Ein Buch über hundert Jahre Friedensarbeit

Um den «Gartenhof» in Zürich ranken sich viele Geschichten. Eine Historikerin und drei Historiker sind ihnen nachgegangen. Der Sissacher Ruedi Epple ist einer von ihnen.

Martin Stohler

Seinen besonderen Charakter erhielt das Haus an der Gartenhofstrasse 7 in Zürich, als es Leonhard und Clara Ragaz erwarben und im April 1922 darin einzogen. Leonhard Ragaz (1868– 1945) war ein prominenter Exponent des religiösen Sozialismus. 1902 wurde er zweiter Münsterpfarrer in Basel. 1908 folgte er einem Ruf an die Theologische Fakultät Zürich, an der er bis zu seinem Rücktritt im Jahr 1921 wirkte.

Mit dem Erwerb des «Gartenhofs» wollte Ragaz den Arbeiterinnen und Arbeitern auch räumlich näher sein und sich auf deren Bildung und die von ihm mitgegründete Zeitschrift «Neue Wege» konzentrieren. Unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs wurde Ragaz zum Antimilitaristen und Anhänger der Völkerbundsidee.

Clara Ragaz-Nadig (1874–1957) teilte das Engagement ihres Ehemanns und hielt ihm mit der Organisation des praktischen Lebens im «Gartenhof» den Rücken frei. Sie selbst setzte sich unter anderem für die Besserstellung von Heimarbeiterinnen ein, zudem war sie auch als Dozentin an der Sozialen Frauenschule in Zürich tätig. Clara Ragaz-Nadig entwickelte ein grosses friedenspolitisches Engagement, dies namentlich im Rahmen der Internationalen Frauenliga für Frieden und Fortschritt.

Nach dem Umbau der Parterrewohnung zu einem Versammlungssaal zwei Jahre nach dem Einzug der Familie Ragaz bot das Haus einen Raum für Kurse, Versammlungen, Sitzungen und kulturelle Anlässe. In den Dreissigerjahren entstand zudem rund um den «Gartenhof» ein Netzwerk zur Unterstützung von Flüchtlingen. Dessen Aktivitäten sind im Buch im Beitrag des Sissacher Historikers Ruedi Epple eindrücklich beschrieben.

Nach dem Tod von Leonhard Ragaz im Jahr 1945 und jenem von Clara Ragaz im Jahr 1957 bot das Haus weiterhin Raum für Friedensarbeit und den pazifistischen Ideen ein Dach über dem Kopf. So fanden auch verschiedene Anregungen der aufmüpfigen 68er-Bewegungen den Weg an die Gartenhofstrasse.

Mitautor Ruedi Epple
Das Buch über den «Gartenhof» entstand auf Anregung des Schweizerischen Friedensrats, des 1945 gegründeten Dachverbands pazifistischer Organisationen, der an der Gartenhofstrasse 7 zu Hause ist. Ein beträchtlicher Teil des Werks wurde vom Sissacher Historiker Ruedi Epple geschrieben, den man bei uns insbesondere als Verfasser profunder Untersuchungen zur Geschichte des Kantons Basel-Landschaft kennt. Mit der Geschichte des «Gartenhofs» verbindet Epple einen Teil seiner Biografie, wie er auf Anfrage der «Volksstimme» sagt: «Zeit meines politischen Lebens war der ‹Gartenhof› immer wieder ein Ort, mit dem ich in Berührung kam. Dort traf sich die Redaktion des ‹Kriegsdienstgegners›, mit der ich einige Jahre Kontakt hatte. Dort tagte der Vorstand des Schweizerischen Friedensrats, dem ich einige Zeit angehörte. Dort bereiteten wir die Aktionen gegen die Zürcher Wehrschau vor, an denen ich beteiligt war. Dort trat die Aktionsgruppe ‹Wir wollen nicht zu Tode verteidigt werden› zusammen, in der ich mitmachte und die an den grossen Demonstrationen gegen die Nachrüstung zu Beginn der 1980er-Jahre beteiligt war. Was Peter Weishaupt in seinem Buchbeitrag über den ‹Gartenhof› nach 1968 berichtet, habe ich also als 68er und Pazifist teilweise persönlich miterlebt.»

Für ihn sei der «Gartenhof» eine wichtige Station seiner politischen Biografie, sagt Epple. Und weiter: «Dass dort Leonhard Ragaz und seine Familie gelebt und gewirkt hatten, gab diesem Ort eine besondere Ausstrahlung, die ich dabei immer wieder wahrnahm. Die Möglichkeit, im Rahmen des Buchprojekts der Geschichte dieses Orts und der Faszination, die von ihm ausgeht, nun auch wissenschaftlich nachzugehen, war für mich eine sehr reizvolle und interessante Aufgabe, der ich sehr gerne und mit grossem zeitlichem Aufwand nachging.»

Ina Boesch, Ruedi Brassel, Ruedi Epple, Peter Weishaupt: «Haus Gartenhof in Zürich. Raum für vernetzte Friedensarbeit». Chronos Verlag, Zürich 2019. 192 Seiten.

Ein Haus mit Garten für den Frieden

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