Zu Gast in Trumps Hotel

In Washington hat Donald Trump nicht viele Freunde. Nicht einmal einer von zehn Wählern stimmte bei den letzten Präsidentschaftswahlen für ihn, und wer das je vergisst, wird mit Graffitis und Aufklebern an jeder Ecke daran erinnert. Seit Trump ins Weisse Haus eingezogen ist, hat er auch nicht viel dafür getan, um sich bei den Einwohnern der Hauptstadt beliebt zu machen. Während sich andere Präsidenten in Washington immer wieder mal irgendwo zeigten – in einem Restaurant, bei einem Konzert, bei einer Sportveranstaltung –, verlässt Trump seinen Amtssitz fast nur, um der Stadt zu entfliehen. Einzige Ausnahme: sein eigenes Luxushotel, das an bester Lage steht. Dort sieht man ihn öfter.

Auch ich gehe regelmässig ins Trump-Hotel. Nicht, um dort zu übernachten, das wäre nur schon wegen der Zimmerpreise von 400 Dollar aufwärts schwierig. Auch nicht, um mich im Spa zu erholen, das unter dem Namen von Trumps Tochter Ivanka läuft. Nicht einmal, um in der Bar des Hotels zu essen und zu trinken (wobei: Die Menükarte alleine ist einen Besuch wert. Für 120 Dollar gibt es zum Beispiel den «Trump Tower», einen offenbar dekadenten Berg aus Hummerfleisch, Austern, Muscheln und Shrimps). Ich gehe hin, weil die Aussicht aus dem Hotel die beste der Stadt ist. Vom Glockenturm hat man einen fantastischen Ausblick auf die National Mall, auf das Kapitol und den Washington-Obelisken, die Wahrzeichen der Stadt. Und obwohl der Zutritt zum Turm öffentlich und gratis ist, hat es dort kaum je Touristen. Vielleicht schreckt sie der Trump-Schriftzug ab?

Auf jeden Fall sind Abstecher ins Hotel für mich aber auch aus beruflichen Gründen interessant. Die Leute in Washington nennen das Trump-Hotel auch das «Sumpf-Schloss». Das hat mit der prunkvollen Fassade des 120-jährigen Gebäudes zu tun, das einmal der Hauptsitz der US-Post war. Es hat aber vor allem damit zu tun, dass das Hotel Treffpunkt für alle möglichen Leute ist, die die Nähe zum Präsidenten, zu seiner Familie und zu der Regierung suchen. An einem durchschnittlichen Abend trifft man an der Bar und in der Lobby viele Lobbyisten, Geschäftsleute und Berater, die dort ihr Geld ausgeben und sich dadurch wohl auch etwas versprechen: Beziehungen, Einfluss, Kontakte. Denn jeder Dollar, den man im Hotel liegen lässt, fliesst in Trumps Tasche. Das erinnert halt sehr an den «Sumpf», den Trump auszutrocknen versprach. Und es hält mich jeweils auch davon ab, allzu viel Geld an der Bar auszugeben.

Neulich meldeten nun die Medien hier überraschend, dass Trump für das Hotel einen Käufer suche. Angeblich, weil er wegen der Vermischung aus öffentlichem Amt und geschäftlichen Interessen ständig in der Kritik steht. Kann also gut sein, dass aus dem «Sumpf-Schloss» bald etwas Neues entsteht. Ich hoffe nur, den Zutritt zum Turm oben wird es weiterhin geben – und unten eine Bar dazu. Und wenn auf der Menükarte dann kein «Trump Tower» aus Hummerfleisch mehr steht: umso besser.

Der Sissacher Alan Cassidy ist USA-Korrespondent für den «Tages-Anzeiger» und die «Süddeutsche Zeitung». Von 2006 bis 2008 schrieb er für die «Volksstimme».

WASHINGTON POST

Image Title

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Ja. Ich benötige ein Abo.

Article

Image Title