen Menschen hungern, der ist mir noch gar nicht aufgekommen. Der ist schlicht unerträglich.

Dieser Frühling hat aufgezeigt, wie fragil alles Leben ist, und was wirklich Wert hat – und uns etwas wert sein sollte: nicht nur
Gesundheit, auch gesunde und korrekt
behandelte und gehandelte Lebensmittel.

Matthias Plattner (57) ist Pfarrer der reformierten Kirchgemeinde Sissach-Böckten-Diepflingen-Itingen-Thürnen.

MEINE WELT

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